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1.Weltkrieg
Weltkrieg, Erster, militärischer Konflikt von 1914 bis 1918, der sich
aufgrund einer Mischung aus gegenseitigen Bündnisverpflichtungen,
übersteigertem Nationalismus, machtpolitischen und strategischen Erwägungen,
wirtschaftlicher Rivalität und militärischem Wettrüsten
der fünf europäischen Großmächte (Großbritannien,
Frankreich, Deutsches Reich, Österreich-Ungarn und Rußland)
von einer ursprünglich lokal begrenzten Konfrontation zwischen dem
Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn und dem Königreich Serbien
zunächst zu einem europäisch und schließlich zu einem global
geführten Krieg mit 32 beteiligten Nationen ausweitete.
Der 1. Weltkrieg stellt in vielerlei Hinsicht einen historischen Einschnitt
von epochaler Bedeutung dar: Das bis dahin unvorstellbare Ausmaß
an Zerstörung und Leid durch moderne Waffentechniken (massiertes Artilleriefeuer,
Giftgasangriffe, Maschinengewehre, Aufklärungs- und Kampfflugzeuge),
neue Methoden strategischer Kriegsführung, die erstmals auch die Zivilbevölkerung
zu unmittelbaren Kriegsopfern werden ließ (Aushungerung durch Blockade
der Lebensmittel- und Rohstoffzufuhr, uneingeschränkter U-Boot-Krieg),
sowie eine ganz auf militärische Ziele und Erfordernisse ausgerichtete
Umstrukturierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in den meisten
der kriegführenden Länder machten den 1. Weltkrieg zum ersten
totalen Krieg in der Geschichte der Menschheit, den der Diplomat und Politikwissenschaftler
George Frost Kennan als „die große Urkatastrophe unseres Jahrhunderts"
bezeichnet hat.
Die Beteiligung außereuropäischer Mächte, insbesondere
das Eingreifen der USA in den Krieg, bedeutete die endgültige Verdrängung
des europazentrischen Staatensystems durch ein Weltstaatensystem.
Das territoriale Gesicht Europas veränderte sich grundlegend,
alte Reiche brachen auseinander, zahlreiche neue Staaten entstanden.
Die politischen und sozialen Ordnungen der Kaiserreiche Rußland
und Deutschland sowie der K. u. K. Monarchie lösten sich auf und wurden
durch Revolutionen in neue Staatsformen umgewandelt: das Zarenreich in
eine sozialistische Räterepublik, das deutschsprachige Rest-Österreich
und das Deutsche Reich in parlamentarische Demokratien.
Etwa zehn Millionen Kriegstote, mehr als 20 Millionen Verwundete und
ungefähr acht Millionen Kriegsgefangene und Vermißte, ein von
hoher Staatsverschuldung und kriegsbedingter Inflation zerrüttetes
europäisches Finanzsystem, die harten Friedensbedingungen für
die Mittelmächte im Versailler Vertrag und den Pariser Vorortverträgen
führten über Jahre hinweg zu teilweise bürgerkriegsartigen
Richtungskämpfen um die künftige innenpolitische Ordnung zwischen
demokratischen, kommunistischen und extrem konservativen Kräften.
Diese wirtschaftliche Instabilität und politische Radikalisierung
belastete auch die Weimarer Republik von Anfang an stark.
Ursachen und Ausbruch des Krieges
Der äußere Anlaß: Die Julikrise 1914
Unmittelbarer Auslöser des 1. Weltkrieges war die Ermordung des
österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gemahlin
am 28. Juni 1914 in Sarajewo durch den Studenten Gavrilo Princip. Die politischen
Motive des Attentats hingen mit dem ungelösten Nationalitätenproblem
des österreich-ungarischen Vielvölkerstaates zusammen: Dort lebte
neben den privilegierten und staatstragenden österreichischen und
ungarischen Bevölkerungsschichten eine Vielzahl von Slawen, die ihre
nationale Befreiung und Autonomie anstrebten. Vor allem die im Süden
der Monarchie lebenden Serben, Kroaten und Slowenen forderten seit Anfang
des Jahrhunderts, frei und unabhängig über ihre Existenz entscheiden
zu können. Durch die zunehmend slawenfeindliche Politik vor allem
Ungarns, das um seine Vorrangstellung in der Doppelmonarchie fürchtete,
wurden die Slawen in ihren separatistischen Bestrebungen zusätzlich
bestärkt, zumal sie sich der Unterstützung des Königreiches
Serbien gewiß sein konnten. Dieses nämlich stand an der Spitze
einer großserbischen Bewegung, die sich die Vereinigung aller Südslawen
zu einem serbischen Großreich zum Ziel gesetzt hatte und sich dabei
auf die Rückendeckung Rußlands verlassen konnte, welches seinerseits
als Schutzmacht des Panslawismus seine Einflußsphären auf dem
Balkan vergrößern wollte, nicht zuletzt um endlich einen ungehinderten
Zugang zum Mittelmeer zu erhalten. Diese zentrifugalen Kräfte stellten
eine existentielle Bedrohung für die Habsburgermonarchie dar. Um ihr
entgegenzuwirken, entwickelte Erzherzog Franz Ferdinand einen Plan, der
den bisherigen Dualismus Österreich-Ungarn im Habsburgerreich zu einem
Trialismus Österreich-Ungarn-Südslawien erweitern sollte und
den einzelnen slawischen Bevölkerungsgruppen Gleichberechtigung und
weitgehende innere Autonomie einräumte. Nur so, glaubte er, konnten
sie überhaupt noch im Reichsverband gehalten und der Fortbestand des
Vielvölkerstaats gesichert werden. Eine Umsetzung dieser Idee des
Ausgleichs aber hätte die Ziele des Panslawismus gefährdet und
die Hoffnungen auf ein großserbisches Reich zerstört. Um dem
„Trias-Plan" seine Integrationsfigur zu entziehen, beschloß die von
Serbien aus operierende, radikal-nationalistische Geheimorganisation Schwarze
Hand, den Thronfolger zu ermorden.
Die europäische Öffentlichkeit war von diesem Verbrechen
schockiert. Praktisch alle Kabinette waren der Auffassung, daß Serbien
der K. u. K. Monarchie Genugtuung schuldig sei, denn eine zumindest indirekte
Verantwortung der serbischen Regierung für das Attentat schien durch
deren Duldung eines ganzen Netzes großserbischer Geheimorganisationen
außer Frage zu stehen.
