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Stiller von Max Frisch (1954)

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  1. Inhalt: Der Roman hat die Lebensgeschichte eines Schweizer Bildhauers namens Anatol Ludwig Stiller zum Inhalt. Dieser vermag die Erwartungen, die man in sein künstlerisches Talent setzt, nicht zu erfüllen, wird auch mit seiner Beziehung zu der Tänzerin Julika Tschudy, die er geheiratet hat, nicht fertig und flüchtet schließlich aus seiner unbedeutenden Existenz in ein Wunsch-Ich, die Maske des weltläufigen und weitgereisten James Larkins White.
  1. Erzählstoff: 1. Die acht Ehejahre mit Vorgeschichte (1936-1945), 2. Das Krisenjahr 1945, 3. Stillers Aufenthalt in Amerika (1946-1952), 4. Die Untersuchungshaft in Zürich (1952), 5. Das Leben in Glion und Julikas Tod (1952-1955)
  1. Grobgliederung des Romans

Erster Teil: Stillers Aufzeichnungen im Gefängnis (S.9-383)

1.Heft (S.9-85): Eintragungen aus dem Gefängnisalltag (Berichte, Reflexionen, Wiedergabe von Gesprächen, Geschichten, Notizen) Þ Suche nach sich selbst (existenziell); Verständigung mit dem Ehepartner (psychologisch); Schweiz gegen Mister White (Kriminalfall)

-          18.01.1946: Wo der Untersuchungsgefangene sich aufgehalten habe ? (S.18)

-          kritisches Bild der Schweiz (S.15-17)

-          Isidor-Geschichte (S.41-45): Flucht von der Familie, Fremdenlegion, erneute Flucht vor der Familie

-          Erzählung über den Mord an Florences (Mulattin) Freund und anschließende Liebe mit ihr (S.50-55)

-          Jesus Parallele wird auf Beziehung projiziert (S.63)

-          Rip-van-Winkle-Geschichte (S.70-77)

-          “Selbstmord ist Illusion !” Reflexion über den Selbstmord eines Mitgefangenen (S.84/85)

2.Heft (S.86-151): Bericht über die Ehe von Anatol Stiller mit Julika Stiller-Tschudy Þ

die Ehe, in der ihre Frigidität auf seine Komplexe trifft, Gegenwartshandlung unterbrochen

-          Ein Fall von Frigidität ?  Stichwort: Nußknacker-Suite (S.86)

-          Unterschiedliche soziale Herkunft (S.90-94)

-          Charakterisierung Stillers (S.107-113): Minderwertigkeitskomplexe

-          Julika in Davos (S.113-125): verständnisvoller, junger Sanatoriumsveteran

-          Vereinsamung Julikas; die Theaterwelt rückt von ihr ab (S. 126-139)

-          Toledo-Geschichte (S.139-142)

-          Der Bruch zwischen Stiller und Julika (S. 142-151)

3.Heft (S.152-201): Eintragungen aus dem Gefängnisalltag (Berichte, Reflexionen, Geschichten, ...)

-          Einkleidung in einem Zeughaus (S.152-156) u. Träume vom Militär (S.174/75)Þ Hinweis auf Trauma

-          Grottengeschichte (S.156-172): Kampf zwischen zwei Seiten des Selbst

-          Der amerikanische Paß ist eine Fälschung (S.175)

-          Eifersucht auf Herrn Dimitrisch (S.185)

-          Nennt den Staatsanwalt seinen Freund (S.185)

-          Freiheitsgedanken ins Existenzielle (S.185-199)

-          man verdächtigt Stiller an diesem 18.01.1946, einen sowjetischen Agenten getroffen zu haben (S.195)

-          Knobel spricht ihn jetzt als “Herr Stiller” an. (S.201)

4.Heft (S.202-233): Bericht über die Ehe von Rolf, dem Staatsanwalt, mit Sibylle

-          Rolfs Geschichte mit dem “fleischfarbenen Kleiderstoff” (S.202-218); Rolfs Selbsterkenntnis (Sentimentalität, Primitivität, Spießigkeit) [S.211/212] =symbolische Funktion auf S.321 erklärt

Þ Auseinanderfallen von Gefühl und Intellekt bezeichnend für eine Lebenskrise

-          (S.222-228) äußerlich bleibt alles beim alten, sieht in Sturzenegger den vermeintlichen Rivalen

-          (S.228-233) Umzug ohne Sibylle; Sibylle trennt sich von Rolf u. geht mit Sohn nach Amerika

5.Heft (S.234-253): Eintragungen aus dem Gefängnisalltag (Berichte, Notizen, Charakterisierung des “verschollenen Stiller”)

