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Weimarer Verfassung



Am 19. Januar 1919 fanden die Wahlen zur ersten Nationalversammlung der Weimarer Republik statt. Die SPD erhielt 37,9% (163 Abgeordnete), Zentrum 19,7% (90 Abgeordnete), die Deutsche Demokratische Partei 18,6% (75 Abgeordnete), die Deutschnationale Volkspartei 10,3% (42 Abgeordnete), die USPD 7,6% (22 Abgeordnete), die Deutsche Volkspartei 4,4% und andere erhielten 1,6% der Stimmen ( 4 Abgeordnete) (Inges. 418 Abgeordnete).
Am 6. Februar 1919 trat die Nationalversammlung in Weimar zusammen.
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Am 11. Februar wurde Friedrich Ebert mit klarer Mehrheit zum Reichspräsidenten gewählt. Am 13. Februar stand dann die erste Regierung unter dem Sozialdemokraten Philipp Scheidemann, der noch die Bezeichnung „Reichsminister-
Präsident“ bedient.
Die Hauptaufgabe der Nationalversammlung bestand in der Ausarbeitung der Verfassung. Als Schöpfer der Verfassung wird gemeinhin der Staatsrechtler Prof. Hugo Preuß angesehen. Schon am 14. November 1918 hatte er im Berliner Tageblatt mit einem aufsehenerregenden Artikel unter der Überschrift „Volksstaat oder verkehrter Obrigkeitsstaat“ den Anspruch des fortschrittlichen Bürgertums auf politische Mitwirkung bei der Neugestaltung des Staates erhoben. Am folgenden Tag wurde er zum Staatssekretär des Innern ernannt und erhielt damit die Federführung bei den Vorbereitungsarbeiten für die neue Verfassung.
Der erste Verfassungsentwurf ist datiert vom 3. Januar 1919. Preuß Vorstellungen von einer zukünftigen staatlichen Ordnung Deutschlands zielten auf einen „dezentralisierten Einheitsstaat“; das bedeutete den Wegfall der historisch gewachsenen, aber auch von den Zufällen der fürstlichen Macht oder Heiratspolitik bestimmten Staaten, vor allem aber die Auflösung Preußens. Dieses Konzept der Auflösung des preußisch-deutschen Dualismus und der Untergliederung des Reiches nicht in Länder, sondern nur in größere Selbstverwaltungsbezirke, konnte Preuß nicht durchsetzen. Das Parlament betonte mehr den bundesstaatlichen Charakter des Reiches.
Vom Februar bis Ende Juli wurde die Verfassung von der Nationalversammlung und ihrem Verfassungsausschuß beraten.
Am 31. Juli wurde die Verfassung mit 262 gegen 75 Stimmen von der Nationalversammlung verabschiedet. Am 11. August unterschrieb der Reichspräsi-
dent Ebert die Verfassungsurkunde. Dieser Tag wurde hinfort als Verfassungstag feierlich begangen.
Das Verfassungswerk gliedert sich in zwei Hauptteile: 1. Aufgaben und Aufbau des Reiches, 2. Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen.
Die Legislative bestand aus Reichstag und Reichsrat, letzterer die Vertretung der Länder, jedoch mit der Einschränkung, daß die dem Land Preußen zustehenden Sitze nur zur Hälfte auf Vertreter der Regierung, zur anderen Hälfte aber auf Vertreter der preußischen Provinzen entfielen.
Der Reichspräsident wurde vom Volk in allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Er amtierte nach franz. Vorbild sieben Jahre. Er ernennt den Reichskanzler und auf dessen Vorschlag hin die Reichsminister. Er hatte das Recht, allerdings unter Gegenzeichnung des Reichskanzlers, den Reichstag aufzulösen. Vor allem aber verfügte der Reichspräsident mit dem Artikel 48 über außergewöhnliche Rechte für die Zeit des Notstandes. Der Artikel 48 sah die Möglichkeit vor, im Falle des Nichtmehrfunktionierens der normalen Gesetzgebung durch Verordnungen zu regieren, die Gesetzeskraft hatten und später „Notverordnungen“ genannt wurden. Damit sprach die Verfassung dem Reichspräsidenten – zeitlich begrenzt – in gewisser Weise Diktaturgewalt zu, denn er konnte durch solche Verordnungen auch Grundrechte außer Kraft setzen. Allerdings war dieses Verfahren an eine sehr wichtige Bedingung geknüpft, an die Zustimmung des Reichstages. Die Verordnungen mußten auf Verlangen des Reichstages aufgehoben werden.