Dieses für sie so günstige Klima wollte die Donaumonarchie
nutzen, um mit einer harten militärischen Strafaktion Serbien (der
russische „Brückenkopf" auf dem Balkan) „als politischen Machtfaktor
auszuschalten", wie Kaiser Franz Joseph in einem Brief an Wilhelm II. vom
5. Juli 1914 schrieb. Ein möglichst lokal begrenzter Konflikt in Südosteuropa,
in dem Serbien zu einem abhängigen Staat herabgedrückt und so
das Nationalitätenproblem ein für alle Mal gelöst werden
sollte, war das machtpolitische Ziel der österreichischen Regierung,
die damit auch das Risiko eines europäischen Krieges einkalkulierte.
Denn Serbien konnte sich der Unterstützung Rußlands sicher sein,
und hinter Rußland standen seit Gründung der Tripelentente (1907)
Großbritannien und Frankreich.
Das Deutsche Reich stand bedingungslos hinter einer österreichischen
Militäraktion gegen Serbien und ließ Franz Joseph über
den deutschen Botschafter in Wien zusichern, daß der deutsche Kaiser
„im Einklang mit seinen Bündnisverpflichtungen und seiner alten Freundschaft
treu an der Seite Österreich-Ungarns stehen" werde. Bei der Erteilung
dieser vorbehaltlosen Rückendeckung spielte auch eine Rolle, daß
das sich von den übrigen europäischen Mächten „eingekreist"
fühlende Deutsche Reich nicht auch noch seinen letzten Bundesgenossen
verlieren wollte. Mit dieser „Blankovollmacht" im Rücken richtete
die österreichische Regierung schließlich am 23. Juli 1914 ein
äußerst hartes, auf 48 Stunden befristetes Ultimatum an Serbien,
in dem sie u. a. die Unterdrückung jeglicher Aktionen und Propaganda
gegen die territoriale Integrität der österreich-ungarischen
Monarchie verlangte und eine gerichtliche Untersuchung des Attentats unter
Mitwirkung österreich-ungarischer Beamter forderte.
Serbien akzeptierte das Ultimatum in fast allen Punkten und wies nur
die Mitwirkung österreichischer Beamter bei den innerstaatlichen Untersuchungen
zurück, da dies einen Eingriff in seine staatliche Souveränität
bedeutet hätte. Die überraschend entgegenkommende serbische Antwortnote
hatte einen Stimmungswandel in den Hauptstädten Europas zur Folge.
Sogar Wilhelm II. betonte, daß damit „jeder Grund zum Krieg" entfalle.
Noch einmal kam es zu diplomatischen Vermittlungsversuchen; ein Frieden
schien nach wie vor möglich. Doch Österreich-Ungarn sah sein
Vorhaben der inneren Stabilisierung durch Niederwerfung Serbiens aufgrund
der internationalen Verständigungsinitiativen gefährdet und erklärte
Serbien am 28. Juli 1914 den Krieg.
Damit wurde ein Räderwerk wechselseitiger Bündnisverpflichtungen
und Mobilmachungen in Gang gesetzt: Am 30. Juli 1914 ordnete Zar Nikolaus
II. die Gesamtmobilmachung in Rußland an, worauf das Deutsche Reich
einen Tag später mit einem auf zwölf Stunden befristeten Ultimatum
reagierte, in welchem es die unverzügliche Einstellung der Mobilmachung
gegen Deutschland und Österreich-Ungarn forderte. Da das Ultimatum
unbeantwortet blieb, erklärte das Deutsche Reich am 1. August 1914
Rußland den Krieg.
Nun kam es durch den Primat strategisch-militärischer Belange
über jegliche politische Vernunft zur Eskalation: Da der deutsche
Generalstab keinen Aufmarsch- und Kriegsplan für einen Einfrontenkampf
gegen Rußland ausgearbeitet hatte, war Deutschland gezwungen, im
Konfliktfall nach dem einzigen existierenden Feldzugsplan (Schlieffenplan)
vorzugehen. Dieser noch vom einstigen Generalstabschef Alfred Graf von
Schlieffen entworfene Plan, seit 1905 nur mehr geringfügig überarbeitet,
war lediglich für einen drohenden Zweifrontenkrieg gegen Frankreich
und Rußland konzipiert und sollte den Krieg in zwei Phasen zerlegen.
Zunächst wollte der Generalstab Frankreich im Zuge einer „Niederwerfungsstrategie"
innerhalb von etwa sechs Wochen besiegen, um anschließend - noch
vor der endgültig abgeschlossenen Mobilmachung Rußlands - alle
Truppen an die Ostfront zu werfen und den Krieg mit einem Sieg über
Rußland zu beenden. Dieser Plan sollte sich verhängnisvoll für
das Deutsche Reich auswirken. Dennoch erklärte Deutschland am 3. August
Frankreich den Krieg. Um einen schnellen Sieg über Frankreich zu ermöglichen,
sah der Schlieffenplan vor, die praktisch unüberwindbaren Befestigungen
an der französischen Ostgrenze (Maginot-Linie) mit einem Einmarsch
in das neutrale Belgien zu umgehen, dem französischen Heer von Nordwesten
her in den Rücken zu fallen und es in einer Schwenkbewegung gegen
die Moselfestungen, das Jura-Gebirge und die Schweizer Grenze zu drücken,
um es dort in einer Umfassungsschlacht zu vernichten.
Der völkerrechtswidrige Einmarsch in Belgien mußte unweigerlich
Großbritannien in den Krieg ziehen, das nicht nur das europäische
Gleichgewicht und damit seine eigenen Sicherheitsinteressen bedroht sah,
sondern auch als Garantiemacht der belgischen Neutralität seit dem
Londoner Protokoll von 1831 zum Eingreifen verpflichtet war. Am 4. August
erging ein britisches Ultimatum an das Deutsche Reich, in dem der sofortige
Rückzug aus Belgien verlangt wurde; um Mitternacht folgte die britische
Kriegserklärung an das Deutsche Reich.
Damit war aus der Julikrise auf dem Balkan ein europäischer Großkonflikt
und schließlich ein Weltkrieg geworden, in dessen Verlauf den vier
Mittelmächten (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Türkei
und Bulgarien) 28 alliierte bzw. assoziierte Mächte (darunter Großbritannien,
Frankreich, Rußland, Italien, Japan und die USA) auf beinahe allen
Kontinenten und großen Meeren gegenüberstanden.
