3.
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Proömium und
Seesturm
(1,1-33)
Proömium
Den Krieg und den Mann, besinge
ich, der als Erster von den Küsten Trojas, als Flüchtling vor seinem
Schicksal, nach Italien kam, zur lavinischen Küste - jener, der, wegen dem
unversöhnlichen Zorn der grimmimgen Juno, sowohl an Land als auch auf dem
Meer von der Macht der Götter vielfach verfolgt wurde. Und er hatte auch
schon Vieles im Krieg erdulden müssen, ehe es ihm gelang die Stadt zu
gründen und die Götter nach Latium zu bringen, dort wo das latinische
Geschlecht, die Väter von Alba Longa und die Mauern des hohen Roms
herstammen.
Anrufung
der Muse
Muse, nenne mir die Gründe,
wodurch die Königin der Götter gekränkt wurde oder worübe
sie verbittert ist, dass der durch Pietas ausgezeichnete Mann so viele
Schicksalsschläge erlebte, so viele Mühen auf sich nahm. Zürnen
die himmlischen Götter so sehr?
Junos
Lieblingsstadt Karthago
Es war eine alte Stadt (thyrische
Siedler bewohnten sie), Karthago, gegenüber von Italien und weit entfernt
von den Mündungen des Tiber; reich an Schätzen und rauh von der
Kriegsbegierde; von der überliefert wird, dass Juno diese mehr als alle
Länder verehrt hat nachdem sogar Samos hintangesetzt worden war. Hier waren
ihre Waffen, hier ihr Streitwagen. Schon hegte die Göttin den Wusch, dass,
wenn es das Schicksal irgendwie zulassen würde, jene Stadt der Herrscher
über alle Völker sei. Aber freilich hatte sie gehört: Ein
Geschlecht werde aus trojanischem Blute enstehen und einst die tyrischen Burgen
zerstören und von dort werde ein weltbeherrschendes und im Krieg
überlegenes Volk , zu Lybiens Sturz kommen; so bestimmen es die Parzen.
Junos
Zorn
Das fürchtete Juno und
erinnerte sich an den früheren Krieg, den sie allen voran bei Troja
für die teuren Griechen geführt hatte - noch immer nicht waren die
Gründe ihres Zornes und ihr grimmiger Schmerz ihrem Gedächtnis
entschwunden; es bleibt tief im Herzen das Urteil des Paris, das Unrecht der
verachteten Schönheit und sowohl das verhasste Geschlecht als auch das
Ansehen des entführten Ganymed: dadurch entbrannt, versuchte sie
überdies die auf dem ganzen Meer hin und her getriebenen Trojaner, die die
Griechen und der wilde Achill übriggelassen und lange von Latien
ferngehalten hatten und viele Jahre irrten sie vom Schicksal getrieben um alle
Meere. So große Mühe kostete es das römische Volk zu
gründen.
Sturm und
Aeneas Gebet
Sowie das gesagt war, schlug er mit
umgedrehtem Szepter den hohlen Berg in die Seite; und wie in einem geschlossenen
Heereszug die Winde dort hervor, wo eine Pforte geöffnet wurde und
durchwehen alle Länder. Schon haben sich Eurus, Notus und der an
Stürmen reiche Africus aufs Meer gelegt, wühlen das Ganze von tiefstem
Grund her auf und wälzen wilde Wellen zu den Küsten. Es folgt das
Geschrei der Männer, das Zischen der Taue. Es entreißen
plötzlich die Wolken den Himmel und das Tageslicht den Augen der Trojaner.
