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Leistungskurs Geschichte
Der Völkerbund
I. Vorgeschichte und Gründung
Am 8. Jan. 1918 veröffentlichte der damalige Präsident der
Vereinigten Staaten von
Amerika, Woodrow Wilson, sein als »Die vierzehn Punkte«
bekanntgewordenes
Friedensprogramm. Im letzten seiner vierzehn Punkte forderte der US-Präsident:
“Eine allgemeine Gesellschaft der Nationen muss auf Grund
eines besonderen
Bundesvertrags gebildet werden zum Zweck der Gewährung gegenseitiger
Kategorien
für politische Unabhängigkeit und territorialer Integrität
in gleicher Weise für die
großen und kleinen Staaten.”
In einer Rede am 4. Juli 1918 zu Mount Vernon bekräftigte Wilson
seine Forderung
nach Errichtung einer Friedensorganisation, die es sicherstellen sollte,
»daß die
Gesamtmacht der freien Nationen jede Rechtsverletzung verhüten
wird«. Als Mittel,
Frieden und Gerechtigkeit in der Welt zu festigen, schlug er ein »Tribunal
der
Meinung« vor, dem sich alle beugen müßten und durch
das jede internationale
Streitfrage, über die sich die unmittelbar beteiligten Völker
nicht freundschaftlich
einigen können, geregelt werden sollte.
Die Hegemonie eines Landes sollte nicht mehr, wie in der Vergangenheit
versucht,
durch das Ordnungsprinzip des Gleichgewichts der Mächte, sondern
duch die Grün-
dung eines Völkerbunds vermieden werden.
Kants »Vernunftsidee«
In den Vorstellungen des amerikanischen Präsidenten fand ein seit
über hundert Jahren
in der abendländischen Geisteswelt gehegter Gedanke eines Völkerbundes
seinen
konkreten politischen Ausdruck. Immanuel Kant beschrieb ihn bereits
in seinem 1795
erschienenen Traktat ›Zum Ewigen Frieden‹ und nannte
darin den Zusammenschluß
der Völker zu einem Bund die ›Vernunftidee einer friedlichen
durchgängigen
Gemeinschaft der Völker auf Erden‹. Die bitteren Erfahrungen
des Ersten Weltkriegs,
des größten und blutigsten aller bisherigen Kriege, mit
seinen oft widersinnigen und
selbstmörderischen Aktionen ließen den Wunsch nach einem
geregelten, friedlichen
Zusammenleben der Völker wieder mit Macht laut werden und auf
eine
Verwirklichung der Völkerbundsidee drängen. Auch die Kaiserlich
Deutsche
Reichsregierung unter Prinz Max von Baden erklärte ihren Willen,
im Sinne einer
allgemeinen Völkerverständigung tätig zu werden und
alles zu tun, daß ein »ehrlicher,
dauernder Friede für die gesamte Menschheit« herbeigeführt
werde. Unter diesen
Voraussetzungen schien es nur mehr eine Frage der Zeit und der Beendigung
des
Krieges zu sein, wann das allgemeine Gefühl der internationalen
Zusammengehörigkeit
der Völker in die praktische Organisationsform einer ›League
of Nations‹ gefaßt
werden könnte.
Nach Abschluß des Waffenstillstandes von Compiegne und nachdem
am 18. Jan. 1919
im Pariser Außenministerium die Friedenskonferenz der 27 alliierten
und assoziierten
Mächte zusammengetreten war, ging man daran, die Satzungen für
den geplanten
Völkerbund auszuarbeiten. Der südafrikanische Staatsmann
Jan Christian Smuts
(1870-1950) hatte gleich nach Einstellung der Kampfhandlungen eine
Denkschrift über
die Gründung einer internationalen Friedensorganisation geschrieben
und darin
wertvolle Anregungen gegeben. Er kann daher neben Woodrow Wilson als
einer der
Väter des Völkerbundes gelten, eine Tatsache, die bis heute
weitgehend in
Vergessenheit geraten ist.
