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Titel: Mann ist Mann
Autor: Bert Brecht
Inhalt:
Galy Gay, ein irischer Packer will einen Fisch kaufen. Gleichzeitig
plündert eine Abteilung von 4 Soldaten einen Tempel. Der Tempelbesitzer
hatte aber, für solche Vorfälle gerüstet, Fallen aufgestellt.
Die Soldaten verfangen sich in den Fallen, einen von ihnen müssen
sie die Haare abschneiden, um ihn frei zu bekommen. Damit sie mit ihren
Kumpanen nicht auffallen, lassen sie ihn in einer Kiste versteckt zurück,
um ihn in der Nacht die Haare komplett abzuschneiden. Auf ihren Rückweg
treffen sie aber auf einen sehr strengen Sergeanten, den "Blutigen Fünfer"
der schon von der Plünderung gehört, die verbrecherische Abteilung
sucht. Da sie nur zu dritt sind fallen sie auf - sie können sich zwar
herausreden, aber sie müssen jetzt zu einem Apell, können also
nicht bis zum Abend warten. Sie wollen sich nun einen 4. MAnn suchen, und
Galy der zufällig sie Straße herunterkommt läßt sich
überreden. Er geht mit ihnen ein Geschäft ein und spielt den
4. Mann. Nach den Apell wollen die drei nun ihren Kumpanen aus der Kiste
holen, doch der Tempelwärter hat sie wegen starken Regens in den Tempel
getragen und den Soldaten gefunden. Er liefert ihnen den Soldaten nicht
aus, sondern will aus ihm Kapital schlagen indem er aus ihm einen Gott
macht.
Die Soldaten sehen nun, daß sie Galy für länger brauchen,
beschließen ihn "total umzumontieren wie ein Auto" (Mann ist Mann),
damit er in die Rolle ihres ehemaligen Kumpels schlüpfen kann. Sie
können Galy wieder mit einem Geschäft überreden, die eigene
Persönlichkeit abzulegen und in die Rolle ihres Kumpels zu schlüpfen
- Galy spielt sogar seiner eigenen Frau glaubhaft vor sie nicht zu kennen!
Da aber unvorgesehens die stationierte Armee in den Krieg ziehen muß,
bleibt wenig Zeit den Packer in einen Soldaten zu verwandlen und die drei
verwenden nun eine List: Der handelsgeile Galy soll bei einer Versteigerung
eines Elefanten (Atrappe!) als Besitzer zeichnen. Während er nun den
Besitzer spielt, nehmen Soldaten ihn wegen Verdachts auf Verkauf von Heeresgut
fest. Nebenbei "entdeckt" die Käuferin Begbick, daß ihr Elefant
nur eine Atrappe ist. Mehrfach angeklagt wird Galy nun zum Tode durch Erschießen
verurteilt. Somit wird er gezwungen seine eigene Identität als Galy
abzulegen, und flüchtet in die schon bekannte Rolle des von ihm gespielten
Soldaten.Um ihn aber restlos von seiner Persönlichkeit zu befreien,
"erschießen" ihm die Soldaten - als er wieder als Soldat
erwacht, wird gerade "Galy" zu Grabe getragen und Galy muß ihm eine
Grabrede halten!
Aber in dieser Nacht wird auch eine andere Persönlichkeit
durchleuchtet: Der "Blutige Fünfer" total angetrunken, und lüstern
auf die Witwe Begbick erzählt, daß ihm der Namen deswegen verliehen
wurde, da er fünf wehrlosen Hinduisten sinnlos erschossen hatte. Da
sie nun wissen, daß er ein menschlicher Dreckhaufen ist, weiters
zielt er sehr schlecht, haben sie jegliche Achtung vor ihm verloren.
Die drei Kameraden verfrachten ihren Neuen jetzt in den Zug, wo er
einschläft. Als er am nächsten Morgen erwacht, liegt die Begbick
neben ihn. Die anderen reden ihm nun ein, daß er mit ihr geschlafen
habe, und weiters erklären sie ihm, er sei eine Zeitlang verwirrt
gewesen und habe geglaubt er sei ein anderer.Als sie ihm letztendlich "seinen"
Paß zeigen glaubt er schon fast, daß er wirklich Jip ist.
