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Henryk Goldszmit (Janusz Korczak)
Henryk Goldszmit wurde am 22.7.1878 in Warschau geboren; seine Eltern
waren der jüdische Rechtsanwalt Josef Goldszmit und seine Frau Cäcylia.
Henrik war ein sehr ruhiger Junge, war leicht erregbar, überempfindlich
und hatte eine rege Phantasie. Schon in jungen Jahren wollte er die Welt
verändern, Hunger, Armut und Krankheit abschaffen.
Als Henryk 12 Jahre alt war, wurde sein Vater in eine Nervenheilanstalt
eingeliefert. Henryk fand diesen Gedanken so schrecklich, daß er
nahezu froh war, als sein Vater starb. Da Josef Goldszmit seine Familie
finanziell ruiniert hatte, mußte Henryk mit seiner Mutter und seiner
Schwester in eine kleine Wohnung umziehen und durch täglichen Nachhilfeunterricht
zum Lebensunterhalt beitragen.
1898 begann er, Medizin zu studieren. Es gab zu jener Zeit viele Studentenunruhen,
und zahlreiche Professoren verloren durch politische Opposition ihre Lehrstühle.
Sie hielten illegale Vorlesungen ab, denen auch Henryk häufig beiwohnte.
Er fing in dieser Zeit an, Artikel für verschiedene Zeitschriften
zu schreiben, und nahm 1899 an einem Schreibwettbewerb teil, bei dem er
zum ersten Mal das Pseudonym "Janusz Korczak" verwendete, unter dem er
später als Schriftsteller bekannt wurde. Er gewann den ersten Preis.
Korczak schloß sein Studium als Kinderarzt ab und kehrte nach
einigen Reisen durch Berlin, Paris und London nach Warschau zurück.
Dort arbeitete er in der Baumann - Berson - Klinik und stieg trotz seiner
jüdischen Abstammung bald zum Modearzt auf. Diesen Umstand wußte
er zu nutzen, indem er den wohlhabenden Leuten horrende Honorare abnahm,
um die Kinder mittelloser Eltern kostenlos behandeln zu können.
Während des Russisch - Japanischen Krieges diente Korczak als
Lazarettarzt. Zurück in Warschau begann er, unterstützt von einer
wohltätigen Gesellschaft, Sommerkolonien auszurichten, Ferienlager
für arme Warschauer Kinder.
1911 gab Korczak den Arztberuf auf, um die Leitung des neugegründeten
Kinderheimes "Haus der Waisen" (Dom Sierot) zu übernehmen. Hilfe erhielt
er von der jungen Stefania Wilczynska, einer Jüdin aus vermögender
Familie.
1914 wurde Korczak wieder als Lazarettarzt in den Krieg einberufen.
Während der Nächte schrieb er Bücher, in denen er forderte,
Kindern die gleichen Rechte wie Erwachsenen zuzugestehen. 1916 ermöglichte
ein Beamter der Allrussischen Zentralverwaltung Korczak die Arbeit als
Kinderarzt in Kiew. Dort lernte Korczak die Hortleiterin Maryna Rogowska
- Falska kennen.
Drei Jahre später gingen sie gemeinsam nach Warschau, und Maryna
gründete das Heim "Unser Haus" (Nasz Dom), das eng mit Dom Sierot
verknüpft wurde.
1923 wurde Korczaks berühmtestes Buch, das
Märchen "König Hänschen" veröffentlicht, ein Kinderbuch
gegen den Krieg.
1926 erreichte Korczak ein großes Ziel: Die jüdische Zeitung
"Unsere Rundschau" erlaubte ihm die Einführung der Kinderbeilage "Die
kleine Rundschau", an der bald Kinder aus ganz Polen mitarbeiteten.
Korczak wurde der Vorwurf gemacht, daß er die Kinder in seinen
Heimen verzöge. Sie erfuhren Gerechtigkeit durch ein Kindergericht,
dem sich gelegentlich auch die Betreuer stellen mußten, und ein eigenes
Parlament. Wenn sie im Alter von 14 Jahren das Waisenhaus verließen,
gerieten sie in eine Welt, in der es diese Gerechtigkeit nicht gab.
Anfang der 30er Jahre bekamen die Juden in Warschau den Antisemitismus
zu spüren. Viele wanderten nach Israel aus, unter ihnen auch Stefania
Wilczynska. Währenddessen kam es aus bis heute ungeklärten Gründen
zum Bruch zwischen Korczak und Maryna Falska; die Waisenhäuser wurden
getrennt. Ein schwerer Schlag für Korczak, der jedoch dadurch gelindert
wurde, daß Stefania Wilczynska 1938 zurückkehrte. Sie war zu
der Erkenntnis gekommen, daß die polnischen Kinder sie dringender
brauchten als die israelischen.