Die Gründung des Völkerbunds wurde bereits während der
Friedenskonferenzen in
den Pariser Vororten, im Frühjahr 1919 also knapp ein halbes Jahr
nach Ende des 1.
Weltkriegs vorbereitet. Neben Wilson und Smuts gab es auch Pläne
und Vorschläge
von Miller-Hut und Lord Phillimore.
Die Satzung des Völkerbunds, die ingesamt aus 26 Artikeln besteht
wurde am
28.4.1919 durch die Vollversammlung der Versailler Friedenskonferenz
angenommen.
Sie wird eingeführt mit der Erklärung, »daß es
zur Förderung der Zusammenarbeit
unter den Nationen und zur Gewährleistung des internationalen
Friedens und der
internationalen Sicherheit wesentlich ist, bestimmte Verpflichtungen
zu übernehmen,
nicht zum Kriege zu schreiten, in aller Öffentlichkeit auf Gerechtigkeit
und Ehre
gegründete internationale Beziehungen zu unterhalten und die Vorschriften
des
internationalen Rechts, die fürderhin als Richtschnur für
das tatsächliche Verhalten der
Regierungen anerkannt sind, genau zu beobachten.«
Zwei Monate später, also am 28.6.1919 erfolgte dann die Unterzeichnung
der Satzung
durch die Gründerstaaten, die gleichzeitig auch Unterzeichnerstaaten
des
Friedensvertrags sind. Die Satzung des Völkerbunds wird damit
Bestandteil des
Versailler Vertrags, sprich die ersten 26 Artikel des Versailler Vertrags
sind identisch
mit der Satzung des Völkerbund. Die Länder, die dem Versailler
Vertrag zustimmten,
mussten also damit automatisch der Gründung eines Völkerbundes
zustimmen, man
wollte so Sieger- und Verliererstaaten gemeinsam auf den Grundsatz
einer einer
friedlichen internationalen Zusammenarbeit festlegen. Alle Siegerstaaten
treten bei
außer der Vereinigten Staaten von Amerika. (Dem amerikanische
President Wilson,
der natürlich für einen Eintritt der USA war, gelang es nähmlich
nicht die im Kongress
dafür nötige Zweidrittelmehrheit für einen Beitritt
der USA zu bekommen. Sein
politischer Gegner Lodge konnte das Parlament nämlich davon überzeugen,
dass bei
einem Eintritt der USA in den Bund, Europa mehr Einfluss auf die USA
bekommen
würde und somit die alte “Monroe-Doktrin”
nicht mehr gelten würde. Er glaubte, dass
durch das Recht des Völkerbunds bei Verstößen eines
Landes gemeinsam gegen
dieses Land vorzugehen sich dann auch die USA dem Willen des Völkerbundes
zu
beugen hätte und so die Souveränität der Vereinigten
Staaten von Amerika nicht mehr
gewährt gewesen würde. Außerdem waren viele Amerikaner
enttäuscht, darüber, dass
Wilson auf den Pariser Friedenskongressen so viele seiner 14 Punkte
nicht durchsetzen
konnte. Deshalb gab man dem Völkerbund auch keine großen
Chancen. Zusätzlich
kommt noch hinzu dass Wilson zu dieser Zeit bereits schwer krank war
und er deshalb
auch in seine Reden extrem eingeschränkt war. Er war schwer enttäuscht
davon, dass
sein Land dem Völkerbund nicht beitrat und starb Anfang der 20er
Jahre. Das Fehlen
der U.S.A. im Völkerbund sollte sich später oft noch als
nachteilig heraus- stellen.)
Im Januar 1920 nahm der Völkerbund schließlich dann seine
Tätigkeit auf.
Sitz des Völkerbunds wurde Genf. Das erste Zusammentreffen der
Völker-
bundsversammlung erfolgte im November 1920.