Die starke Stellung des Reichspräsidenten sollte ein Gegengewicht gegenüber dem Parlament sein, das eventuell durch labile Mehrheitsverhältnisse keine ausreichende Sicherheit für eine stetige Regierungstätigkeit bot.
Ein weiteres Element der unmittelbaren Mitwirkung des Wahlvolkes waren die Bestimmungen über Volksbegehren und Volksentscheid, die beide relativ leicht in Gang zu setzen waren. Der Volksentscheid sollte sowohl durch den Reichspräsidenten wie den Reichsrat eingeleitet werden können, wenn sie einem Gesetzesbeschluß des Reichstags opponierten, wie auch durch das Volksbegehren eines bestimmten Teils der Wähler.
57 Artikel benannten im einzelnen die „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen“. Die Grundrechte garantierten die kommunale Selbstverwaltung wie das Berufsbeamtentum, regelten die Rechte der Religionsgemeinschaften und die Grundzüge des Bildungs-, Wissenschafts- und Erziehungssystems. Dazu gehörten auch Aussagen über Familie und Jugendschutz. Die Bestimmungen im Sozial- und Wirtschaftsbereich banden die „Ordnung des Wirtschaftslebens“ an die „Grundsätze der Gerechtigkeit“ und das Ziel eines „menschenwürdigen Daseins für alle“, um „in diesen Grenzen“ die „ wirtschaftliche Freiheit des einzelnen“ zu garantieren (Art. 151). Aus diesem Ansatz wurden u.a. Sozialisierung, Arbeitsschutz, Sozialversicherung, Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversorgung, die Vereinigungsfreiheit der Gewerkschaften und die Mitbestimmung der Arbeiter in Wirtschaftsräten abgeleitet.

Die Weimarer Verfassung wurde voller Stolz „als die freieste Verfassung der Welt“ bezeichnet. Sie beginnt mit den Worten:
Das deutsche Volk, einig in seinen Stämmen und von dem Willen beseelt, sein Reich in Freiheit und Gerechtigkeit zu erneuern und zu festigen, dem inneren und äußeren Frieden zu dienen und den gesellschaftlichen Fortschritt zu fördern, hat sich diese Verfassung gegeben.
Artikel 1. Das Deutsche Reich ist eine Republik. Die Staatsgewalt geht
vom Volke aus.
In den Artikeln 6 bis 13 ist die Verteilung der Gesetzgebung zwischen Reich und Ländern so geregelt, daß das Reich weitgehende Befugnisse erhält.
Artikel 20. Der Reichstag besteht aus den Abgeordneten des deutschen
Volkes.
Artikel 22. Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, unmittel-
barer und geheimer Wahl von den über zwanzig Jahre alten
Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl
gewählt.
Vor den Wahlen zur ersten Nationalversammlung wurde per Reichsgesetzblatt das
Wahlalter gesenkt und das Frauenwahlrecht eingeführt.
Der Reichstag sollte das unmittelbare Spiegelbild der Volksmeinung sein. Das Verhältniswahlrecht gab auch kleinsten Gruppen noch die Chance, einen Sitz im Parlament zu gewinnen. Zwar ging keine Stimme verloren, doch erforderte die Vielzahl von Parteien häufig wechselnde Koalitionen. Niemals gewann eine Partei allein die Mehrheit. Aus den Erfahrungen der Weimarer Zeit zog das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland die Konsequenz, eine Mindestgrenze für die Vertretung im Parlament (Fünf-Prozent-Klausel) vorzusehen, so daß die Bundesrepublik von Parteizersplitterung verschont blieb.
Artikel 41. Der Reichspräsident wird vom ganzen deutschen Volk gewählt.
Artikel 48. Wenn ein Land die ihm nach der Reichsverfassung oder den
Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfüllt, kann der
Reichspräsident es dazu mit Hilfe der bewaffneten Macht an-
halten.
Der Reichspräsident kann, wenn im Deutschen Reich die
öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder
gefährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, er-
forderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht ein-
schreiten. Zu diesem Zweck darf er vorübergehend die in den
Art. 114, 115, 117, 118, 123,124 und 153 festgesetzten Grund-
Rechte außer Kraft setzen.