Die inneren Ursachen: Imperialismus, Nationalismus, Militarismus
Die Julikrise war jedoch nur der letzte Funke gewesen, der den seit
längerer Zeit schwelenden Konflikt in Europa zur Explosion gebracht
hatte. Die eigentlichen Ursachen des Krieges liegen tiefer und reichen
zurück ins ausgehende 19. Jahrhundert mit seinen imperialistischen
Spannungen zwischen den europäischen Mächten, mit den sich damals
allmählich formierenden starren Bündnissystemen, mit dem forcierten
Wettrüsten (insbesondere zwischen Großbritannien und dem Deutschen
Reich), mit der Dominanz von Chauvinismus und Militarismus und mit dem
schonungslosen Konkurrenzkampf der Industrienationen um Marktanteile und
Einflußsphären auf der ganzen Welt. So gab es im Vorfeld des
1. Weltkrieges immer wieder Krisen und Interessengegensätze zwischen
den Großmächten, die nicht selten an den Rand eines Krieges
führten und eine spannungsgeladene Atmosphäre über Europa
schufen.
Das Deutsche Reich, die „verspätete Nation", wurde erst 1871 als
letzter der europäischen Nationalstaaten gegründet. Es entwickelte
sich schnell zum zweitgrößten Industriestaat der Erde. Aufgrund
des Vorsprungs der übrigen Mächte in der Kolonialpolitik strebte
es ab etwa 1890 ebenfalls intensiv nach einem „Platz an der Sonne" (also
nach Kolonien in Übersee) und dem Status einer Weltmacht. Das oft
kriegerische und anmaßende Auftreten Kaiser Wilhelms II. verstimmte
vor allem Frankreich und Rußland so nachhaltig, daß diese bereits
1894 ein Defensivbündnis gegen Deutschland schlossen. Damit war jene
Zangenkonstellation eingetreten, die Bismarck - dem die Gefahr der ungünstigen
geographischen Mittellage Deutschlands stets bewußt war - immer hatte
verhindern wollen. Als sich das Deutsche Reich mit seinem Ausbau der Kriegsflotte
zusätzlich noch die Feindschaft der traditionellen Seemacht England
zuzog, war es endgültig isoliert. Deutschland fühlte sich „eingekreist",
dabei hatte es sich durch aggressive und ungeschickte Machtpolitik selbst
„ausgekreist".
In Frankreich beherrschte seit der Niederlage im Deutsch-Französischen
Krieg von 1870/71 ein nie überwundenes Revanchedenken die Politik,
die sich weigerte, den Status quo in Europa hinzunehmen (besonders in der
Elsaß-Lothringen-Frage), und stets auf eine Schwächung des deutschen
Rivalen hinzielte.
Im Verhältnis zwischen Österreich-Ungarn und Rußland
prallte das Interesse eines Vielvölkerstaates mit der Idee des Panslawismus
zusammen: Beides machtpolitische Konzepte, um den jeweiligen Einfluß
auf dem Balkan zu vergrößern.
Großbritannien wiederum war daran interessiert, den deutschen
Anspruch auf Weltgeltung einzudämmen; ein Sieg über das Deutsche
Reich in einem Krieg war geeignet, endgültig die Gefahr einer mit
England rivalisierenden Kriegsflotte zu bannen.
Gemeinsam war allen Regierungen ein Hang zu nationaler Prestigepolitik,
was die Bemühungen um Frieden und Verständigung zunehmend erschwerte,
da diese als Schwäche ausgelegt werden konnten. Hinzu kam ein innenpolitisches
Nachgeben gegenüber chauvinistischen Strömungen und nationalistischen
Verbänden sowie der Glaube, die bestehenden Spannungen in Europa ließen
sich nur noch durch einen militärischen Konflikt lösen.
Gleichwohl gelang es allen Regierungen, ihre Völker von der eigenen
Unschuld am Kriegsausbruch zu überzeugen: Serbien wies auf seine Kooperationsbereitschaft
bei der Erfüllung des Ultimatums hin, Österreich-Ungarn warf
Serbien panslawistische Umtriebe vor, die die Existenz des Habsburgerreiches
gefährdeten; Rußland erklärte, es habe nicht zulassen können,
daß das slawische Brudervolk der Serben angegriffen und zu einem
abhängigen Staat herabgedrückt werde. Deutschland warf Frankreich
Revanchegelüste, England wirtschaftlichen Konkurrenzneid und Rußland
Kriegstreiberei vor (russische Gesamtmobilmachung). Frankreich und Großbritannien
bezichtigten Deutschland eines aggressiven Hegemoniestrebens über
Europa, welches sich während der Marokkokrisen 1905/06 und 1911, in
der bosnischen Annexionskrise von 1908, der Julikrise sowie den Kriegserklärungen
an Rußland und Frankreich sowie der völkerrechtswidrigen Neutralitätsverletzung
Belgiens überdeutlich gezeigt habe.
Der Verlauf des Krieges
Das Kriegsgeschehen läßt sich in vier Hauptphasen gliedern:
Nach einer relativ kurzen Zeit des Bewegungskrieges im Herbst 1914 brachte
die Jahreswende 1914/1915 im Westen den Übergang zu einer langandauernden
Phase des Stellungskrieges (1915-1917), die von Materialschlachten, Erschöpfungsstrategien
und der Suche nach neuen Bundesgenossen geprägt war. Im Osten erstarrte
die Front erst im Herbst 1915. Das Jahr 1917 markierte mit der Wiederaufnahme
des uneingeschränkten U-Boot-Krieges und dem Eingreifen der USA eine
vorentscheidende Wende des Krieges zugunsten der Alliierten, die auch durch
das Ausscheiden Rußlands aufgrund der Oktoberrevolution nicht beeinträchtigt
wurde. Das letzte Kriegsjahr war gekennzeichnet von verschiedenen Friedensbemühungen,
dem Entscheidungskampf im Westen und den Waffenstillstandsverhandlungen.
Bewegungskrieg
Da sie den Alliierten an wirtschaftlicher Leistungskraft, Bevölkerungszahl
und Truppenstärke deutlich unterlegen waren (3,5 Millionen Soldaten
der Mittelmächte gegenüber 5,8 Millionen Alliierten zu Kriegsbeginn),
versprach nur ein schnell geführter Bewegungskrieg realistische Siegeschancen
für die Mittelmächte. Mit zunehmender Kriegsdauer mußte
sich das Kräfteverhältnis weiter verschlechtern, hatten die Alliierten
doch ungehinderten Zugang zu den Rohstoffquellen der Welt, während
die (völkerrechtswidrige) britische Seeblockade Deutschland und seine
Bundesgenossen von den Ressourcen aus überseeischen Kolonien abschnitt.
Die Mittelmächte wiederum verfügten über den Vorteil der
„inneren Linie", d. h. über die Möglichkeit, ihre Truppen je
nach Bedarf ohne große Reibungsverluste an den jeweiligen Brennpunkten
des Krieges zu konzentrieren.