II. Die Organisation
Strenggenommen ist die deutsche Bezeichnung “Völkerbund”
eigentlich un-
zutreffend, da es sich bei der Genfer Organisation keineswegs um einen
“Bund” handelte, schon gar nicht um einen “Bund
der Völker” sondern schlicht
eine intergouvenementale Einrichtung. Die französiche bzw. englische
Bezeichnung dafür war treffender: “Société
des Nations” bzw. “League of Nations”.
Doch nun zum Aufbau des Völkerbundes:
a)Es gab zum einen die Völkerbundsversammlung, die einmal pro
Jahr tagte.
Sie bestand aus den Vertretern der Bundesmitglieder. Jedes Mitglied
hatte eine Stimme. Mit wenigen Ausnahmen musste sie ihre Beschlüsse
einstimmig fassen.
Daneben gab es noch den Völkerbundsrat, der mehrmals jährlich
tagt.
Er ist heute zu Vergleichen mit dem Weltsicherheitsrat in New York.
Der
Völkerbundsrat bestand zu einem aus vier bis sechs ständigen
Mitgliedern: Vertreter
aus Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan später
ab 1926 aus Deutschland.
Nachdem Austritt Deutschlands 33 fiel dessen Sitz an die UdSSR.
Zusätzlich saßen
im Völkerbundsrat aber auch noch Vertreter von später neun
nichtständige
Mitgliedern. Die nichtständigen Mitglieder wurden von der Völkerbundsversammlung
gewählt. Der Völkerbundsrat musste ebenfalls seine Beschlüsse
einstimmig fassen.
Sowohl beim Völkerbundsrat als auch bei der Völkerbundsversammlung
musste sich
streitende Parteien der Stimme enthalten.
Obwohl beide Organe eigentlich für die gleichen Dinge, wie Vermittlung
und
Streitschlichtung zuständig waren, konnte der Völkerbundsrat
eine stärkere politische
Tätigkeit ausüben. Beide Organe wurden unterstützt durch
das Ständige
Generalsekretariat mit einem Generalsekretär.
b)Verbunden mit dem Völkerbund war auch der Haager Ständige
Internationale
Gerichtshof, der den Schiedsspruch bei Streitigkeiten verkündete.
Ferner bestand auch noch die Internationale Arbeitorganisation
zuständig für die
Arbeitsgesetzgebung. (auch mit Nichtmitglieder z.B. USA)
c) Ferner gab es politische Nebenorgane, wie z.B. die “Ständige
Mandatskommision”
oder das Hochkommissiariat für Flüchtlingshilfe
d) Es existierten zudem technische Nebenorgane wie z.B. die “Organisation
für
Gesundheitshilfe” oder die “Verkehrs- und Transitorganisation”.
Besonders erwäh-
nenswert ist das “Komitee für geistige Zusammenarbeit”,
die ebenfalls nicht nur auf
Wissenschaftler aus Mitgliedsländer beschränkt war. In diesem
Komitee waren
immerhin Gelehrte wie Albert Einstein oder der amerikanische Physiker
Millikan.
III. Aufgaben und Ziele des Völkerbunds
1. Sicherung des Weltfriedens
2. Förderung der internationalen Zusammenarbeit
Es sollte keine traditionelle einzelstaatliche Gewaltpolitik
mehr geben.
Stattdessen sollten nun alle Staaten durch wirtschaftliche bzw.
militärische
Sanktionen Druck auf eine Angreifernation ausüben. Für
die Sanktionen war
allerdings eine 2/3 Mehrheit der Mitglieder nötig um Sanktionen
zu verhängen.
Ferner sollte der Völkerbund zur freien Diskussion der Staatsmänner
vor der
Weltöffentlichkeit dienen um die Geheimdiplomatie,die vor
dem 1. Weltkrieg oft
üblich war zu verhindern. (vgl. Wilsons 14)
3. Erhaltung des neuen politischen Systems
aufgrund der Koppelung mit den Pariser Friedensverträgen
4. Schlichtung internationaler Streitfragen
Die Mitglieder verpflichteten sich zur friedlichen Lösung
aller Streitigkeiten.
