Gratis Newsletter !
Der Schultreff-Newsletter informiert Dich stets über neue Arbeiten und mehr rund um Schultreff.
Du kannst Dich jederzeit wieder abmelden.
 

Deutsche Sozialgeschichte:

Arbeitswelt 1750-1950

 

ber Jahrtausende war die Sicherung des Lebensabends und der Lebensrisiken wie Invalidität oder Krankheit Aufgabe der unmittelbaren Lebensgemeinschaft, also vor allem des Familienverbundes. Die Verantwortung füreinander funktionierte in einem einfachen ungeschriebenen Familienvertrag, der mehr war als ein Generationenvertrag: Der Starke sorgte für den Schwachen, der Gesunde für den Kranken und die Eltern für ihre Kinder in der selbstverständlichen Erwartung, dafür später von ihnen mitversorgt zu werden.

Deutschland im 19. Jahrhundert, das ist für die meisten Menschen ein dunkles Jahrhundert – das Zeitalter der Maschinen beginnt. Dampfmaschinen leiten die Industrialisierung ein. Der Fortschritt scheint keine Grenzen zu kennen. Doch die Maschinen vernichten die Existenz zahlreicher Handwerksbetriebe. Viele Millionen Menschen müssen den "Fortschritt" jener Zeit mit bitterem Elend bezahlen. Ihr Arbeitstag beginnt, wenn es noch nicht ganz hell ist und endet erst, wenn es schon wieder dunkel wird. Die Bevölkerung wächst von Jahr zu Jahr. Immer mehr Menschen suchen Arbeit und Brot. Aus kleinen Städten werden in wenigen Jahrzehnten Großstädte. Der Agrarstaat wird zum Industriestaat. Häuser mit drei, vier – bis zu sieben Hinterhöfen entstehen. Eingang reiht sich an Eingang. Klein, finster – und überfüllt mit Menschen.

Männer, Frauen und Kinder arbeiten in den neuen Fabriken – 60, 70 und mehr Stunden in der Woche. Allein in Preußen werden 1846 31.000 Kinder unter 14 Jahren beschäftigt. Bei den Arbeiterfrauen, meist in untergeordneter (Fabrik-)Tätigkeit beschäftigt, war die "Versklavung" noch stärker ausgeprägt, obwohl der Sozialismus sich sehr früh und intensiv um die Befreiung der Frau kümmerte und auch eine Reihe von Arbeiterfrauen führende Funktionen in der sozialistischen Bewegung übernahmen. Soziale Sicherheit gibt es zu dieser Zeit kaum. Krankheit, Invalidität, Arbeitslosigkeit und Alter bedeuten Not und Elend für den Arbeiter und seine Familie. Wohlhabende Gemeindebürger beginnen in einigen Orten mit der Finanzierung der Armenfürsorge. Die Kirchen nehmen sich der Not der Industriearbeiter und ihrer Familien an. Soziale Hilforganisationen entstehen.

Der Staat enthielt sich lange Zeit jeglicher Einflußnahme: Soziale Wohlfahrt gehörte nicht zu den klassischen Staatsaufgaben. Erst allmählich fühlte er sich auch für positive Gestaltungsaufgaben zuständig: Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 enthielt immerhin einige Regelungen über staatliche Armenpflege.

Werbung

Das war noch keine Sozialpolitik nach unserem Verständnis. Auch das Jugendarbeitsschutzgesetz von 1839 – es verbot die Beschäftigung von Kindern unter neun Jahren in Fabriken und beschränkte die Arbeit von Jugendlichen unter 16 Jahren auf höchstens zehn Stunden täglich – war nicht allein Produkt wachsender Humanität, sondern auch Ausdruck der Besorgnis, durch zu frühe harte Arbeit könnten menschliche Wracks entstehen, bevor die Bürger ihnen staatlich zugedachte Aufgaben – etwa den Militärdienst – wahrnehmen konnten. Sozialer Schutz war auch Mittel und nicht nur Ziel.

Mehr und mehr setzte sich die Erkenntnis durch, daß die Beseitigung von Not gerechtere gesellschaftliche Strukturen voraussetzte. Es ging neben der Entwicklung politischer Rechte um die Verbesserung der Chancen auf Teilhabe an den Früchten der wirtschaftlichen Entwicklung für alle.

Es entstanden sozialistische Arbeitervereine, die unter Ferdinand Lassalles Führung 1863 zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins führten. Aus ihm und der 1869 in Eisenach gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei entstand 1875 die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands.

Entschiedenen Anteil am Wachsen einer sozialen Gesellschaft haben die Gewerkschaften. Geboren als Schutzorganisationen der Arbeiter mit dem Ziel, Preis und Verkaufsbedingungen der Ware Arbeitskraft zu verbessern, wurden die Gewerkschaften im Laufe der Zeit in Deutschland mehr: Tarifpartei, politische Bewegung, Mitgestalter des betrieblichen Alltags und der sozialen Wirklichkeit. Die Bedeutung der Gewerkschaften wuchs, je stärker sie sich aus dem Windschatten der Parteipolitik lösten und sich als weltanschaulich neutrale, überparteiliche Interessenvertretung der Arbeitnehmerschaft verstanden. Heute ist sicher, daß sie entscheidenden Anteil am Sozialstaat Bundesrepublik, an den Arbeitsbedingungen, an der Entwicklung des Arbeits- und Sozialrechts, am Arbeitsschutz, an der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung haben.

Mit der Sozialversicherung fiel die Entscheidung gegen eine staatliche Lösung. Nicht nur, daß die Sozialisten die Bismarck´sche Sozialgesetzgebung ausdrücklich ablehnten; die konkrete Ausformung der staatlichen Sozialreform ging auch andere Wege als die sozialistischen Konzeptionen. Die 1883 ins Leben gerufene Krankenversicherung, die 1884 gegründete Unfallversicherung und die fünf Jahre später geschaffene Invaliditäts- und Altersversicherung waren Formen kollektiver Selbsthilfe: Keine staatliche Veranstaltung oder durch staatliche Steuereinnahmen finanziert, sondern mitgliedschaftlich organisiert und beitragsfinanziert.

 

Wichtigste Daten:

1789 Französische Revolution

1776-1789 Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte

11. November 1810 Bauernbefreiung

9. März 1839 Jugendarbeitsschutzgesetz

1843/1844 Weberaufstand

1848/1849 Industrielle Revolution in Deutschland

1857-1859 Weltwirtschaftskrise

23. Mai 1863 "Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins" (ADAV)

1866 Konjunktureinbruch

1873-1895 "Große Depression"

21. Oktober 1878 Sozialistengesetz

1883 Krankenversicherung

1884 Unfallversicherung

1889 Invaliditäts- und Altersversicherung

20. März 1890 Bismarcks Entlassung als Reichskanzler

1914-1918 Erster Weltkrieg

12. November 1918 Einführung des Frauenwahlrechts

19. Januar 1919 Wahl einer Nationalversammlung => Weimarer Republik

1920-1923 Inflation

1. Oktober 1927 Arbeitslosenversicherungsgesetz

1929 Weltwirtschaftskrise

1. Mai 1933 Feiertag der nationalen Arbeit

2. Mai 1933 Auflösung der Gewerkschaften

6. Mai 1933 Gründung der Deutschen Arbeitsfront

1939-1945 Zweiter Weltkrieg

ab 1945 Wiederaufbau

 

Quellen:

  • ... es begann in Berlin ... — Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung
  • Illustrierte deutsche Kulturgeschichte der letzten hundert Jahre — Ernst Johann - Jörg Junker
  • Maschinenwelt und Alltagsleben — Hermann Glaser