Der Frankreichfeldzug begann im Sommer 1914: Unter massiver Verstärkung
der Westfront (an der Ostfront wurde lediglich ein geringes Truppenkontingent
zur notdürftigen Sicherung zurückgelassen) gelang den deutschen
Truppen gemäß dem Schlieffenplan zunächst der schnelle
Durchmarsch durch Belgien (handstreichartige Eroberung Lüttichs vom
6. bis 16. August) und der Vorstoß bis zur Marne. Dort führte
eine starke britisch-französische Gegenoffensive aus Paris und von
Süden her zur Marneschlacht (5. bis 12. September), die der deutsche
Generalstabschef Helmuth von Moltke trotz günstigen Verlaufs abbrach,
als zwischen der 1. und 2. deutschen Armee eine Lücke entstand,
in der die Briten durchzubrechen vermochten. Er gab den Befehl zum Rückzug
hinter die Aisne. Damit war das Kernstück des deutschen Kriegsplanes,
die rasche Umfassung und Vernichtung der französischen Truppen (Schlieffen
nannte es „Cannae von gewaltigem Ausmaß"), gescheitert. Der nun einsetzende
„Wettlauf zum Meer", mit dem beide Seiten versuchten, eine Umfassung des
Gegners durch weites Ausholen nach Norden bis zur Kanalküste zu erzwingen,
endete ergebnislos. Mit dem Scheitern des deutschen Angriffs an der Yser
und vor Ypern (September bis November 1914) erstarrte der Bewegungskrieg
schließlich zum Stellungskrieg. Von der Nordseeküste bis zu
den Alpen enstand eine geschlossene Front, an der sich die feindlichen
Heere in schwer überwindbaren Befestigungen eingruben.
Im Osten stand Österreich-Ungarn gegen Serbien und Rußland
in einem Zweifrontenkampf, der auch aufgrund strategischer Fehler des österreichischen
Generalstabes zu großen Verlusten führte, von denen sich die
Donaumonarchie während des gesamten Krieges nicht wieder erholen sollte.
Nachdem ein Großteil der österreichischen Verbände gegen
Serbien aufmarschiert war (der österreichische Generalstabschef Conrad
von Hötzendorf war noch am 28. Juli nicht vollkommen von einem Kriegseintritt
Rußlands überzeugt gewesen), fehlten wichtige Kräfte an
der galizischen Front, die der russischen Übermacht aus fünf
Armeen nicht standhielt. Ostgalizien, Lemberg und die Bukowina mußten
preisgegeben werden, bis die russische Offensive mit aus Serbien herbeigeeilten
österreichischen Truppen und deutscher Unterstützung in den Karpaten
zum Stillstand gebracht werden konnte.
Während die Hauptmacht der deutschen Truppen in Frankreich gebunden
war, gelang es zwei russischen Armeen, in Ostpreußen einzudringen.
Der Befehlshaber der hier zurückgelassenen 8. deutschen Armee plante
bereits eine Zurücknahme der Front hinter die Weichsel, als er durch
den aus dem Ruhestand reaktivierten General Paul von Hindenburg und dessen
Stabschef Erich Ludendorff ersetzt wurde. Diesen gelang es, trotz numerischer
Unterlegenheit ihrer Truppen, einen Keil zwischen die russischen Armeen
zu treiben und die im Süden operierende Narew-Armee in der Schlacht
von Tannenberg (26. bis 30. August) zu umfassen und zu vernichten. In der
darauffolgenden Schlacht an den Masurischen Seen (6. bis 15. September)
wurde die (östliche) russische Njemen-Armee geschlagen und aus den
deutschen Ostprovinzen hinausgedrängt. Auch ein erneuter Angriff von
russischen Truppen auf Ostpreußen wurde in der Winterschlacht in
den Masuren (4. bis 22. Februar 1915) abgewehrt. Nun startete der deutsche
Generalstab zur Entlastung seines österreichischen Bundesgenossen
eine Gegenoffensive im Osten, mit der es ihm gelang, die russischen Stellungen
bei Gorlice-Tarnow zu durchbrechen und bis Juni 1915 Galizien, die Bukowina
und Polen zu erobern sowie im Norden Kurland und Litauen zu besetzen. Im
Oktober 1915 endete der deutsche Vormarsch, so daß schließlich
auch im Osten eine geschlossene Frontlinie entstand, die von Riga bis Rumänien
reichte.
Im Südosten gelang es der im Oktober 1914 auf Seiten der Mittelmächte
in den Krieg eingetretenen Türkei, die Dardanellen gegen britische
und russische Offensiven zu halten und auch ihre asiatischen Besitzungen
(Persien, Armenien, Mesopotamien) bis 1917 erfolgreich zu verteidigen.
Die Eröffnung einer Südfront in den Alpen und am Isonzo durch
den Kriegseintritt des anfänglich neutralen Italien am 23. Mai 1915
(ihm wurde von den Alliierten u. a. Südtirol, Istrien mit Triest und
Süddalmatien versprochen) band zwar erhebliche österreichische
Verbände, wirkte sich aber nicht kriegsentscheidend aus, da die italienische
Offensive im verlustreichen Gebirgskrieg am Isonzo und in den Dolomiten
steckenblieb.
Stellungskrieg
Das Scheitern der deutschen Blitzkriegsstrategie hing auch damit zusammen,
daß sich die taktische Kriegsführung seit dem 19. Jahrhundert
entscheidend verändert hatte. Im Zeitalter moderner Waffentechnik
mit Maschinengewehren und schwersten Artilleriewaffen erwies sich - entgegen
dem Diktum Clausewitz' - die Defensive als die überlegene Form der
Kampfführung, die durch das Anlegen von Schützengräben,
Feldbefestigungen und Stacheldrahtsperren die Position des Angreifers zusätzlich
schwächen konnte.
Nachdem sich die Gegner in ihre Stellungen eingegraben hatten, waren
die folgenden Kriegsjahre geprägt von Versuchen, durch immer größeren
Einsatz von Menschen und Material wieder Bewegung in die Fronten zu bringen.
An die Stelle der offenen Feldschlacht war der „Abnützungskrieg" getreten.
1915/1916 versuchten die Alliierten mehrfach an verschiedenen Frontabschnitten,
durch massiertes Artilleriefeuer ihren Infanterieeinheiten einen Weg freizuschießen,
um endlich einen Durchbruch durch das Grabensystem des Gegners zu erzwingen,
was jedoch nicht gelang.