Bei Nichteinigung rufen sie den Völkerbund an, dessen Entscheidung
sie
falls alle Mitglieder bis auf die zwei streitenden Länder
zustimmen, anerken-
nen müssen.
5. Durchführung der Friedensverträge
Die wichtigsten Aufgaben des Völkerbunds waren hier:
a) Grenzsicherung,
b) Abrüstung,
c) Aufsicht über Danzig,
d) Verwaltung des Saargebiets sowie
e) die Kontrolle der Mandatsgebiets. Mandatsgebiete waren ehemalige
deutsche
Kolonie bzw. ehemalige türkische Gebiete im Nahen Osten,
denen nach Ende des
1.Weltkrieges je ein Land als Mandatar zugewiesen wurden, die
diese Länder
verwalten sollten:
Mandat
Mandatar
A-Mandate (ehemals türkische Gebiete)
- Syrien und Libanon Frankreich
- Palästina und Transjordanien Großbritannien
- Mesopotamien (Irak) Großbritannien
B-Mandate (ehemals deutsche Schutzgebiete)
- Togo und Kamerun (jeweils geteilt) Frankreich
und
Großbritannien
- Deutsch-Ostafrika (Tanganyika) Großbritannien
- Deutsch-Ostafrika (Ruanda-Urundi) Belgien
C-Mandate (ehemals deutsche Schutzgebiete)
- Deutsch-Südwestafrika Westsamoa Südafrikanische
Union
- Westsamoa Neuseeland
Die mit der Verwaltung dieser Gebiete betrauten Mächte mussten
jährlich der
Mandatskommission Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen.
6. Schutz der nationalen Minderheiten
7. Wirtschaftliche Hilfe für bestimmte Länder
So wurde z.B. Österreich vom Völkerbund wirtschaftlich
unterstützt.
8. Flüchtlingshilfe
9. Daneben hatte der Völkerbund noch viele andere Aufgaben, wie
a) Unterbindung des Opium- und Sklavenhandels
b) Krankheits- und Seuchenbekämpfung
c) Registrierung und Veröffentlichung internationaler Verträge
IV. Deutschland im Völkerbund
Die in manchen Punkten schier unerfüllbaren Bedingungen des Versaiiler
Vertrages
drohten Deutschland auf unabsehbare Zeit aus dem Völkerbund auszuschließen.
Und
selbst wenn die Alliierten einem Beitritt des Deutschen Reiches zustimmten,
wie im
Jahre 1926 geschehen, schien sein Zweck, die bestehende Ordnung zu
sichern, dem
erklärten Ziel der deutschen Politik, eine Revision des Versailler
Vertrags zu
erreichen, zuwiderzulaufen. Entsprechend zwiespältig war auch
die Meinung in
Deutschland, als man darüber beriet, ob man Antrag auf Aufnahme
stellen solle oder
nicht. Auf der einen Seite durfte das Deutsche Reich mit seinem Eintritt
in den Bund
damit rechnen, daß es auch in den Genuß eines ständigen
Sitzes im Völkerbundsrat
kommen und somit als eine Großmacht wieder anerkannt würde,
auf der anderen Seite
fürchteten weite Kreise, die deutsche Politik könnte nach
einem Beitritt nicht mehr
unabhängig genug ihre Interessen vertreten und die guten Beziehungen
zur
Sowjetunion weiter pflegen. Reichsaußenminister Stresemann stellte
dennoch nach
Abwägung aller Gründe und Einwände am 9. Febr. 1926
in einem Schreiben an den
Generalsekretär des Völkerbundes, Sir Eric Drummond, in Genf
Antrag auf Aufnalme
Deutschlands in den Bund. Er traf damit trotz aller möglichen
Bedenken die einzig
richtige Entscheidung für das Reich. Denn der Völkerbund
hatte es sich auch zur
Aufgabe gemacht, die nationalen Minderheiten zu schützen, ein
Anliegen, dem sich die
deutsche Politik im besonderen Maße verpflichtet fühlte,
wie die Reichstagsdebatten in
den zwanziger Jahren ausweisen, vor allem ging es natürlich um
das deutsche
Minderheitenproblem in Polen aber auch in Südtirol, Italien. Deutschland
wurde
offiziell 1926 in den Völkerbund als ständiges Mitglied des
Völkerbundsrats
aufgenommen. Allerdings erklärte es sieben Jahre später nach
der Machtübernahme
Hitles 1933 seinen Austritt. Die Idee des Völkerbunds widersprach
den national-
sozialistischen Ansichten und Zielen.
