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Kernenergie

 

Kernenergie ist die Energie, die bei der Spaltung oder Verschmelzung von Atomkernen freigesetzt wird. Die Energiemengen, die sich aus Kernumwandlungen gewinnen lassen, übertreffen bei weitem die Mengen, die mit Hilfe anderer, konventioneller Verfahren erhältlich sind. Prinzipiell wird Kernenergie beim radioaktiven Zerfall, bei der Kernspaltung oder bei der Kernfusion frei. Die Freisetzung äußert sich dabei in Form von schnell bewegten Teilchen (z. B. Alphateilchen) und in Form von Strahlung (z. B. Gammastrahlung). Bei diesem Vorgang entsteht Wärme, die man dann zur Erzeugung von Wasserdampf nutzt. Mit Hilfe des Dampfes werden in anschließenden Schritten Dampfturbinen angetrieben und auf diese Weise elektrischer Strom gewonnen. In bestimmten Fällen wird der Wasserdampf auch direkt für großtechnische Prozesse verwendet. Die Kernenergiegewinnung erfolgt in Kernkraftwerken bzw. Kernreaktoren (s. u.). Außerdem setzt man kleine Kernreaktoren beispielsweise auch zur Energieversorgung von Raumstationen (Weltraumforschung: Raumstationen) und Satelliten ein.

 

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Das Atom

Nach einem einfachen Modell besteht die Grundstruktur von Atomen aus einem positiv geladenen Kern und einer negativ geladenen Atomhülle. Der Atomkern setzt sich aus den massereichen Nukleonen zusammen, den positiv geladenen Protonen und den elektrisch neutralen Neutronen. Er macht fast die gesamte Masse des Atoms aus. Im Gegensatz dazu sind die Elektronen der Atomhülle eher massearm. Die Nukleonen des Kernes werden durch starke Kernkräfte zusammengehalten. Dabei handelt es sich um starke Wechselwirkungen mit kurzer Reichweite, die sowohl zwischen gleichartigen Nukleonen (z. B. Proton-Proton-Wechselwirkungen), als auch zwischen unterschiedlichen Nukleonen (z. B. Proton-Neutron-Wechselwirkungen) wirken. Diese Wechselwirkungen sind viel größer als die Kräfte, die die Elektronen an den Kern binden. Die Ordnungszahl Z gibt die Zahl der Protonen in einem Kern an, während die Massenzahl A eines Kernes die Zahl der Nukleonen ist, also der Neutronen und Protonen. Die Zahl der Protonen in einem Atom ist gleich der Zahl der Elektronen und repräsentiert jeweils ein Element oder eine Atomart. Ein Element kann unterschiedlich viele Neutronen besitzen: Das sind die Isotope oder Atomsorten. Ein Kern wird mit " k symbolisiert. Der Ausdruck ~U steht z. B. für das künstliche Isotop Uran 235.

Die Bindungsenergie eines Kernes ist ein Maß dafür, wie stark seine Neutronen und Protonen von den Kernkräften zusammengehalten werden. Die Bindungsenergie pro Nukleon, also die Energie, die benötigt wird, um ein Neutron oder ein Proton aus dem Kern zu entfernen, stellt eine Funktion der Massenzahl A dar. Das begleitende Diagramm zeigt die (vereinfachte) Modellkurve der Bindungsenergie. Dabei ist es so, dass ein Kern um so stabiler ist, je höher seine Bindungsenergie ist, d. h. je höher seine Position in der Kurve ist. Ein Prozess in Richtung auf das Maximum (bei A = 40) der Kurve setzt Energie frei, also sowohl die Fusion (Verschmelzung) zweier leichter Kerne (links vom Maximum) zu einem schwereren Kern wie auch umgekehrt die Spaltung eines schweren Kernes (rechts vom Maximum) in zwei leichtere, stärker gebundene Kerne. Aus Kernfusionen gewinnen auch Sterne, wie z. B. die Sonne, ihre Energie.

Wenn sich z. B. zwei schwere Wasserstoffkerne, so genannte Deuterone (fH), in der Reaktion

vereinigen und einen Helium-3-Kern und ein freies Neutron (bn) bilden, werden 3,2 Megaelektronenvolt bzw. 5,1 × 10–13 Joule Energie frei. Auch bei der Spaltung eines schweren Kernes wie z. B. ~U wird Kernenergie frei. Auslöser bei diesem Vorgang ist die Aufnahme eines Neutrons, wie z. B. in

wobei Cäsium 140, Rubidium 93 und drei Neutronen entstehen. Die freigesetzte Energiemenge liegt bei 200 Megaelektronenvolt bzw. 3,2 × 10–11 Joule. Eine Kernspaltung setzt zehn Millionen Mal soviel Energie frei wie eine chemische Reaktion.