Eine der größten Materialschlachten, die alliierte Offensive
an der Somme (Juni bis November 1916) kostete 400 000 Briten, 400 000 Deutsche
und 200 000 Franzosen das Leben und brachte so gut wie keinen Geländegewinn.
Ähnlich verlief die deutsche Großoffensive auf die französische
Maasfestung Verdun (21. Februar bis Ende Juni 1916), mit welcher der Chef
der Obersten Heeresleitung (OHL), Erich von Falkenhayn, das französische
Heer durch „Ausbluten" zermürben wollte. Trotz gigantischen Materialaufwandes
und ungeheurer Verluste auf beiden Seiten (in der „Hölle von Verdun"
starben 338 000 deutsche und 364 000 französische Soldaten) gelang
dem deutschen Heer kein Durchbruch.
Im Osten kam es von Juni bis Dezember 1916 auf alliiertes Drängen
hin zu drei Großoffensiven Rußlands unter der Führung
General Brussilows („Brussilow-Offensiven"), deren erste die österreichisch-ungarische
Front in der Bukowina durchbrechen konnte und Rußland weit über
200 000 Kriegsgefangene einbrachte. Erst ein erneuter Wechsel in der OHL
(der Falkenhayn durch die „Helden von Tannenberg", Hindenburg und Ludendorff,
ersetzte und diese mit fast diktatorischen Vollmachten ausstattete) konnte
den Zusammenbruch verhindern und den russischen Vorstoß auffangen.
In einer großangelegten Gegenoffensive gelang den deutschen Truppen
die Eroberung des größten Teiles von Rumänien (einschließlich
seiner Erdölquellen), das mittlerweile auf Seiten der Entente in den
Krieg eingetreten war.
Wenngleich die Mittelmächte den Ansturm der Alliierten an den
verschiedensten Fronten noch abzuwehren vermocht hatten, so zeigte der
Kriegsverlauf des Jahres 1916 doch angesichts der Überlegenheit des
Gegners an Menschen und Material, daß auf Dauer der Krieg für
Deutschland und seine Verbündeten nicht zu gewinnen war. Es kam daher
am 12. Dezember 1916 zu einem ersten Friedensangebot der Mittelmächte,
das jedoch von den Alliierten als Propagandamanöver zurückgewiesen
wurde, nicht nur, weil die Mittelmächte es versäumt hatten, ihre
Kriegsziele offenzulegen, sondern auch weil sich ein Endsieg der Alliierten
abzeichnete und diese sich die Aussicht auf territoriale Gewinne und Reparationszahlungen
nicht mehr nehmen lassen wollten.
Krieg zur See, uneingeschränkter U-Boot-Krieg und Eingreifen der
USA
Die ursprüngliche Absicht des deutschen maritimen Aufrüstens
vor dem Krieg war es gewesen, Großbritannien durch den Bau einer
„Risikoflotte" zur politischen Neutralität zu veranlassen. Falls es
dennoch zum Krieg gegen den Inselstaat kommen würde, sollte eine englische
Blockade der deutschen Nordseehäfen durch die stark ausgebaute deutsche
Schlachtflotte verhindert werden. Doch anstatt der erwarteten Nahblockade
der deutschen Häfen riegelten die Briten weiträumig die Ausgänge
der Nordsee ab und hielten ihre Kampfschiffe („Dreadnoughts") zurück.
Nicht zuletzt der strategische Vorteil der Briten, bei einer Schlacht in
der offenen Nordsee von ihren südenglischen Stützpunkten aus
leicht den deutschen Rückzug abschneiden zu können, ließ
nach langem internen Hin und Her die deutsche Marineleitung vor einer Entscheidungsschlacht
gegen die überlegene britische Flotte zurückschrecken. So blieb
die deutsche Hochseeflotte während des gesamten Krieges weitgehend
wirkungslos. In der einzigen großen Seeschlacht des Krieges am 31.
Mai 1916 vor dem Skagerrak konnte die deutsche Flotte unter Admiral Scheer
trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit (21 deutsche Großkampfschiffe
gegenüber 37 englischen) den Briten zwar einige Verluste beibringen,
doch an der Gesamtlage änderte sich nichts: der deutschen Flotte gelang
es nicht, die englische Fernblockade zu durchbrechen.
So glaubten die Mittelmächte, nur noch über ein letztes Mittel
zu verfügen, um den Krieg zu ihren Gunsten zu entscheiden oder zumindest
einen günstigen Frieden zu erreichen: Die Wiederaufnahme des uneingeschränkten
U-Boot-Krieges, d. h. der Versenkung sämtlicher Handelsschiffe ohne
Vorwarnung in einem weiträumigen Sperrgürtel um die britischen
Inseln. Dies war ebenso völkerrechtswidrig wie die englische Hungerblockade,
doch der deutsche Generalstab hoffte, dadurch Großbritannien von
wichtigen Lebensmittel- und Rohstoffzufuhren abschneiden und so zum Frieden
zwingen zu können.
1915 hatte das Deutsche Reich den uneingeschränkten U-Boot-Krieg
schon einmal aufgenommen, mußte ihn allerdings nach wenigen Monaten
wieder einstellen, als nach der Versenkung des britischen Passagierdampfers
„Lusitania" (mit 1 200 Personen, darunter etwa 130 Amerikaner, sowie Munition
und Waren an Bord) die USA aufs schärfste gegen diese Art der Kriegsführung
protestierten und mit dem Kriegseintritt drohten.
Angesichts der immer prekärer werdenden Lage auf den Kriegsschauplätzen
zu Lande versuchte die Oberste Heeresleitung Anfang 1917, durch den uneingeschränkten
U-Boot-Krieg eine Wende des Krieges herbeizuführen. Doch es gelang
auch jetzt nicht, England entscheidend zu schwächen.
Am 6. April 1917 erfolgte der - erwartete - Kriegseintritt der USA
auf Seiten der Entente, der endgültig den militärischen Niedergang
der Mittelmächte besiegelte.