Als nun der frustrierte Fünfer erkennt, daß er durch seine
Menschlichkeit und seine Gefühle seinen Namen verloren hat, entmannt
er sich selber, um nicht wieder einmal in Verlegenheit zu kommen und um
seinen Namen zu behalten! Galy ist, als er das sieht, nun restlos davon
überzeugt, daß Namen und Persönlichkeiten sinnlos sind
-> Mann ist Mann.
Als sie bei der Festung ankommen, die sie zerstören sollen, taucht
der reelle Jip wieder auf - die drei kennen ihn aber nicht mehr, um nicht
ihr Gesicht zu verlieren.Nur Galy erkennt die Not des Jip undschenkt ihm
seinen alten Paß.
Im Kampf entwickelt sich der früher so friedliche und aufrichtige
Galy zu der kriegsgeilen Kampfmaschine Jip, und vollendet somit seine Verwandlung
vom Packer zum Soldaten.
Interpretation:
Brecht zeigt, daß für ihn eine Vereinbarkeit von individueller
Selbstbestimmung und entfremdeter Gesellschaft undenkbar ist: Verweigerung
oder Anpassung sind die einzigen Verhaltensmöglichkeiten, wobei Anpassung
im Zeichen des Kollektivs in zunehmenden Maß positiv ist.Der Denkansatz
war sicher der Weltkrieg: Der einzelne erreichte eingreifende Wirkung nur
als Repräsentant vieler.
Mann ist Mann thematisiert den Verlust der Identität, und trägt
mit den Stilmitteln der Groteske den alten Individualitätsbegriff
zu Grabe.Das Stück selber ist der Übergang Brechts dramatischer
Anfänge zu den Lehrstücken und weiter zum epischen Theater.
Das Stück zeigt, daß Krieg aus wirtschaftlichen Gründen
geführt ist, und ein gesellschaftlich legalisiertes Verbrechen ist.Aber
so kritisch auch die Armee als Form des Kollektivs dargestellt wird - die
Anpassung des Galy wird als zweckmäßiges, den Zeitverhältnissen
entsprechendes Verhalten dargestellt.Die Darstellung bedient sich der Groteske
- ihr Prinzip ist Entstellung und Verzerrung die zugleich Entsetzen und
Lachen bewirken.Wenn nun Brecht vorführt, daß ein Mensch "wie
ein Auto ummontiert" wird, so mag das zuerst als groteske Überpointisierung
klingen - aber es geht ja nicht nur um den Rollentausch Galys. sondern
um die soziale Identität; aus dem friedlichen Packer mit weichem Gemüt,
wird eine blutrünstige Kampfmaschine.Somi ist diese Aussage nicht
übertrieben - nur in der Groteske wird sichtbar, was in der Realität
ständig geschieht.
Der Titel des Stücks "Mann ist Mann" ist eine Setzung durch die
scheinbar Besonderes zu Gleichem ummontiert wird.Galy ist als Problemlösung
für die 3 Soldaten der ideale Mann - er ist zugleich gutmütig
und schwerfällig.Seine Verhälnisse, die ihm zu wenig eigene Existenz
gaben, ermöglichten es ihm nicht eine eigene Identität auszubilden;
er hat nicht mehr zu verlieren als seinen Namen.Trotzdem bleibt er Realist
- er kann nur durch ein Geschäft überredet werden.Seine Verwandlung
beginnt in dem Augenblick als der Mann der niemals Nein sagen konnte plötzlich
sich selbst seiner eigenen Frau verleugnet.Somit werden die drei Gefühlsingenieure
bestätigt: "Ein Mann ist wie der andere."