Im Herbst 1940 wurde das Waisenhaus gemeinsam mit allen anderen Warschauer
Juden in ein Ghetto im Norden der Stadt umgesiedelt. Korczak wollte sich
dagegen wehren und ging in seiner polnischen Offiziersuniform in die deutsche
Behörde. Als man sich wunderte, daß sich ein Pole für ein
jüdisches Waisenhaus einsetzte, bekannte er, daß er Jude war.
Daraufhin wurde er verhaftet und in das berüchtigte Warschauer Gefängnis
"Pawiak" gebracht. Erst nach Monaten kam er gegen 3000 Zloty Kaution frei,
die ehemalige Zöglinge zusammengespart hatten.
1941 wurde den Juden bei Todesstrafe verboten, das
Ghetto ohne Passierschein zu verlassen. Nun saßen sie in dem völlig
überfüllten Stadtteil fest, dessen einzige Grünfläche
der Friedhof war. Der Großteil der 500000 Bewohner, die das Ghetto
1942 zählte, war völlig mittellos; Arbeit gab es nicht. Der Schmuggel
blühte. Da er durch enge Gänge und Kanäle erfolgte, spielten
die Kinder hierbei eine große Rolle. Wurden sie entdeckt, erschoß
man sie auf der Stelle.
Die Allgemeinheit der Juden führte einen täglichen Kampf
gegen den Tod. Ein deutscher Soldat, der im Ghetto heimlich Fotos machte,
berichtete von einem Kind, das nach einem langen Betteltag umgerechnet
ca. 13 Pfg. besaß. Ein Laib Brot kostete etwa 200 DM, ein Paar Schuhe
2000.
Korczak machte täglich Bittgänge. Denn während draußen
auf den Straßen die Kinder verhungerten, gab es einige wenige Juden,
die sich durch großen Schmuggel ein vermögen geschaffen hatten
und in Saus und Braus lebten. Korczak wurde beinahe gewalttätig, um
"seine" Kinder zu retten. Er bat, drohte und randalierte.
Das Leben im Waisenhaus ging trotz aller Schwierigkeiten seinen gewohnten
Gang. Stefania Wilczynska sorgte für Routine, um eine Massenpsychose
zu vermeiden. Und die Kinder lebten zwar entbehrungsreich, gemessen an
Ghettomaßstäben aber luxuriös. Sie bekamen morgens eine
Scheibe Brot und Malzkaffee oder gefärbtes heißes Wasser, mittags
Kartoffeln oder Grütze mit Pferdeblut, manchmal auch Pferdefleisch
oder Tran.
Korczak hatte Freunde außerhalb des Ghettos, die Medikamente
und sanitäres Gerät zu ihm schmuggelten. Manche versuchten auch,
ihn zur Flucht zu überreden. Sie besorgten ihm eine gut getarnte Wohnung
und einen gefälschten Passierschein. Aber Korczak wäre es nicht
im Traum eingefallen, die Kinder im Stich zu lassen.
1942 begann die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto. Obwohl
einige Schreckensmeldungen aus den KZs in das Ghetto drangen, glaubten
nur wenige an die grausamen Zustände. Korczak gehörte zu ihnen.
Er dachte zeitweilig daran, den Kindern durch Morphium einen ruhigen Tod
zu ermöglichen, entschied sich aber dagegen.
Am 22. Juli gab der Judenrat bekannt, daß alle Juden Warschaus
in den Osten umgesiedelt werden sollten. Schnell erkannte man, daß
es in den Tod ging. Korczak erhielt die Zusicherung, daß die Waisenkinder
bleiben dürften, doch am 5. August wurden auch sie zum Abtransport
gerufen. Inmitten der verängstigten Menge liefen die Kinder, ordentlich
in Viererreihen formiert, Korczak an der Spitze. Noch zu diesem Zeitpunkt
wurde versucht, ihn zu retten, aber er wich nicht von der Seite seiner
Schützlinge.
Im KZ Treblinka fanden Korczak und alle seine Kinder den Tod. Auch
von den Betreuern überlebte keiner.
1972 wurde Korczak nachträglich der Friedenspreis des Deutschen
Buchhandels verliehen.
Quelle: "Nicht mich will ich retten" von Monika Pelz, Beltz &
Gelberg Verlag 1985
Judith Peplow
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