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A3957

GK-Geschichte Schuljahr 1998/99 1. Sem.(12/1)

Klausur Nr. 1

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Thema:

 

Die Anfänge der deutschen Verfassungsbewegung

 

Bearbeitungszeit: 11.30 Uhr – 13:05 Uhr

 

Aufgabe 1:

In einer Petition Berliner Bürger an den König von Preußen vom 11. März 1848 heißt es:

"Vergebens hat die deutsche Nation drei Jahrzehnte lang nach Freiheit und Einheit gestrebt; die Schwäche der Bundes-Verfassung, die traurigen Wirkungen der Ausnahme-Gesetze von 1819, unter welchen unser Vaterland zu leiden hatte, sind in das hellste Licht getreten: möge die unabweisbare gewordene Erkenntnis des Übels mit dem tatkräftigen Entschluß der Heilung zusammenfallen!"

  1. Legen Sie dar, inwieweit es aus der Sicht der Petenten berechtigt ist, von einer Schwäche der Verfassung des Deutschen Bundes zu sprechen! Berücksichtigen Sie dabei auch die Ausgangssituation für die Entstehung des Deutschen Bundes im Jahre 1815!
  2. Was ist mit den Ausnahmegesetzen gemeint? Nennen Sie wichtige Bestimmungen dieser Ausnahmegesetze!

 

Aufgabe 2:

  1. Erarbeiten Sie eine knappe, eigenständige Zusammenfassung des Textes (MAT 01)
  2. Gentz sieht die "gegenwärtige Periode vorzüglich durch den Kampf zweier entgegengesetzter Systeme" (Z.1) gekennzeichnet.
  3. Umreißen Sie –bezogen auf die deutschen Verhältnisse- zentrale politische Vorstellungen und Zielsetzungen der jeweiligen Anhänger der genannten Systeme!

  4. Geben Sie eine begründete politische Standortbestimmung des Autors!

 

 

Text: MAT 01

 

Auszug aus einem Artikel von Friedrich Gentz1 in Cottas ,,Allgemeine Zeitung"
vom 27./28. September 1831

(...) Es scheint, daß die gegenwärtige Periode vorzüglich durch den Kampf zweier entgegengesetzter Systeme sich charakterisierte und daß in diesem Kampfe alles darauf ankomme, ob die Volks-Souveränität als die Quelle aller Rechte im Staate sich geltend mache oder ob das monarchische Prinzip, wie bisher, als die bewegende Feder in der Uhr des Staatslebens erhalten werden könne. Die Anhänger der Volks-Souveränität beschuldigen ihre Gegner, daß sie die Willkür zur Basis des Rechts machen wollen, während viele Anhänger des monarchischen Prinzips durch die Tat bewiesen haben, daß sie Bürgschaft gegen Willkür für notwendig erkennen und, um solche zu gewähren, in feierlich beschworenen Verfassungsurkunden die Rechte der Untertanen, die Herrschaft der Gesetze anerkennen. (...)

Auf dem Festlande Europas ist nach Beendigung der ersten französischen Revolution nur erst in einem großen Staate, und zwar erst seit ungefähr einem Jahre2, der Versuch gemacht worden, die Volks-Souveränität zum Grundgesetz des Staates zu erheben. Ließe nun der Begriff einer solchen Souveränität auch eine annehmbare Auslegung zu, so haben doch in demselben Lande, wo der Versuch im großen angestellt wurde, zahlreiche, zum Teil blutige Volksaufläufe bewiesen, wie leicht der Begriff mißverstanden werden könne. Erst nachdem die Regierung, um sich gegen die Aufstände zu sichern, eine größere Energie entwickelte und dadurch faktisch das monarchische Prinzip wieder in seine Rechte einsetzte, ist dort Ruhe und Vertrauen im Innern wie in den äußeren Verhältnissen wieder möglich geworden. Die Nachahmungen jenes Versuchs, die in einigen benachbarten Ländern im kleinen bemerkt wurden, waren noch weniger geeignet, die Vortrefflichkeit der Volkssouveränität über allen Zweifel zu erheben und die Regierungen geneigt zu machen, ihr zu huldigen. (...)

Wenn sonach der noch junge große Staat, in welchem die Herrschaft der Volkssouveränität verkündet wird3, als einziges Phänomen in Europa dasteht und bisher noch keine Gelegenheit hatte, die Haltbarkeit seines Prinzips durch die Tat zu beweisen; so sieht man dagegen auf der anderen Seite alle großen Mächte des Festlandes im Vereine mit den Mächten des zweiten Ranges fortwährend zur Erhaltung und Verteidigung des monarchischen Prinzips entschlossen, wie solches ihnen von der Weisheit der Vorfahren vererbt wurde, wie es sich durch die Erfahrung der Jahrhunderte bewährt hat. Bei dem Abwägen der Kraftmassen also, auf welche sich die beiden erwähnten Systeme stützen, ist offenbar das Übergewicht auf Seite der alten Monarchien (...)

Es [das monarchische Prinzip] stützt sich auf die Erfahrung der Jahrhunderte, die sein System bewährt hat; es kann also gelassen das Resultat abwarten, wenn in einem einzelnen Lande, auf dessen eigene Gefahr der kühne Versuch gemacht wird, eine ganz neue, bisher unbekannte Erfahrung auf ungebahntem Wege aufzufinden. Was bisher bei diesem Versuche zustande kam, ist nicht geeignet, dem Schrecken vor einer neuen, alles umstürzenden Riesenmacht Gehör zu geben. (...)

 

1 Friedrich Gentz (*1764 in Breslau + 1832 in Wien); politischer Publizist und Staatsbeamter

2 Gentz spielt hier auf die französische Julirevolution von 1830 an

3 Gemeint ist Frankreich nach der Julirevolution 1830

 

Zitiert nach: Wolfgang Hardtwig, Vormärz, München 1985, S. 175ff