Finstere Nacht liegt auf dem Meer, es erschallen die Pole, von zahlreichen
Feuern durchzuckt, blitzt der Himmel. Alles droht den Männern unmittelbar
bevorstehenden Tod an. Sofort werden die Glieder des Aeneas in eisigem Schrecken
gelöst, er stöhnt, streckt die offenen Handflächen gen Himmel und
ruft mit lauter Stimme: " Oh, dreimal und viermal Glückliche, denen es vor
den Augen ihrer Väter unter den hohen Mauern Trojas zu teil wurde den Tod
zu erleiden! Oh Tapferster des Geschlechts der Danaer, oh Sohn des Tydeus
(Diomedes)! Hätte ich nicht auf den iliischen Feldern darnidersinken und
durch deine Rechte mein Geist ausgehaucht werden können, dort wo der
grimmige Hektor vom Wurfgeschoß des Achill niedergestreckt, wo der Held
Sarpédon tot daliegt, wo Simois so viele Schilde, Helme und die Leichen
der Helden fortreißt und unter den Wellen mit sich
wälzt?"
5. Das
Trojanische Pferd
(2,1 -
56)
Inzwischen werden die
Trojaner in Karthago von Königin Dido aufgenommen:
Aeneas
erzählt vom Trojanischen Pferd
Alle verstummten und hielten ihre
Gesichter aufmerksam. So hat vom hohen Sofa der Vater Aeneas
begonnen:
Oh Königin, du befiehlst
unsagbaren Schmerz zu erneuern, wie die Griechen die trojanischen Schätze
und das beklagenswerte Königreich zerstören; was ich an Unglück
gesehen und selbst erfahren habe. Wer von den so großen Myrmidonen, den
Dolopern oder welcher Soldat des rauhen Odysseus könnte seine Tränen
zurückhalten, wenn er so etwas erzählen müsste? Zudem stürzt
schon die feuchte Nacht vom Himmel und die sinkenden Sterne raten zu schlafen.
Aber wenn so großes Interesse besteht unser Schicksal zu erfahren und kurz
das letzte Leid Trojas zu hören - obwohl mein Herz davor erschauert und der
Geist vor der Erinnerung aus Trauer entflohen ist - will ich
beginnen:
Die, vom Krieg gebrochenen und vom
Schicksal vertriebenen, Führer der Griechen bauen mit göttlicher Hilfe
der Kunst der Pallas ein Pferd so groß wie ein Berg, nachdem ja schon so
viele Jahre ins Land gezogen sind, und sie verkleiden seinen Bauch mit Brettern
aus Tannenholz: Sie täuschen ein Gelübde zur gücklichen Heimkehr
vor; das Gerücht verbreitet sich. Die, die ausgewählt haben,
schließen hier auserwählte Helden heimlich in der dunklen Flanke ein
und tief drinnen füllen sie die Höhlung und den Bauch mit Soldaten an.
In Sichtweite liegt Tenedos, eine
weithin bekannte Insel, die unter Priamus Herrschaft reich an Schätzen war,
nun ist die Bucht zu groß un der Ankerplatz nicht sicher genug für
die Schiffe: dort hingefahren verbergen sie sich an verlassener Küste. Wir
meinten, dass sie weggefahren seien und mit günstigem Wind Mykene erreicht
hätten. Daher löst sich ganz Teucrien von der langen Trauer; die Tore
werden geöffnet; wir genießen es zu gehen und die menschenleeren
griechischen Lager, die Plätze und die verlassene Küste zu sehen. Hier
war die Schar der Doloper, hier lagerte der grimmige Achill; hier war das
Schiffslager; hier pflegten sie in der Schlacht zu kämpfen. Ein Teil
bestaunt das unheilvolle Geschenk der jungfräulichen Minerva und bewundert
die Masse des Pferdes; als erster rät Thymoetes es in die Stadt zu
führen und in der Burg aufzustellen, sei es Verrat oder sei es, dass das
Schicksal Trojas es nun einmal so füge. Kapys jedoch und jene, deren Geist
größere Einsicht besitzt, raten, sie sollen das eines Hinterhalts
verdächtige Geschenk der Danaer entweder ins Meer stürzen, darunter
Feuer legen oder den hohlen Leib anbohren und nach einem Versteck durchforschen.
Die unsichere Masse wird durch zwei gegensätzliche Wünsche
gespalten.