 

Energie aus Kernspaltung

Die beiden wesentlichen Merkmale der Kernspaltung, die für die Freisetzung von Kernenergie in der Praxis von Bedeutung sind, gehen aus der Gleichung 2 (s. o.) hervor. Erstens ist die Energie pro Kernspaltung sehr groß. In praxisnahen Einheiten ausgedrückt, bedeutet dies, dass die Spaltung von einem Kilogramm Uran 235 18,7 Millionen Kilowattstunden Energie freisetzt. Zweitens setzt der Spaltvorgang, der durch die Aufnahme eines Neutrons in das Uran-235-Atom in Gang gesetzt wurde, durchschnittlich etwa 2,5 Neutronen aus dem gespaltenen Kern frei. Die so freigesetzten Neutronen lösen unverzüglich die Spaltung weiterer Atome aus. Dadurch werden vier oder mehr zusätzliche Neutronen frei, und es beginnt eine sich selbst erhaltende Folge von Kernspaltungen, eine Kettenreaktion, die ständig Kernenergie freisetzt.

Natürlich vorkommendes Uran enthält nur 0,71 Prozent leicht spaltbares Uran 235; der Rest ist das nicht spaltbare Isotop Uran 238. Natürliches Uran kann daher von selbst keine Kettenreaktion unterhalten. Die Wahrscheinlichkeit ist äußerst gering, dass ein durch Kernspaltung freigesetztes Neutron mit seiner anfänglichen Energie von ungefähr 1 Megaelektronenvolt eine Kernspaltung auslöst. Die Wahrscheinlichkeit kann jedoch um das Hundertfache und mehr gesteigert werden, wenn das Neutron durch eine Reihe von elastischen Kollisionen mit leichten Kernen wie Wasserstoff, Deuterium oder Kohlenstoff abgebremst wird. Dies ist sozusagen die Basis für die Gewinnung von Kernenergie.

Im Dezember 1942 gelang dem italienischen Physiker Enrico Fermi im Rahmen des "Manhattan-Projekts" zur Herstellung von Atombomben die Auslösung der ersten nuklearen Kettenreaktion. Er verwendete dazu als Brennsubstanz natürliches Uran und als Bremssubstanz (Moderator) Graphit. (Zur Kernfusion, die technisch zur Energiegewinnung noch nicht genutzt wird, siehe den Abschnitt am Ende dieses Artikels.)

 

Kernreaktoren

 

Die ersten großen Kernreaktoren wurden 1944 in den USA zur Gewinnung von Plutonium für den Bau von Atombomben errichtet. Auch hier war der Brennstoff natürliches Uran, der Moderator (die Bremssubstanz) Graphit. In diesen Anlagen wurde durch die Vereinigung von Neutronen mit Uran 238 das Element Plutonium hergestellt. Die dabei entstehende Wärme wurde nicht genutzt.

Elektrischer Strom aus Kernkraftwerken machte 1973 weltweit erst ein Prozent des Primärenergieverbrauchs aus, 1985 war der Anteil auf elf Prozent angewachsen. Der Anteil der Kernenergie an der gesamten Stromerzeugung lag 1988 in der Bundesrepublik bei 34 Prozent. 1990 waren in Deutschland 23 Kernkraftwerke in Betrieb.

 

Reaktortypen

Eine Vielfalt von Reaktortypen, die durch die Art des verwendeten Brennstoffs, Moderators und Kühlmittels charakterisiert werden können, hat man im Lauf der Entwicklung dieser Technik weltweit für die Erzeugung von elektrischem Strom gebaut. In Deutschland sind Siedewasser-, Druckwasser- und Hochtemperaturreaktoren in Betrieb. Man unterscheidet ferner nach dem Zweck Leistungsreaktoren zur Energieerzeugung, Produktionsreaktoren zur Gewinnung von waffenfähigem Plutonium oder Uran sowie Forschungsreaktoren. Meist wird als Kernbrennstoff Uranoxid verwendet, das auf etwa drei Prozent Uran 235 angereichert ist. Als Moderator und Kühlmittel zugleich kann dann Wasser (mit gewöhnlichem Wasserstoff) eingesetzt werden. Reaktoren dieses Typs werden als Leichtwasserreaktoren bezeichnet. Reaktoren, die nicht angereichertes Natururan "verbrennen", können kein gewöhnliches Wasser als Moderator verwenden. In diesem Fall würden zu viele Neutronen durch das normale Wasser absorbiert werden und so die Kettenreaktion abbrechen. In diesen Reaktortypen wird mit reinem Graphit oder so genanntem Schwerem Wasser (Deuteriumoxid) D2O – also mit dem Isotop Deuterium anstelle von Wasserstoff – moderiert. Aufgrund dessen bezeichnet man sie auch als Schwerwasserreaktoren.