-          (S.235-240) Gespräch mit Professor Haefeli und seiner Frau über den Selbstmord des Sohnes Alex

-          (S.241) Man muß Versagen annehmen

-          Bericht über Gespräch mit Willi Sturzenegger (“Mechanik in den menschlichen Beziehungen”, S.242)

-          Bericht über Besuch bei Sibylle in Klinik (Baby): “Warum bist Du zurückgekehrt ?” (S.250/251)

-          Charakterisierung des verschollenen Stiller aufgrund der Bildnisse seiner Bekannten (S.251/252)

6.Heft (S.254-316): Bericht über die “Dreiecksgeschichte” zwischen Stiller, Sibylle und Rolf (Kompositionsschema zu Heft 2 und 4)

-          Abend in Stillers Atelier (S.254-270): Schlüsselerlebnis (Spanien, Anja) für Stillers Versagensängste (S.269) “..., es ist der typische Traum der Impotenz.”

-          (S.270-276) nach der Liebesnacht Rolfs Selbstsicherheit als Kontrast zu Sibylle (S.275)

-          (S.276-281) Zwiespalt Sibylles: Stiller führt kein klärendes Gespräch mit Julika in Davos und Rolf hält sie nicht zurück Þ Krise, denn sie erwartet ein Kind von Stiller (S.281)

-          (S.282-288) Verstimmung zwischen den Liebenden Þ Schlüsselerlebnis im Zirkus (S.287) “eine unabhängige Frau”Þ “Nein” zur Parisreise, Abtreibung des Kindes

-          (S.288-295) Trennung von Sibylle und Rolf, er hält sie wieder (gegen ihre Erwartung) nicht fest

-          (S.295-308) Winterkurort Pontresina: Beziehungsende; Stillers Verhalten gegenüber Julika erscheint Sibylle als Mord (S.301/302) Þ nach Scherbennacht: Abreise Stillers (seitdem verschollen)

-          (S.308-313) Sibylle in Amerika, muß ihr Leben nun selbst verantworten

-          (S.313-316) Rolf holt seine Frau heim, Sibylle fühlt, daß sie bei Rolf zuhause ist

7.Heft (S.317-383): Eintragungen aus dem Gefängnisalltag (Berichte, Reflexionen, Gesprächswiedergaben, Notizen), Erinnerungen an die Überfahrt nach Amerika, Bericht über den Tag der Schlußverhandlung in drei Teilen:

-          Gespräch mit Staatsanwalt über Selbstüberforderung und Selbstannahme (S.321-324), die ohne die Gewißheit einer absoluten Instanz  (Gott) nicht möglich ist

-          Reflexion über Gespräch: Stiller will kein “nichtiger Mensch” sein (S.324)

-          Zusammentreffen mit Wilfried Stiller und Austausch unterschiedlicher Erfahrungen (S.324-330)

-          Reflexion über die Parteilichkeit des Schreibens (S.330/331)

-          Traum von Julika, wieder mit dem Bild des “Kreuzigens” (vgl. S.63). (S:333/334)

-          Reflexion über die Unfähigkeit der Sprache (S.334)

-          Stiller kann nicht allein sein (S.335)

-          Haßliebe zu Julika (S.338-343)

-          Hoffnung, “durch Beten  irgendwie verwandelt zu werden”, sich selbst “zu entgehen”, erkennt er als sein “Gefängnis” (S.343)

1.      Der Vormittag (S.344-348) Enttarnung einer Lügengeschichte (vgl. S.25) durch Staatsanwalt

2.      Das Mittagessen (S.348-355) Stiller könne “kein Geständnis” machen, das ihm sein “Engel” verboten hat (vgl.S.64, 330)

3.       Der Nachmittag (S.355-383)

-          ausführliche Beschreibung von Stillers Atelier (S.354 ff.)

-          Stiller will die Beziehung mit Julika unter veränderten Vorzeichen neu anfangen (S.369)

-          Gegenüberstellung mit Vater (S.374) führt zu Wutausbruch Þ Triumph Julikas (S.377)

-          Bericht über seinen Selbstmordversuch (S.378 ff.); Rettung durch Florence, im Kampf zwischen Leben und Tod habe er den Schrecken erlebt, den er “sein Engel” nennt (S.380)

-          Erlebnis der Wiedergeburt “dem Wesen der Gnade nie (näher) gekommen

-          Einzelheiten des Urteils (S.381-383)

-          Stiller erbringt das Alibi für den 18.01.1946 (S.383, 387)

Zweiter Teil: Nachwort des Staatsanwaltes (S.387-438)

            Rolf erzählt, aus seiner Sicht kommentierend, vom Leben des Ehepaares Stiller-Tschudy im Waadtland und von Julikas Tod. Er gibt ausführlich die Gespräche wieder, die er mit Julika und Anatol Stiller geführt hat, und zeigt darin deren Eheprobleme auf.