Allen voran läuft Laocoon, von
einer großen Schar begleitet, von der hohen Burg hinunter und ruft von
weitem: " Oh unglückliches Volk, welch großer Wahnsinn? Glaubt ihr
wirklich, dass die Feinde weggefahren sind? Oder glaubt ihr irgendein Geschenk
der Danaer sei je frei von List? So bekannt ist euch Odysseus ? Entweder
verbergen sich in dieses Holz eingeschlossen die Griechen oder diese Vorrichtung
ist gemacht gegen unsere Mauern um in unsere Häuser hineinzublicken und von
oben herab über die stadt zu kommen, oder es ist irgendeine andere
Täuschung verborgen;
Traut dem Pferd nicht,
Trojaner!
Was auch immer es ist, ich
fürchte die Danaer selbst wenn sie Geschenke bringen!"
So spricht er und schleudert mit
großer Kraft die ungeheure Lanze in die Flanke des Tieres, das
gekümmte Gefüge des Bauches; zitternd bleibt jene stecken. Der
erschütterte Leib ertönt und das Ächtzen der Höhlung ist zu
hören. Wären weder göttliche Fügung noch unser
törichter Geist gewesen, sein Schwert hätte sicher veranlasst das
Versteck der Griechen zu zerstören, und du Troja ständest noch, du
hohe Burg des Priamus ständest noch!
6. Der Tod
des Laokoon (2, 201
- 267)
Nachdem der Grieche Sinon
mit seiner Lügengeschichte über dieBestimmung des hölzernen
Pferdes bei den Trojanern Glauben gefunden hat, wird Laokoon, der zur
Vernichtung des Pferdes aufgerufen hatte, gemeinsam mit seinen Söhnen durch
ein Schlangenpaar getötet.
Laokoon wird
bestraft
Laokoon, der durch das Los für
Neptun bestimmte Priester, schlachtete einen ungeheuren Stier bei den heiligen
Altären.
Siehe, da kommen von Tenedos her
durch das Meer, ich erschaudere noch beim Erzählen, zwei ungeheure
Schlangen, in Windungen legen sie sich auf das Meer und zugleich begeben sie
sich zur Küste; ihre Oberkörper sind aufgerichtet in der Flut und die
blutroten Kämme überragen die Wellen; der übrige Körper
berührt das Meer hinten und der ungeheure Rücken krümmt sich.
Schäumend tost das Meer; und schon erreichen sie die Äcker, die
funkelnden Augen blut und feuerunterlaufen, man spürt das Züngeln der
Schlangen.
Wir fliehen bei diesem Anblick
schreckensbleich:
jene suchen zielsicher Laokoon auf;
und zuerst umschlingt die Schlange die kleinen Körper der zwei Söhne,
umfasst jene und verzehrt ihre unglücklichen Körper mit Bissen;
daraufhin fassen sie selbst ihn, der zu Hilfe gekommen war und Wurfgeschosse
geschleudert hatte, und umschlingen ihn in ungeheuren Windungen; und nachdem sie
schon zweimal die Mitte umschlungen und sich zweimal um den Hals mit ihren
schuppigen Rücken gelegt haben, ragen sie hoch mit Köpfen und Nacken
empor. Jener bemüht sich zugleich mit den Händen die Knoten
auseinanderzureißen, von Geifer ist die Priesterbinde überströmt
und von schwärzlichem Gifte, und zugleich erhebt er ein schauerliches
Geschrei zu den Sternen:
Ein Gebrüll wie von einem
verwundeten Stier, der vom Altar geflüchtet ist und das unsicher
geführte Beil vom Nacken abgeschüttelt hat.
Aber kriechend entkommen die zwei
Drachen zum Heiligtum oben auf der Burg, suchen den Tempel der grimmigen
Tritonis auf und verstecken sich unter den Füßen der Göttin und
unter des Schildes Rundung .
Da schleicht sich wahrhaftig in die
erschütterten Herzen aller neue Furcht ein und man sagt Laokoon, der das
heilige Holz mit dem Spieß verletzt und der die Lanze frevlerisch in den
Rücken geschleudert hätte, müsse, wie er es verdient habe,
für sein Verbrechen büßen. Man solle zum Tempel das Bild
führen und den Namen der Göttin anbeten, rufen sie.