Entscheidungskampf im Westen, Revolution in Deutschland und Waffenstillstand
Nach dem faktischen Ausscheiden des russischen Kriegsgegners durch
die Oktoberrevolution, das am 3. März 1918 durch den Frieden von Brest-Litowsk
zwischen den Mittelmächten und Sowjetrußland endgültig
besiegelt wurde, kam noch einmal Hoffnung im deutschen Lager auf. Entlastet
vom Zweifrontenkrieg, versuchte der deutsche Generalstab nun, im Westen
die Entscheidung zu erzwingen, bevor die amerikanischen Truppen in voller
Stärke in Europa Fuß gefaßt hatten. Am 21. März 1918
startete eine große Frühjahrsoffensive der deutschen Truppen,
die zunächst sehr vielversprechend war: Die Nahtstelle des französischen
und britischen Frontabschnitts wurde durch den deutschen Angriff aufgerissen
und die Front um 60 Kilometer nach vorn geschoben. Bei Ypern und am Chemin
des Dames an der Aisne gelangen weitere Ausbuchtungen der Front; das deutsche
Heer konnte erneut bis zur Marne vorstoßen. Doch damit waren die
Kraftreserven der mittlerweile stark dezimierten deutschen Verbände
aufgebraucht. Mit der am 18. Juli 1918 einsetzenden Gegenoffensive unter
Marschall Foch, der seit dem 14. April den einheitlichen alliierten Oberbefehl
führte, drängten alliierte Verbände das deutsche Heer, das
der materiellen und numerischen Überlegenheit der Ententemächte
nicht mehr gewachsen war, wieder hinter die Marne zurück. Vor allem
das stetige Anwachsen der amerikanischen Truppen (zu Beginn der Offensive
befanden sich 600 000, Ende Oktober 1918 etwa 1,8 Millionen US-Soldaten
auf französischem Staatsgebiet) machte sich nun entscheidend bemerkbar.
Als am 8. August 1918 etwa 500 britischen Panzern bei Amiens ein Durchbruch
auf breiter Front gelang, bei dem sieben deutsche Divisionen aufgerieben
wurden und rund 70 Prozent ihrer Soldaten in Gefangenschaft gerieten, war
die Niederlage des Deutschen Reiches besiegelt. Nach diesem „schwarzen
Tag des deutschen Heeres" begann auch die Oberste Heeresleitung die Aussichtslosigkeit
der deutschen Situation zu erkennen.
Doch dauerte es noch bis zum Zusammenbruch der türkischen, bulgarischen
und österreichischen Verbündeten im September, ehe Hindenburg
die militärische Katastrophe eingestand und am 29. September 1918
die Reichsregierung aufforderte, sofortige Waffenstillstandsverhandlungen
einzuleiten.
Das unvermittelte Eingeständnis des militärischen Desasters
war zunächst für die politische Führung, bald darauf auch
für die Bevölkerung ein schwerer Schock, hatten doch die Oberste
Heeresleitung und die offizielle Propaganda vier Jahre lang nur Zuversicht
und Siegesmeldungen verkündet. Ziel des Waffenstillstandsgesuches,
das die Reichsführung am 3. Oktober an den amerikanischen Präsidenten
Woodrow Wilson richtete, war es nun, einen Verständigungsfrieden auf
der Grundlage seines im Januar vorgestellten 14-Punkte-Programms (u. a.
Abbau von Handelsschranken, Freiheit der Meere, Räumung der besetzten
Gebiete, Einrichtung eines Völkerbundes) zu erreichen. Doch der Demokrat
Wilson lehnte in seiner Antwortnote vom 23. Oktober einen Verständigungsfrieden
„mit den militärischen Beherrschern und monarchischen Autokraten Deutschlands"
ab und forderte damit indirekt einen grundlegenden Wandel der Herrschaftsverhältnisse
im Deutschen Reich. Kaiser Wilhelm II. dachte nicht daran abzudanken und
floh ins Hauptquartier der Obersten Heeresleitung nach Spa.
Zum inneren Zusammenbruch des Deutschen Reiches kam es, nachdem sich
am 28. Oktober Matrosen in Wilhelmshaven weigerten, in eine von der Marineleitung
geplante Schlacht gegen die britische Hochseeflotte zu ziehen. Schnell
griff der Aufstand auf die übrigen Küstenstädte und schließlich
auf ganz Deutschland über. Überall kam es zur Bildung von Arbeiter-
und Soldatenräten. Am 9. November 1918 verkündete Prinz Max von
Baden eigenmächtig den Thronverzicht Kaiser Wilhelms II. und übertrug
sein Reichskanzleramt an den Vorsitzenden der SPD, Friedrich Ebert. Um
14 Uhr rief Philipp Scheidemann von einem Fenster des Reichstages die Republik
aus.
Am 11. November 1918 unterzeichnete der Zentrumspolitiker Matthias
Erzberger im Wald von Compiègne ein Waffenstillstandsabkommen, das
einer bedingungslosen Kapitulation entsprach: Deutschland mußte neben
den besetzten Gebieten im Westen das gesamte linke Rheinufer (einschließlich
Elsaß-Lothringens) räumen, das von den Alliierten besetzt wurde.
Rechts des Rheins wurde eine 35 Kilometer breite entmilitarisierte Zone
geschaffen. Außerdem verlangten die Alliierten, daß die deutschen
Truppen ihre Stellungen in Österreich-Ungarn, Rumänien und der
Türkei verlassen sowie umfangreiches Waffen- und Munitionsmaterial,
Fahrzeuge und Lokomotiven abliefern, um eine Wiederaufnahme des Krieges
durch die Mittelmächte unmöglich zu machen.
Innenpolitische Auswirkungen des Krieges
Zu Beginn des Krieges wurden die meisten europäischen Länder
von einer Woge nationaler Euphorie und Kriegsbegeisterung erfaßt.
Besonders in Deutschland verfiel nicht nur die breite Masse der Bevölkerung
in einen für den heutigen Betrachter nur schwer nachvollziehbaren
„Hurra-Patriotismus", sondern auch die große Mehrheit der geistigen
Führungsschichten des Deutschen Kaiserreiches, sowohl Hochschulprofessoren
und Vertreter der Kirchen als auch Publizisten und Schriftsteller. Sie
alle begrüßten - von wenigen Ausnahmen abgesehen - den Krieg
als „sittlichen Erzieher der Nation", als „Gewitterregen", dessen vermeintlich
reinigende Kraft nicht nur eine geistig-kulturelle Erneuerung des deutschen
Volkes bewirken würde, sondern auch die innenpolitischen Spannungen
des Kaiserreiches ein für alle Mal beseitigen sollte. Und im August
1914 schienen all diese Hoffnungen auch Wirklichkeit zu werden: im Rausch
nationaler Aufbruchsstimmung strömten Tausende und Abertausende zu
den Meldestellen der Regimenter, im Reichstag beendeten die Parteien ihre
Zwistigkeiten und schlossen einen Burgfrieden, in dem sie einander feierlich
versprachen, für die Dauer des Krieges auf jede öffentliche Opposition
untereinander und gegen die Reichsregierung zu verzichten, um die Einheit
der Nation nicht zu gefährden. Selbst die einst vom Kaiser als „vaterlandslose
Gesellen" verunglimpften, eigentlich international ausgerichteten Sozialdemokraten
stimmten im Parlament geschlossen für eine Bewilligung der Kriegskredite
und erklärten, sie ließen „in der Stunde der Gefahr das Vaterland
nicht im Stich". Kaiser Wilhelm II. traf die Seelenlage der im Einheitsrausch
befindlichen Nation, als er am 4. August verkündete: „Ich kenne keine
Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!"