-          Stiller war frei geworden von der Sucht, überzeugen zu wollen. (S.387)

-          Übergangszeit (S.387-390): Der Kontakt bricht ab; “ein Band Kierkegaard”  (S.390)

-          Ansiedlung in Glion (S.390-399): positive Veränderung : Stiller redet nicht mehr wie früher dauernd von sich selbst (S.399)

-          Gespräch mit Julika (S.399-406): Julikas Klage, dass Stiller sie nicht hört (S.400), todkrank (S.404), Einsamkeit (S.404)

-          (S.406) Stillers Ahnungslosigkeit beim festlichen Abend

-          Rolfs Eindruck von seinem Besuch in Glion (S.406-411): Kritik am “Bildnis” von Julika (S.407)[Eheproblematik]; Selbstannahmeprozeß nach Kierkegaard: Stiller befinde sich im zweiten Stadium, dritte Stadium “Verzicht auf die Anerkennung durch die Umwelt” wird vermißt (S.408/409)

-          Osterwanderung (S.411-417): Operation Julikas; Stiller akzeptiert sich als Schweizer (S.414)

-          Nachtgespräch zwischen Männern (S.417-430): Haßliebe zu Julika (S.420), Vorwürfe von Rolf (S.423)

-          Fortsetzung des Nachtgesprächs (S.430-435): Sich selbst annehmen bedeutet Gott annehmen (S.433)

-          Julikas Tod (S.435-438): Ein Wesen, “das in seiner Zeit von niemand erkannt worden ist” (S.438)[i]

4. Erzähltechnik:

Montagetechnik: künstlerische Aneinanderfügung einzelner Bildfolgen und Szenen in räumlich und zeitlich verschiedenen Situationen, verfremdende Zusammenfügung verschiedener Wirklichkeitsebenen

Prismentechnik: Wiedergabe aus verschiedenen Perspektiven, Brechung durch verschiedene Sichtweisen

Funktion in diesem Roman: Verhinderung eines festen Bildes von einer Person, Darstellung des Facettenreichtums einer Person

5. Grundlegende Themen des Romans:

-          Bildnisproblematik

-          Probleme der Selbsterkenntnis/-annahme

-          Selbstannahme als Erlösung

-          Selbstüberforderung des Menschen

-          Gottesproblem

-          Unfähigkeit des Wortes

6. Erläuterungen zu Kierkegaard:

Philipp Manger, Kierkegaard in Max Frischs Roman “Stiller”

Kierkegaard unterscheidet drei Stadien auf des Lebens Weg: das ästhetische, das ethische und das religiöse Stadium.

                Der ästhetische Mensch lebt “ins Blaue hinein”, er erforscht alle Möglichkeiten des Lebens, ohne sich an frühere Entscheidungen zu binden. Er entwickelt sich, aber nur zufällig und regellos, denn er will seine eigene Entwicklung nicht; nie fühlt er sich durch seine eigene Wahl  verpflichtet.

Der ethische Mensch andererseits will seine eigene Entwicklung, indem er eine frühere Entscheidung als Verpflichtung für sich annimmt, d.h. indem er mehrfach und kontinuierlich das Gleiche wählt. Folglich werden seine Handlungen nicht mehr durch Umstände bestimmt und er besitzt eine größere Freiheit.

 Der religiöse Mensch hat die endgültige Wahl getroffen, den Sprung in den Glauben. Nur im religiösen Stadium kann der Einzelne die Ungesichertheit des Lebens überwinden, die im Prozess des Werdens beschlossen liegt. Aber um überhaupt wählen zu können, muss er zuerst “die Doppelheit des Daseins begriffen” haben, d.h. er muss verstehen, dass er nicht notwendigerweise “bei sich” ist, er muss lernen, subjektiv zu sein, also danach streben, das zu werden, was er schon ist. Es ist die schwierigste unter allen Aufgaben, denn “es lebt im Menschen immer ein solcher ... ängstlich besorgter Drang zu etwas richtig Festem, das die Dialektik ausschließen kann” (Nachschrift S:31)

Die Suche nach Wahrheit und folglich nach Freiheit ist eine Bewegung nach Innen. Nur was mit dem Selbst zusammenhängt, kann für dieses Selbst wirklich wahr sein. Das ist keine objektive, dem Selbst äußerliche Wahrheit, sondern eine subjektive. Für Kierkegaard heißt Subjektivität Wahrheit. Die höchste Wahrheit ist jene “objektive Unsicherheit”, die der Glaube ist.[ii]