Das
hölzerne Pferd wird in die Stadt gebracht
Wir reißen die Mauern ein und
öffnen die Befstigungsanlagen der Stadt. Alle machen sich and Werk, bringen
an den Füßen unten Räder an und legen einen Strick aus Hanf um
den Hals: Es steigt die Mauern empor die unheilvolle Maschine, waffenschwanger.
Ringsum singen die Knaben und die unverheirateten Mädchen Opferhymnen und
das Seil mit den Händen zu berühren freuen sie sich. Jene rückt
heran und dräuend gleitet sie bis in die Mitte der Stadt. Oh Vaterland, oh
Sitz der Götter, Ilion, und die, durch den Krieg berühmten, Mauern
der Dardaner, viermal hält sie, selbst an der Schwelle der Pforte an und
viermal hören wir im Bauch das Getöse der Waffen: Wir lassen nicht ab
und stellen, gedankenlos und blind vor Raserei, das unheilvolle Monster in der
geheiligten Burg auf.
Da erhebt sogar Cassandra zu
prophetischen Sprüchen die Stimme, die auf Befehl des Apoll jedoch bei den
Teucrern niemals Gehör fand.
Wir Unglücklichen, denen jener
Tag der Letzte war, schmückten die Heiligtümer der Götter in der
Stadt mit festlichem Laub. Es verändert sich der Himmel und es stürzt
auf das Meer die Nacht, einhüllend in ihren großen Schatten die Erde
und den Himmel sowie der Myrmidonen List; die hingestreckten Teucrer in der
Stadt verstummten; Schlaf umfasst die müden Glieder:
Und schon zog das argivische Heer
auf ausgerüsteten Schiffen von Tenedos her, um in der schweigenden Stille
des freund-schaftlichen Mondes die wohlbekannte Küste aufzusuchen, als
plötzlich das Schiff des Königs Feuerzeichen gibt und Sinon,
beschützt vom feindlichen Schicksal der Götter, befreit die im Bauch
eingeschlossenen Danaer indem er heimlich den Verschluss aus Pinienholz
öffnet. Jene lässt das geöffnete Pferd ans Licht zurück und
froh kommen sie aus dem hohlen Holzbau hervor: Thessandrus, der Führer
Sthenelus und der grimmige Ulixes, niedergleitend an einem herabgelassenen Seil
auch Acamas, Thoas und der Pelide Neoptolemus, allen voran Machaon und Menelaos
und selbst der Erbauer der List Epeos.
9. Dido
gesteht ihre Liebe zu
Aeneas (4, 1 -
30)
Das 4. Buch
schließt an den Beginn des 2.Buches an: Aeneas hat seine Erzählungen
vom Untergang Trojas (2.Buch) und den Irrfahrten der Trojaner bir zur Ankunft in
Karthago (3.Buch) beendet, seine Gastgeberin Dido hat sich in ihn verliebt. Nun
gesteht sie ihrer Schwester Anna diese Liebe.
Königin
Dido verliebt sich in Aeneas
Aber die Königin, schon lange
von schwerem Liebeskummer verwundet, lässt die Liebeswunde im Inneren
größer werden und unsichtbare Liebesglut verzehrt sie. Oft schweben
ihr die Tapferkeit des Mannes und seine ehrenhafte Herkunft vor: Eingeprägt
bleiben in ihrem Herzen sein Blick und seine Worte und der Liebeskummer
lässt den lieblichen Gliedern keine Ruhe. Der nächste Morgen erhellt
durch die Sonne die Länder und der feuchte Schatten hatte sich vom Pol
entfernt, da spricht sie liebeskrank zu ihrer gleichgesinnten
Schwester:
"Oh, Anna, Schwester, was schrecken
mich unruhige Träume! Welch ungewohnter Gast hat sich unserer Burg
genähert; wie zeigt sich seine edle Haltung im Antlitz, wie tapfer ist sein
Herz, wie tapfer seine Taten! Ich glaube in der Tat, und das Vertrauen ist nicht
eingebildet, dass er ein Nachfahre der Götter ist. Den schwachen Geist
entlarvt die Angst: ach, wie wurde jener vom Schicksal hin und her geworfen!