Ähnliches geschah in Frankreich mit der Bildung der Union Sacrée
aller Parteien unter Ministerpräsident Raymond Poincaré. Nur
die Sozialisten Rußlands und anfangs auch Englands hielten an den
Ideen der Zweiten Internationalen fest, nach denen sich die sozialistischen
Parteien aller Staaten geschlossen einem Krieg widersetzen sollten.
Diese einmütige Geschlossenheit, mit der die Völker hinter
ihren Regierungen standen, machte im Verlauf des Krieges zunehmend Ernüchterung
und Protesten Platz. Die unerwartet lange Dauer des Krieges mit seinen
starken finanziellen Belastungen, der wachsenden Inflation und der Rationierung
von Lebensmitteln (besonders bei den von der britischen Blockade betroffenen
Mittelmächten) ließ in den meisten Ländern die von der
Kriegseuphorie nur vordergründig überdeckten inneren Spannungen
wieder hervorbrechen. Die Ausweitung der Rüstungsproduktion sowie
die Versorgung von Soldaten und Zivilbevölkerung führten in den
meisten Staaten zu einer staatlich gelenkten Kriegswirtschaft, die die
Freiheit von Unternehmern und Arbeiterschaft mehr und mehr einengte und
spätestens seit 1916/17 immer wieder zu inneren Krisen, Massenprotesten
und Streiks führte. Wurden trotz teilweise diktaturähnlicher
Maßnahmen in Frankreich (unter Clemenceau) und Großbritannien
(unter Lloyd George) die bereits bestehenden demokratischen Regierungssysteme
bestätigt, so haben in keinem der europäischen Kaiserreiche die
alten Verfassungsstrukturen den Krieg überdauert. Aufgrund der physischen
und psychischen Strapazen des Krieges wurden immer größere Teile
der Bevölkerung von Kriegsmüdigkeit und politischer Unzufriedenkheit
erfaßt, die in einen Ruf nach Abkehr von den weitgesteckten Kriegszielen,
nach sofortiger Beendigung des Krieges und inneren Reformen der gesellschaftlichen
Verhältnisse mündete. Doch auch zögerliche, letztlich nur
zur Stärkung der Kriegsmoral unternommene Versuche einer „Reform von
oben", wie sie Wilhelm II. ankündigte (Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts
in Preußen zugunsten freier und gleicher Wahlen), wurden im Verlauf
der letzten beiden Kriegsjahre von den politischen Revolutionen in Rußland,
Deutschland und Österreich-Ungarn überrollt.
Der Versailler Vertrag
Am 18. Januar 1919 traten in Paris die Vertreter von 32 Staaten unter
dem Vorsitz des französischen Ministerpräsidenten Clemenceau
zu einer Friedenskonferenz zusammen, welche die Neuordnung des wirtschaftlich,
politisch und territorial schwer erschütterten Mittel- und Südosteuropa
zur Aufgabe hatte. Um zu verhindern, daß die unterlegenen Staaten
die Alliierten gegeneinander ausspielen konnten, wurde den Mittelmächten
eine direkte Beteiligung an den Verhandlungen verwehrt; sie durften sich
lediglich mit (zumeist wirkungslosen) schriftlichen Eingaben zu Wort melden.
Im Verlauf der Konferenz zeigte sich, daß sich der vom amerikanischen
Präsidenten auf der Grundlage seiner 14 Punkte geplante Friede nicht
verwirklichen ließ. Um sein Ziel, die Schaffung eines verbindlichen
Systems kollektiver Sicherheit durch einen weltumfassenden Völkerbund,
nicht zu gefährden, mußte Wilson viele Zugeständnisse an
das starke Sicherheitsbedürfnis, die territorialen Ambitionen und
das Revanchedenken der europäischen Mächte machen, die den Mittelmächten
äußerst harte Friedensbedingungen auferlegten. Vor allem der
Artikel 231 des Versailler Vertrages, der Deutschland die Alleinschuld
am Kriegsausbruch anlastete und die rechtliche Basis für sämtliche
Wiedergutmachungsforderungen der Alliierten (Reparationszahlungen, Demontage
von Industrieanlagen, Naturalabgaben) bilden sollte, rief parteienübergreifend
Empörung und Widerstand im Deutschen Reich hervor.
Am 7. Mai 1919 legten die Siegermächte dem Deutschen Reich den
Versailler Vertrag vor, der Deutschland etwa ein Achtel seines Staatsgebietes
(u. a. Elsaß-Lothringen, fast ganz Posen und Westpreußen) und
sämtliche Kolonien kostete. Zudem wurde darin das deutsche Heer auf
100 000 Mann, die Flotte auf 15 000 Mann reduziert sowie der Besitz von
schweren Artilleriewaffen, Panzern, U-Booten und einer Luftwaffe verboten.
Rechts des Rheins entstand eine 50 Kilometer breite entmilitarisierte Zone.
Als sich Deutschland weigerte, dieses schmachvolle „Friedensdiktat" anzunehmen,
drohten die Alliierten am 16. Juni 1919 ultimativ, den Krieg wiederaufzunehmen,
die Blockade fortzusetzen und das Reich zu besetzen. So unterzeichneten
am 28. Juni 1919 die Reichsminister Hermann Müller (SPD) und Johannes
Bell (1868-1949; Zentrum) unter Protest den Vertrag.
Dieser stellte in zweierlei Hinsicht eine starke Belastung für
die junge Weimarer Republik dar: zum einen durch die enorme Reparationslast,
die den Wiederaufbau im hochverschuldeten und von galoppierender Inflation
geplagten Deutschland erschwerte, zum anderen dadurch, daß er den
extrem rechten politischen Gruppierungen im Reich bestes Propagandamaterial
für die Agitation gegen die Weimarer Demokratie lieferte. Zusammen
mit der schon bald in der rechtsgerichteten Presse aufkommenden Dolchstoßlegende,
die behauptete, daß die sozialistischen Umtriebe in der Heimat der
kämpfenden Truppe in den Rücken gefallen und letztlich für
die Niederlage verantwortlich seien, waren fortan die Forderung einer „Revision
des Versailler Vertrages" und die nach Beseitigung der „Erfüllungspolitiker",
die ihn unterzeichnet hatten, die meistgebrauchten Schlagworte der antidemokratischen
Propaganda.