V. Bilanz
1. Nebenaufgaben
Das Internationale Arbeitsamt leistete durch seine Beiträge zur
Arbeitsgesetzgebung
wie auch durch die Vermittlung von Arbeitskräften wertvolle Dienste.
Die
Flüchtlingshilfe und die Förderung der technischen und wirtschaftlichen
Zusammenarbeit gehören ebenfalls zu den anerkennenswerten Leistungen
des
Völkerbundes.
Doch nun zur Bilanz der Hauptaufgaben des Völkerbunds:
2. Friedensicherung
a)Erfolge
Die Funktionen des Völkerbundes bei der Schlichtung internationaler
Streitfragen
waren in den Artikeln elf bis fünfzehn seiner Satzungen festgelegt.
Diese waren so
formuliert, daß sie kaum die Entscheidungsfreiheit der betroffenen
Staaten
beeinträchtigten. Die Mitglieder verpflichteten sich, ihre »einer
schiedsrichterlichen
Lösung zugänglichen« Differenzen entweder vor den Völkerbundsrat
oder vor den
Haager Internationalen Gerichtshof zu bringen. Ein Schiedsspruch war
jedoch nur
dann bindend, wenn er einstimmig von dem Völkerbundsrat, unter
Ausschluß der von
dem Konflikt betroffenen Mächte, angenommen wurde. Anderenfalls
stand es den
Parteien frei, »die Schritte zu tun, die sie zur Aufrechterhaltung
von Recht und
Gerechtigkeit für nötig« hielten. Was dem Wortlaut
der Satzungen an Nachdruck
fehlte, sollte anscheinend durch den Druck der öffentlichen Meinung
auf die
Friedensstörer ersetzt werden. Dabei wurde übersehen, daß
gerade diese sich gegen
einen derartigen psychologischen Einfluß immun zeigen würden.
Trotz der Schwächen seines schiedsrichterlichen Amtes gelang es
dem Völkerbund,
eine Reihe internationaler Konflikte zu schlichten. Ungefähr dreißig
solcher
Streitfragen wurden ihm während der zwanzigerJahre unterbreitet,
und die Mehrzahl
wurde friedlich beigelegt. Dabei handelte es sich zum Teil um Fragen,
wie etwa um
den Grenzkonflikt zwischen Griechenland und Bulgarien im Jahre 1925,
die den Keim
schwerer internationaler Verwicklungen in sich trugen.
b) Niederlagen:
Kleine Staaten mußten sich den von den Großmächten
getroffenenVerfügungen meist
wohl oder übel fügen. Sobald jedoch eine Großmacht
selbst sich in der Rolle des
Friedensstörers befand, erwies sich der Völkerbund als weit
weniger wirksam. Ein
Beispiel war der Korfu-Zwischenfall im August 1923, als Italien, zur
Vergeltung für
den Mord italienischer Mitglieder einer auf griechischem Boden weilenden
internationalen Grenzkommission, die griechische Insel Korfu bombardierte
und
besetzte. Griechenland wandte sich sofort an den Völkerbund, der
eine Untersuchung
anordnete. Das italienische Mitglied des Völker- bundsrates weigerte
sich, die
Zuständigkeit des Völkerbundes in dieser Angelegenheit anzuerkennen.
Gleichwohl
zog Italien, nachdem Griechenland eine von ihm geforderte Entschädigung
gezahlt
hatte, seine Truppen zurück. Diese »friedliche« Lösung
wurde damals als Sieg des
Völkerbundes gewertet. Heute sieht man in dem italienischen Akt
wohl eher ein
Beispiel der Art faschistischer Gewaltpolitik, wie sie in den dreißiger
Jahren zur
Gewohnheit werden und der gegenüber sich der Völkerbund praktisch
als machtlos
erweisen sollte.