Welch überstandene Kriege erzählt er!
Wenn mir doch nicht im Geist
eingeprägt und unbeweglich feststehen würde mich mit keinem Mann mehr
durch ein eheliches Bündnis zu verbinden, nachdem mich der Tod um die erste
Liebe getäuscht und sie mir entzogen hat; wenn mir doch die Ehe nicht
überdrüssig wäre, dieser einzigen Schuld vielleicht könnte
ich erliegen. Anna, ich werde nämlich gestehen, nach dem Tod des
unglücklichen Sychaeus, meines Gatten, und seit der Altar des Penaten von
der Mordtat des Bruders bespritzt war, rührt dieser als einziger meine
Sinne und erschüttert meinen schwankenden Geist; Ich erkenne der
Liebesgluten Spuren. Doch ich wünsche, dass eher entweder die Erde sich mir
öffne oder mich der allmächtige Vater durch einen Blitz zu den
Schatten, den Schatten des bleichen Erebus und tief hinein in die Nacht
schleudert, bevor ich dich, oh Schamgefühl, verletze, oder dein Gesetz
breche. Jener, der sich als erster mit mir veband, nahm meine Liebe hinfort; er
möge sie mit sich haben und hüte sie im Grabe. So sprach sie und
hervorbrechende Tränen benetzen ihre Brust.
10. Dido
und Aeneas in der Grotte;
Fama (4, 160 -
194)
Anna hat Dido geraten,
der Liebe zu Aeneas nachzugeben. Diese gibt sich daraufhin ganz ihren
Gefühlen hin und denkt nur noch an den Trojaner. Als Juno sieht, dass Dido
ihre Aufgaben als Königin vergisst, schlägt sie Venus einen Ehebund
zwischen Dido und Aeneas vor. Obwohl Venus Junos Absicht, die Trojaner in
Karthago zurückzuhalten und so von ihrer Bestimmung abzuhalten,
durchschaut, stimmt sie zu. Als Dido und Aeneas zur Jagd aufbrechen, sieht Juno
den Moment für die Verwirklichung ihrer Pläne
gekommen:
Dido und
Aeneas in der Höhle
Inzwischen gerät durch lautes
Grollen der Himmel in Aufruhr; es folgen vermischt Hagel und Regen; sowohl die
tyrischen Begleiter als auch die trojanische Jugend und Ascanius, der
dardanische Enkel der Venus, suchen aus Angst ringsumher in den Feldern
verstreuten Unterschlupf auf; es stürzen von den Bergen die
Ströme.
Zur gleichen Höhle gelangen
Dido und der trojanische Führer: es geben sowohl die Erdgöttin als
auch Juno, die Brautführerin, das erste Zeichen; es strahlt der Blitz,
Aether ist Zeuge des Ehebundes und vom hohen Gipfel heulen die Nymphen.
Jener Tag war des Todes und Unheils
erste Ursache; nicht von Ansehen oder Ruf bewegt und schon nicht mehr heimlich
denkt Dido nämlich an die Liebe: Ehe, nennt sie sie und versucht durch
diesen Namen die Schuld zu verdecken.
Das Gerücht von der
Verbindung Didos und Aeneas verbreitet sich rasch.
Das
Gerücht geht um
Sogleicht geht durch Lybiens
große Städte Fama; Fama, ein Unheil, schneller als irgendein anderes.
Durch Beweglichkeit ist sie stark und Kräfte erwirbt sie beim Gehen; durch
die Furcht ist sie zuerst klein, bald erhebt sie sich in die Lüfte, sie
schreitet auf dem Boden einher und birgt das Haupt in den
Wolken.