In der gegenwärtigen historischen Forschung wird der Versailler
Vertrag zwar als ein harter, keineswegs aber als „Karthagofrieden" gewertet,
denn das Reich blieb in seinem Gefüge weitgehend intakt und hatte
die Chance, relativ bald seinen Rang unter den führenden Mächten
Europas wiedereinzunehmen.
Die Pariser Vorortverträge von Saint-Germain-en-Laye (am 10. September
1919 mit Österreich), Trianon (am 4. Juni 1920 mit Ungarn), Neuilly
(am 27. November 1919 mit Bulgarien) und Sèvres (am 10. August 1919
mit der Türkei), in denen die Alliierten den übrigen Mittelmächten
ähnlich harte Friedensbedingungen auferlegten, zogen einen endgültigen
Schlußstrich unter den 1. Weltkrieg, der nicht nur in territorialer
Hinsicht das Ende des alten Europa bedeutete.
Der 1. Weltkrieg in der historischen Forschung
Unmittelbar nach Beendigung des Krieges machten sich deutsche Historiker
daran, durch umfangreiche Einzeluntersuchungen, Aktenpublikationen und
Dokumentationen die These von der Alleinschuld Deutschlands am Kriegsausbruch
zu widerlegen. Im Auswärtigen Amt der Weimarer Republik entstand ein
eigenes „Kriegsschuldreferat", 1921 kam eine private „Zentralstelle für
die Erforschung der Kriegsursachen" hinzu und seit 1923 gab es mit der
Zeitschrift „Die Kriegsschuldfrage" sogar ein eigenes Presseorgan, das
sich nur mit der Erforschung der Kriegsursachen beschäftigte. Gemäß
ihrer apologetischen Zielsetzung kam die deutsche Geschichtswissenschaft
der Zwischenkriegszeit übereinstimmend zu dem Schluß, daß
die Politik des Deutschen Reiches ebenso wie die der Ententemächte
1914 ausschließlich von Sicherheitsbedürfnis und Gleichgewichtsdenken
bestimmt worden sei und Deutschland in einen Verteidigungskrieg hineingezogen,
allenfalls zu einem Präventivkrieg gezwungen worden sei. Dies wurde
vom Großteil der Historiker aus den Siegerstaaten bestritten, wenngleich
es auch unter ihnen prominente Vertreter des Faches - wie etwa Pierre Renouvin
(1893-1974) - gab, welche die These von der Alleinschuld Deutschlands anzweifelten
und darauf hinwiesen, daß auch die russische Politik zum Kriegsausbruch
beigetragen habe.
Die Debatte um die Kriegsschuld schien beendet, als beim deutsch-französischen
Historikertreffen 1951 in Anlehnung an Lloyd Georges Formel, alle Mächte
seien 1914 gewissermaßen unbeabsichtigt in einen Krieg „hineingeschlittert",
Einigkeit darüber erzielt wurde, daß die historischen Dokumente
es nicht erlaubten, „im Jahre 1914 irgendeiner Regierung oder einem Volk
den bewußten Willen zu einem europäischen Kriege zuzuschreiben".
Erst die Arbeiten des Hamburger Historikers Fritz Fischer (geboren
1908) brachen Anfang der sechziger Jahre diesen Konsens auf und lösten
eine heftige, teilweise polemisch geführte Kontroverse aus, die nicht
nur die historische Forschung, sondern auch weite Teile der Öffentlichkeit
intensiv beschäftigte. In seinem mittlerweile zu einem Standardwerk
der Weltkriegsforschung avancierten Werk „Griff nach der Weltmacht" (1961)
stellt Fischer die These auf, daß die deutsche Staatsführung,
getrieben von einflußreichen und an Expansion interessierten Gruppierungen
(vor allem aus der Industrie), spätestens seit 1911 planmäßig
auf einen Krieg zugesteuert sei. Der bereitwillig ausgestellte „Blankoscheck"
(5. Juli 1914) für die österreichische Regierung zeige deutlich,
daß Deutschland nicht nur den Krieg gewünscht, sondern ihn eigentlich
erst möglich gemacht habe. Ziel der deutschen Politik zwischen 1911
und 1914, so die Kernthese Fischers, sei eine „Hegemonie Deutschlands über
Europa" gewesen.
Fischer wurde vorgeworfen, er habe nicht ausreichend berücksichtigt,
daß auch die übrigen europäischen Großmächte
mit imperialistischer Politik den Konflikt angeheizt hätten und diese
ihrerseits einen Krieg zur Lösung ihrer innenpolitischen Spannungen
durchaus einkalkuliert hätten. Der Historiker Gerhard Ritter (1888-1967)
trat in seinem Werk „Staatskunst und Kriegshandwerk" als prominentester
Kritiker der Thesen Fischers hervor und betonte, daß vor allem die
Rolle des Reichskanzlers Bethmann-Hollweg als eher defensiv einzustufen
sei, der keineswegs einen „Griff nach der Weltmacht" angestrebt habe, sondern
vielmehr von der Absicht geleitet gewesen sei, mit einer „Politik der Diagonalen"
die innere Spaltung der Nation im Krieg zu verhindern.
Wenngleich auch heute die „Fischerkontroverse" noch nicht ganz ausgetragen
ist, so hat sich doch die vorherrschende Auffassung herauskristallisiert,
daß es sich nicht unbedingt um einen reinen Angriffskrieg Deutschlands
mit Weltmachtstreben gehandelt habe, jedoch durchaus um „die Konzeption
eines kalkulierten Risikos zur Durchsetzung machtpolitischer Veränderungen
unter Ausnutzung von internationalen Krisensituationen" (Andreas Hillgruber).
Nach dem Höhepunkt der breitangelegten Forschungen über politische
Ursachen, militärischen Verlauf und Ergebnisse des Krieges in den
sechziger und siebziger Jahren, hat sich die Weltkriegsforschung der folgenden
Zeit stärker den ökonomischen und gesellschaftlichen Problemen
des Krieges zugewandt. Heute treten nach langen Jahren der Erforschung
der „großen Politik" von Staatsmännern, Völkern und Bündnisverträgen
zunehmend alltags-, mentalitäts- und technikgeschichtliche Fragestellungen
in den Vordergrund, die u. a. die Erlebniswelt des „kleinen Mannes" im
Wilhelminischen Deutschland näher beleuchten, kulturphilosophische
Voraussetzungen des Krieges untersuchen und technische Veränderungen
während des Krieges erforschen.
Verfaßt von:
Thorsten Krebs
Carina K.
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