Von allen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 dieses Artikels
getroffenen Maßnahmen hat der Reichspräsident unverzüglich
dem Reichstag Kenntnis zu geben. Die Maßnahmen sind auf
Verlangen des Reichstags außer Kraft zu setzen.
Der Artikel 48 regelt den Ausnahmezustand und gibt dem Reichspräsidenten für diesen Fall erhebliche Machtbefugnisse, während das Grundgesetz den Bundespräsidenten im wesentlichen auf repräsentative Funktionen beschränkt und auch die „Notstandsverfassung“ keinem Verfassungsorgan die umfassenden Befugnisse des Artikels 48 gibt.
Artikel 54. Der Reichskanzler und die Reichsminister bedürfen zu ihrer
Amtsführung des Vertrauens des Reichstages. Jeder von ihnen
muß zurücktreten, wenn ihm der Reichstag durch ausdrück-
lichen Beschluß sein vertrauen entzieht.
Während nach dem Grundgesetz nur der Kanzler und nur bei gleichzeitiger Wahl eines Nachfolgers gestürzt werden kann (konstruktives Mißtrauensvotum), konnte nach der Weimarer Verfassung jeder einzelne Minister jederzeit abgesetzt werden..
Artikel 60. Zur Vertretung der deutschen Länder bei der Gesetzgebung
und Verwaltung des Reiches wird ein Reichsrat gebildet.
Der Reichsrat entspricht dem Bundesrat in der Verfassung von 1871 und im Grundgesetz, hat aber wesentlich geringere Rechte als diese, hauptsächlich beratende Funktionen.
Artikel 73. Ein Volksentscheid ist herbeizuführen, wenn ein Zehntel der
Stimmberechtigten das Begehren nach Vorlegung eines
Gesetzentwurfes stellt.
Die Möglichkeit, Gesetze auch direkt durch das Volk zu beschließen, war, wie man glaubte, eine besonders demokratische Bestimmung. Allerdings hat von den wenigen Gesetzentwürfen, die in dieser Weise eingebracht wurden, keiner die erforderliche Mehrheit erhalten. Deswegen und weil die Volksentscheide zu hemmungsloser Agitation gegen die Republik mißbraucht wurden, sieht das Grundgesetz diese Möglichkeit nicht mehr vor.
Besonders umfangreich ist in der Weimarer Verfassung der Katalog der Grundrechte, der 57 Artikel umfaßt, darunter:
Artikel 156. Das Reich kann durch Gesetz für die Vergesellschaftung
geeignete private wirtschaftliche Unternehmungen in
Gemeineigentum überführen.
Artikel 165. Die Arbeiter und Angestellten erhalten zur Wahrnehmung
ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen gesetzliche
Vertretungen in Betriebsarbeiterräten sowie in nach
Wirtschaftsgebieten gegliederten Bezirksarbeiterräten
und in einem Reichsarbeiterrat.
Diese beiden Artikel waren alles, was von der Absicht der Volksbeauftragten, das sozialistische Programm zu verwirklichen, übriggeblieben war.
Die Nationalversammlung erließ Anfang 1920 noch das Betriebsrätegesetz, die übrigen in Artikel 165 vorgesehenen Arbeiterräten wurden nie geschaffen.


Wenn die Weimarer Verfassung also sicherlich nicht sozialistisch war, so war sie doch durch und durch demokratisch. Sie bemühte sich, den Willen des Volkes so genau und so direkt wie möglich zur Geltung zu bringen, weil so die beste Gewähr dafür gegeben sei, daß die Politik dem Gemeinwohl diene. Das Grundgesetz geht demgegenüber davon aus, daß es das „Gemeinwohl“ als vorgegebene Größe nicht gibt, sondern daß Politik die ständige Auseinandersetzung von Kräften und Ideen ist, bei der es keine endgültige Lösung gibt, sondern alle Entscheidungen korrigierbar bleiben müssen. Die Weimarer Verfassung konzentrierte die Macht bei denjenigen Verfassungsorganen, die vom Volk gewählt wurden, beim Reichstag und (vor allem für Notzeiten) beim Reichspräsidenten. Das Grundgesetz schafft ein System sich gegenseitig kontrollierender und in ihrer Macht begrenzender Institutionen.