Das Geschäft (Elefantenverkauf) hat nur Scheincharakter: Der Elefant
als Ware ist eine primitive Atrappe, aber dieser Schein ist Verfremdung
des ökonomischen Prinzips und zeigt die Abstraktheit der Geschäfte:
Es kommt nicht auf den Gebrauchswert des Elefanten an, sondern um seinen
Tauschwert.Galy handelt einfach nach dem Grundsatz "Geschäft ist Geschäft"
und als er als Namenloser agiert, ist dies bereits eine weitere Abwendung
von seiner früheren Personalität. Durch die Anklage wegen Verhökern
von Armeegutes, und die daraus resultierende Todesangst, wird die Vitalität
Galys auf den Überlebenswillen reduziert.Galy trennt sich nun von
seinem Ich und übernimmt die Rolle im Kollektiv.Die Mechanik des Umbaus
der Perönlichkeit wird weiters durch die Witwe unterstrichen, die
als Gegenleistung verlangt, daß ihre Kantine "Zug um Zug" abgebaut
wird.Das Gebäude der Persönlichkeit fällt somit parallel
zur Kantine.Aber auch zwei andere Personen werden verwandelt: der Soldat
Jip wird vom Mesner in einen Gott verwandelt, der "Blutige Fünfer"
verliert sich in eine unwiderstehliche Sinnlichkeit, wo er als Zivilist
bei der Witwe die kollektive Identität, sowie seinen Namen verliert.
Der Verlust des Namens ist somit ein durchgängiges Motiv im Stück.Galy
kann sich aber nicht sofort von seiner alten Persönlichkeit trennen
- er belibt vorerst "der Beide".Seine Kumpanen versuchen ihn nun zu verwirren,
aber den entscheidenden Schritt machte erst der demaskierte "Blutige Fünfer"
der sich, um seinen Namen zu behalten, und ja nicht mehr Zivilist zu werden
sich mit seiner Pistole entmannt.Galy merkt nun, daß seine Rückfälle
gefährlich sind.Es gehört aber zu der Logik der Groteske, daß
dieser Fall eigentlich das Gegenteil dessen lehrt, was Galy daraus gelernt
hat.Denn Fairchild kämpft ja um seinen militärischen Namen, während
Galy um seinen zivilen Namen kämpfte! In der Schlacht wandelt er sich
komplett in eine Kampfmaschine un zwingt den zurückkehrenden Jip seinen
alten Namen auf.
Weitere Themen: Religion ist ein Geschäft mit der Dummheit, kapitalistische
Kriege sind kolonialistische Eroberungszüge, Kleinbürger sind
durch ihren Besitztrieb verführbar, der Zwang zur Verhaltenskonformität
zwingt zur Vernichtung persönlicher Widersprüche.
Interessant ist die Figur Galys gezeichnet: Er der als Anpasser erscheint
ist in Wirklichkeit kein Schwächling, sondern der stärkste der
Personen.Aber erst als er aufgehört hat eine Privatperson zu sein,
er wird erst in der Masse stark.Interessant ist, daß er durch die
Montage keinen Schaden nimmt, er gewinnt.Weiters zeigt Brecht auch, daß
die Persönlichkeit eine Mythe ist, weil der Mensch in zwei unterschiedlichen
Augenblicken nie der gleiche sein kann.Das außen sich wechselnde
Umfeld zwingt den Menschen sich auch persönlich zu ändern - Galy
dem dies klar gemacht wurde gewinnt.Außerdem konnte für ihm
die Montage nur ein Gewinn sein, da er vorher selber keine wesentliche
Persönlichkeit ausgebildet hatte.
Zur Aufführung: Brecht verwendete für die Soldaten Stelzen,
Teilmasken und Drahtbügel: die Soldaten wirkten so als riesige Ungeheuer,
weiters ist die Ummontage des Galy plastisch sichtbar.Mit dem Abbau der
Persönlichkeit im Stück hatte der "tragende Schauspieler" und
seine Mimik keinen Platz mehr.Nicht umsonst wurden Masken vewendet.
Brecht zeigt hier weiters wie die kapitalistische Produktionsweise
(Fließbandarbeiter) die bürgerliche Ideologie der Individualität
negiert.
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