Jene brachte Mutter Erde, vom Zorn
der Götter gereizt, wie man sagt, als letzte Schwester Koios und Enkeladus
zur Welt, ein abscheuliches Monster mit schnellen Füßen und flinken
Flügeln, so überaus groß, das am Körper ebenso viele
Federn, wie wachsame Augen darunter hat, so viele Zungen und ebenso viele
Münder erklingen, so viele Ohren richtet sie auf.
Nachts fliegt sie in der Mitte
zwischen Himmel und Erde durch die Schatten, zischend, und nie senkt sie die
Augen zum lieblichen Schlaf; Tagsüber sitzt sie entweder auf dem hohen
Gibel eine Hauses oder auf einem hohen turm und versetzt die großen
Städte in Schrecken. Die Verkünderin hält ebenso am Erfundenen
und Schlechten, als auch an der Wahrheit fest. Da erfüllte diese voll
Freude das Volk mit vielfachem Gerede und Geschehenes wie auch Ungeschehenes
verkündete sie zugleich: Aeneas sei gekommen, von trojanischem Blute
abstammend, mit dem schönen Mann geruhe Dido sich zu vermählen;
Angenehm verbringen sie den Winter, der lange dauern wird, nun, ohne
Rücksicht auf die Staatsgeschäfte und von der Leidenschaft des
Schändlichen ergriffen.
Und schon bestrahlte die
safranfarbene Aurora mit neuem Licht die Länder, als sie das rötliche
Bett des Tithonus verließ. Sobald die Königin vom Wachturm zuerstdas
Licht hell werden sah und sobald sie die Flotte mit den gleich ausgerichteten
Segeln auslaufen sah und sobald sie die Küste und den Hafen leer und ohne
Ruderer bemerkte, schlug sie dreimal und viermal mit der Hand die hübsche
Brust und raufte die blonden Haare: "Bei Jupiter", sprach sie, "dieser Fremde
wird gehen und wird sein Spiel mit unserer Königsmacht getrieben haben?
Wird man nicht die Waffen ergreifen, aus der ganzen Stadt folgen und die anderen
Schiffe vom Dock losreißen? Geht, bringt mir schnell Feuer, setzt die
Segel, treibt die Ruder an! Was sage ich da und wo bin ich? Welch Wahnsinn
verändert meine Sinne? Unglückliche Dido, jetzt erst rühren dich
deine gottlosen Taten. Damals hätte es sich geziemt, als du ihm die Macht
geben wolltest. So schauen Handschlag und Treueversprechen dessen aus, von dem
man sagt er trage die ererbten Penaten mit sich und habe den auf Grund des
Alters geschwächten Vater auf die Schulten genommen! Hätt ich nicht
den fortgerafften Körper zerreißen und ihn über die Wellen
ausstreuen können? Hätt ich nicht seine Gefährten und selbst
Ascanius vernichten und den Sohn auf die väterlichen Tische zum Verspeisen
legen können? Doch wäre der Erfolg des Kampfes ungewiss gewesen: mag
er es auch gewesen sein.
Vor wem hätte ich, die ich
sterben werde, Angst haben sollen? Ich hätte Fackeln ins Schiffslagre
werfen, die Verdecke der schiffe mit Flammen erfüllen, den Sohn und den
Vater mit der ganzen Brut auslöschen und mich selbst den Flammen
übergeben sollen.
Sonnengott, der du mit den Flammen
alle Werke auf Erden beleuchtest, Juno, du Vermittlerin dieser Sorgen und
Mitwisserin, du Hekate, die du in der Nacht in den Städten an Weggabelungen
unter Geheul angerufen wirst, ihr schrecklichen Diren und ihr Götter der
sterbenden Elissa, vernehmt diese Worte und wendet gebührende
Aufmerksamkeit auf meine Leiden und erhört unsre Bitten! Wenn er unbedingt
sein muss, dass der abscheuliche Mensch den Hafen erreicht und zu den
Ländern segelt und Jupiters Schicksalssprüche es so verlangen, dann
steht dieses Endziel fest!