Die Schwächen des völkerbundlichen Schiedsgerichtsverfahrens
sollten anscheinend
durch die Sanktionsbestimmungen des Artikels sechzehn der Völkerbundssatzung
ausgeglichen werden. Diese traten automatisch in Kraft, sobald ein
Mitglied unter
Nichtbeachtung der Schlichtungsbestimmungen einen Krieg begann. Als
Sanktion
gegen den Angreifer war hauptsächlich der wirtschaftliche Boykott
vorgesehen. Eine
derartige Aussperrung war zweifellos ein wirksames Zwangsmittel, wenn
sämtliche
Großmächte daran teilnahmen. Da aber zumindest zwei dieser
Mächte sich jeweils
außerhalb des Völkerbundes befanden, war die Durchführung
eines straffen Boykotts
unmöglich. Dies sollte sich sowohl 1931, bei Japans Angriff auf
China, als auch 1933,
während des Angriffs Italiens auf Abessinien,dem heutigen Äthiopien
zeigen. Der
Völkerbund beschloss der ab November 33 Wirtschaftssanktionen
auf Italien zu
verhängen, dies Sanktionen waren jedoch kaum wirksam, da die USA
weiterhin Öl
und Deutschland Kohle an Italien lieferten. Die Wirksamkeit des Völkerbundes
war,
wie dieses Beispiel zeigt, letzten Endes von der Bereitschaft seiner
Mitglieder
abhängig, seine Verfügungen, wenn nötig, mit Waffengewalt
zu unterstützen. Die
Anwendung militärischer Sanktionen war im Artikel sechzehn zwar
vorgesehen, doch
ihre Durchführung war dem Ermessen der Mitglieder überlassen.
Der Völkerbund
verfügte daher selbst nicht über die Mittel, seinen Anordnungen
den gehörigen
Nachdruck zu verleihen. Hierin lag eine seiner größten Schwächen.“
Um diesem
Zustand abzuhelfen, beriet die Völkerbundsversammlung im Herbst
1923 Vorschläge
für einen internationalen Beistandspakt, dessen Mitglieder im
Falle eines
Angriffskrieges einander helfen sollten. Es war jedoch unmöglich,
die Rolle des
Angreifers für alle möglichen Fälle im voraus zu definieren.
Einen Versuch in dieser
Richtung machte das Genfer Protokoll vom 2. Oktober 1924. Hiernach
galt als
Angreifer jeder im Kriegszustand befindliche Staat, der sich weigerte,
dem vom
Völkerbund vorgeschriebenen Schlichtungsverfahrcn zu gehorchen.
Die Unterzeichner
des Protokolls sollten sich verpflichten, nicht nur an Sanktionen gegen
einen derartigen
Angreifer teilzunehmen, sondern auch »der angegriffenen oder
bedrohten Nation zu
Hilfe zu eilen«. Vor einer derart weitgehenden Garantie scheuten
jedoch die meisten
Staaten zurück. Besonders England fürchtete durch das Genfer
Protokoll seine
Handlungsfreiheit einzubüßen und in Kriege verwickelt zu
werden, die sie nichts
angingen. Zusammenfassend kann man sagen das dem Völkerbund in
seiner
wichtigsten Rolle der Friedenssicherung nur wenige Erfolge gelangen.
Das Hauptpro-
blem war der Egoismus seiner Mitglieder. Anstatt die im Völkerbund
gegebenen
Möglichkeiten zur Friedenssicherung weiter auszubauen, schlugen
die Mächte bereits
kurz nach dem Krieg einen unabhängigen Kurs ein, desse Ziel und
Methoden sich
kaum von der großen Politik der Vorkriegszeit unterschied.