Er möge doch im Krieg und im
Gefecht mit einem kühnen Volk gequält sein, verbannt aus seinem Land,
entrissen aus der Entarmung des Julius; er soll Hilfe anflehen, den
unwürdigen Tod der seinen sehen, weder das erwünschte Leben noch sein
Reich genießen wenn er sich unter die Gestzte eines ungleichen Friedens
gebeugt haben wird, frühzeitig soll er unbegraben mitten auf dem Sand der
Wüste sterben.
Das erbitte ich mit meinem Blut
gieße ich diese letzten Worte aus. Dann quält ihr, oh Tyrer, die
Nachkommenschaft und das ganze künftige Volk mit eurem Hass und diese
Totenopfer für unsre Asche. Keine Liebe und kein Bündnis soll unter
den Völkern sein.
Als Rächer sollst du dich, wer
auch immer du bist, aus unsren Knochen erheben um mit Fackel und Schwert die
trojanischen Siedler zu verfolgen, jetzt, einst und wann auch immer sich die
Kräfte bieten werden. Ich bitten um Küsten, die den Küsten,
Wellen, die den Fluten und Waffen, die den Waffen entgegengestzt sind - sie
selbst und auch ihre Enkel sollen kämpfen.
Und verwirrt und rasend durch das
furchtbare Vorhaben stürzt Dido die geröteten Augen rollend, die
zitternden Wangen übersät mit Flecken, bleich durch den bevorstehenden
Tod in den inneren Hof des Palastes, besteigt rasend den hohen Scheiterhaufen
und zieht aus der Scheide das trojanische Schwert, ein Geschenk, nicht für
diesen Zweck erworben.
Hier, nachdem sie die trojanischen
Gewänder und das beknnte Bett erblickt hatte, ein wenig in Tränen und
im Denken verweilend, legt sie sich auf die Polsterauflage und spricht ihre
letzten Worte: "Süße Kleider, so lange das Schicksal und Jupiter es
zuließen, nehmt dieses Leben auf und erlöst mich von diesen Sorgen.
Ich habe gelebt und meinen Lauf vollendet, den mir Fortuna gegeben, und nun wird
mein großes Schattenbild in die Unterwelt gehen.
Ich habe eine hochberühmte
Stadt, ich meine Mauern errichtet, den Mann gerächt und am feindlichen
Bruder Strafe vollzogen. Glückliche, ach allzu glückliche, wenn die
trojanischen Schiffe nur niemals unsere Küsten erreicht
hätten!"
So sprach sie und, den Mund auf die
Polsterauflage gedrückt, fuhr sie fort: "Wir werden ungerächt sterben,
aber ich will sterben. So, so ist es willkommen in die Unterwelt zu gehen. Der
grausame Trojaner soll dieses Feuer mit den Augen in sich aufnehmen von hoher
See aus und die Vorzeichen meines Todes soll er mit sich nehmen." So sprach sie
und die Begleiter sehen jene, während sie Worte aussprach wie sie sich in
das Schwert stürtzte, sehen, das von Blut schäumende Schwert und die
blutbespritzten Hände. Das Geschrei geht in den hohen Palast und das
Gerücht rast durch die erschütterte Stadt.
VI,
Anchises kündigt die Helden der röm. Geschichte
an
756-766
Nun los, ich werde darlegen, dass
dem dardanischen Geschlecht künftig Ruhm zu Teil werden wird, welche Enkel
aus dem italischen GEschlecht bleiben, die berühmten Geister, die unsre
Namen tragen werden und ich werde dich dein Schicksal lehren. Jenen jungen Mann,
den du dort siehst, der sich auf eine einfache Lanze stützt, hält den
nächstgelegenen Platz zu der Oberwelt in der Reihenfolge inne, als Erster
vermischt mit italischem Blut wird er sich zu den himmlischen Lüften
erheben; Silvius, ein albanischer Name, dein spätgeborener Sproß, den
dir die Gattin Lavinia, wenn du schon alt bist, gebären wird, als den
König über die Wälder und Vater der Könige, von wo aus unser
Geschlecht über Alba Longa regieren wird.
788-790
Wende nun beide Augen hierher, sieh
die Römer. Hier ist Caesar und die Nachkommenschaft des Julius, der es
bestimmt ist zum großen Himmelsgewölbe zu kommen.
791-800
Dies ist der Mann, von dem du
hörst, dass dieser dir schon öfter versprochen wurde, Augustus Caesar,
ein Nachkomme des göttlichen Caesar, der das goldene Zeitalter
gründen, in Latien über die Länder, die von Saturn regiert worden
sind, herrschen und das Reich über die Garamanten und Inder hinaus
ausdehnen wird: die Erde liegt außerhalb der Sternbilder, außerhalb
des Laufes des Jahres und der Sonne, wo der Himmelsträger Atlas das
Himmelsgewölbe, das mit glühenden Sternen geschmückt ist, auf
seiner Schulter kreisen lässt. In Erwartung seiner Ankunft erschaudern
schon jetzt sowohl die kaspischen Reiche vor den Orakelsprüchen der
Götter als auch das mäotische Land, und bebend sind die Mündungen
des siebenarmigen Nils in Unruhe.
Anchises
gibt Aeneas den Sendungsauftrag für seine Nachfahren
874-853
Wenn auch andere lebensechte
Statuen aus Bronze eleganter anfertigen werden, so glaube ich freilich, wenn
auch andere lebende Gestalten aus Marmor schaffen, Prozessreden besser halten,
mit dem Stab die Bahnen der Gestirne beschreiben und wenn andere die aufgehende
Sonne besser erklären werden: Du, Römer, denke daran die Völker
zu beherrschen durch deine Macht, das werden deine Stärken sein, den
Frieden in geordnete Bahnen zu lenken, die Unterworfenen zu verschonen und die
Stolzen zu bezwingen.
XII,
Der Zweikampf zwischen Turnus und Aeneas
887-890
Der gewaltige Aeneas stürmt an
und schwingt die baumlange Waffe und so spricht er mit grimmigem Gemüt:
"Was hält uns noch auf? Und warum, Turnus, zögerst du schon? Nicht im
Wettlauf, sondern mit wilden Waffen müssen wir gegeneinander
kämpfen....
891-907
Wende dich ganz meinem Gesicht zu
und biete auf was auch immer du an Mut oder an List hast; wünsche den hohen
Sternen mit Flügeln zu folgen, dich in der hohlen Erde zu
verbergen.
Jener, das Haupt schüttelnd
sagt: "Sie schocken mich nicht, deine wutentbrannten Worte, du Wütender;
die Götter schrecken mich und der Feind Jupiter." Und er sprach nicht mehr
Worte, er blickt sich um und sieht einen gewaltigen Felsen, einen alten
gewaltigen Felsen, der zufällig auf dem Feld lag, als Grenze für den
Acker gesetzt, der aufgestellt war, damit er den Streit für das
Gelände entscheide. Kaum würden jene zwei mal sechs Männer,
beschaffen, wie sie die Erde jetzt hervorbringt, auf den Nacken heben
können; jener Held, sich höher aufrichtend und durch Laufen
angetrieben, schleuderte gegen den Feind den mit der Hand aufgenommenen Felsen.
Aber er erkennt sich im Laufen selbst nicht, nicht im Gehen, und wie er mit der
Hand den Felsen aufhebt und bewegt; die Knie schwanken, das eisige Blut
erstarrt. Da wälzt sich der Stein, der durch die leere Luft geflogen war,
nicht den ganzen Zwischenraum und übertrug nicht einen
Treffer.
908-918
Und gleich wie im Schlaf, sobald
die träge Ruhe die Augen in der Nacht schwermachte, scheinen wir vergeblich
begierig einen Lauf unternehmen zu wollen und wir sinken inmitten der Versuche
auf dem Feld nieder; keine Sprache gilt, in keinem gewohnten Körper bieten
sich die Männer dar und weder Laut noch Wort gehorchen: So verneinte die
grausame Göttin den Erfolg des Turnus, wo immer er den Weg durch die
Tapferkeit erbat. Da werden die verschiedenen Gefühle im Herzen
durcheinander gewogt;
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