3. Abrüstung
Abrüstung nur für Besiegte
Mit seinem zweiten erklärten Ziel, der internationalen Abrüstung,
kam der Völkerbund
auch nur einseitig voran. Zwar hieß es im Artikel 8 der Satzung,
daß sich die
Mitglieder des Völkerbundes zu einer Herabsetzung der nationalen
Rüstungen auf das
Mindestmaß bekennen, doch verwirklichten sie die Rüstungsbeschränkungen
zunächst
nur bei den Verliererstaaten des Ersten Weltkriegs. So wurde Deutschland
nach den
Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages lediglich ein Landheer
von 100000
Mann gestattet, Osterreich eine Armee von 30000 Mann zugestanden und
die
Streitkräfte der übrigen Verbündeten des Reiches in
ähnlichem Umfange beschränkt.
Die Siegermächte zögerten ihre Abrüstung dagegen immer
wieder hinaus. Sie glaubten
dies zum Teil - wie beispielsweise Frankreich, das in den letzten fünfzig
Jahren
zweimal von deutschen Truppen überrannt worden war - aus Gründen
der nationalen
Sicherheit heraus tun zu müssen. Dieser Konflikt ihrer Interessen
mit den
Zielsetzungen des Völkerbundes ließ auch die Abrüstungskonferenz
1932 in Genf
scheitern, da sich die französische Regierung nicht mit einer
Verstärkung der
deutschen Reichswehr auf 200000 Mann, wie sie von London vorgeschlagen
worden
war, einverstanden erklären konnte, bevor nicht hinreichende Garantien
für die
Sicherheit ihres eigenen Landes gegeben waren.
Aus diesem Dilemma zog dann Hitler einseitigen Nutzen und nahm die Weigerung
der
Alliierten, abzurüsten bzw. Deutschland einen angemessenen Ausgleich
zu gewähren,
zum Anlaß, den Austritt aus dem Völkerbund zu erklären.
Unter diesen
Voraussetzungen blieben auch die weiteren Anstrengungen des Völkerbundsrates,
doch noch eine allgemeine Abrüstung zu erreichen, erfolglos. Die
Jahre von 1932 bis
1938 brachten aber nicht nur keinen Fortschritt in dieser Frage, sie
standen sogar in
Deutschland und Italien also auch in Frankreich und England im Zeichen
beginnender
militärischer Aufrüstung. Die Ereignisse des Jahres 1939
mit dem deutschen
Einmarsch in Prag und dem Angriff auf Polen veranlaßten dann
auch die bislang
abrüstungswilligen Staaten, sich auf eine kriegerische Auseinandersetzung
vorzubereiten.
VI. Das Ende
Mit dem 2.Weltkrieg wurden die Bemühungen um Abrüstung schließlich
vollends
illusorisch. Der Völkerbund, dessen zwei Hauptziele - die Friedenssicherung
und die
allgemeine Abrüstung - damit eindeutig gescheitert waren und dessen
Mitgliederzahl
von 63 bis zum Kriegsausbruch 1939 auf 46 zurückging (14 Mitgliedsstaaten,
darunter
Deutschland und Italien, traten aus, zwei wurden annektiert und einer
ausgeschlossen),
überdauerte zwar formal den Zweiten Weltkrieg und wurde offiziell
erst am 18. April
1946 durch Beschluß der Völkerbundsversanimlung aufgelöst,
doch hat er auf den
Gang der politischen Ereignisse keinen wesentlichen Einfluß mehr
ausgeübt.
Mag über fast allen politischen Hauptzielen des Bundes ein tragisches
Scheitern
gelegen sein - dennoch war der Welt eine über zwanzig Jahre dauernde
Friedensepoche geschenkt! Die vielen großen und kleinen Erfolge
auf dem Gebiet der
wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit
verdienen
dennoch anerkannt zu werden. Zudem wurde ja im gleichen Jahr der Auflösung
1946
die Nachfolgeorgansition Vereinte Nationen gegründet, bei dessen
Organisation man
durchaus Parallelen zum Völkerbund findet.
Thomas Schübel
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