Im so genannten Druckwasserreaktor (z. B. Brockdorf, Biblis, Stade) steht das Kühlwasser unter einem Überdruck von etwa 150 Atmosphären. Das Kühlwasser wird durch den Reaktorkern gepumpt und dort auf 325 °C erhitzt. Das auf diese Weise überhitzte Wasser (es kann aufgrund des Überdruckes nicht sieden) wird anschließend durch einen Dampfgenerator gepumpt, wo mit Hilfe von Wärmetauschern in einem Sekundärkreis Wasser erhitzt und in Dampf umgewandelt wird. Dieser Dampf treibt über Turbinen Generatoren an und kondensiert zu Wasser, das zurück zum Dampfgenerator gepumpt wird. Der Sekundärkreis ist vom Kühlwasser des Reaktors getrennt und daher nicht radioaktiv. Ein dritter Wasserstrom, gespeist von einem Fluss oder einem Kühlturm, dient der Dampfkondensation. Ein typischer Reaktordruckbehälter ist 15 Meter hoch und hat einen Durchmesser von fünf Metern. Seine Wandstärke beträgt 25 Zentimeter. Der Reaktorkern enthält etwa 82 Tonnen Uranoxid, das sich in dünnen, korrosionsbeständigen Röhren befindet, die zu Bündeln zusammengefasst sind.

Im Siedewasserreaktor (z. B. Würgassen, Gundremmingen) wird das Kühlwasser unter etwas geringerem Druck gehalten, so dass es im Reaktorkern siedet. Der im Reaktordruckbehälter entstehende Dampf wird direkt zur Turbine des Generators geleitet, kondensiert dann und wird zum Reaktor zurückgepumpt. Der Dampf ist dabei zwar radioaktiv, aber es gibt keinen Wärmetauscher zwischen Reaktor und Turbine, der den Wirkungsgrad verringert. Wie beim Druckwasserreaktor ist das Kühlwasser des Kondensators von diesem Kreislauf getrennt. Beim Hochtemperaturreaktor (z. B. Jülich, Hamm-Uentrop) dient Graphit als Moderator und Helium als Kühlmittel.

Die Betriebsleistung eines Reaktors wird von Messgeräten für Temperatur, Strömung und nukleare Vorgänge überwacht. Die Leistung wird durch das Einbringen oder Entfernen von neutronenabsorbierenden Steuerstäben im Reaktorkern gesteuert. Die Lage dieser Stäbe bestimmt das Leistungsniveau, bei dem die Kettenreaktion von selbst abläuft.

Während des Betriebs und nach seiner Stilllegung enthält ein Reaktor mit einer Leistung von 1 Gigawatt Radioaktivität in der Größenordnung von mehreren Milliarden Curie. Die Radioaktivität, die der Reaktor während seines Betriebs abstrahlt, und die Spaltprodukte, die nach seiner Stilllegung zurückbleiben, werden von Betonwänden und meist einer zusätzlichen Hülle aus Stahlbeton um den Reaktor und um das Primärkühlsystem absorbiert. Eine weitere Sicherheitseinrichtung ist das Notkühlsystem, das bei einem Ausfall des Hauptkühlsystems ein Überhitzen des Reaktorkernes verhindern soll.

Obwohl sich Anfang der achtziger Jahre in den Vereinigten Staaten über 100 Kernkraftwerke in Betrieb oder in Bau befanden, blockierten nach dem Unfall von Three Mile Island (s. u.) Sicherheitsbedenken und wirtschaftliche Faktoren jeden weiteren Ausbau der Kernenergie in den USA. Seit 1978 wurden keine Kernkraftwerke mehr in Auftrag gegeben, und einige fertiggestellte Anlagen erhielten keine Betriebserlaubnis. 1990 wurden etwa 20 Prozent des elektrischen Stromes in den Vereinigten Staaten von Kernkraftwerken erzeugt, in Frankreich stammten fast drei Viertel des Stromes aus Kernkraftwerken. Das kanadische System der Deuterium-Uran-Reaktoren (CANDU) funktioniert mit seinen 20 Reaktoren zufriedenstellend. Ähnliche Anlagen wurden auch in Indien, Argentinien und anderen Ländern gebaut.

In Großbritannien und Frankreich wurden die ersten großen Kraftwerksreaktoren mit Stangen aus natürlichem Uranmetall als Brennstoff betrieben, wobei als Moderator Graphit und als Kühlmittel unter Druck stehendes Kohlendioxid verwendet wurde. Diese ursprüngliche Bauweise wurde in Großbritannien durch ein System ersetzt, das angereichertes Uran als Brennstoff verwendet, und ein verbesserter gasgekühlter Reaktortyp wurde eingeführt. Der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung beträgt dort derzeit fast ein Viertel. In Frankreich wurde der ursprüngliche Reaktortyp durch den Druckwasserreaktor amerikanischer Bauart ersetzt, als angereichertes Uran zur Verfügung stand. Russland und die anderen Nachfolgestaaten der UdSSR haben ein großes Kernenergieprogramm aufgelegt, das auf graphitmoderierten und Druckwassersystemen beruht. Weltweit befanden sich Anfang der neunziger Jahre 120 Kernkraftwerke in Bau.

 

Antriebsreaktoren

Kernreaktoren werden u. a. auch als Antrieb für große Schiffe, z. B. für Flugzeugträger, verwendet. Diese Aggregate sind meistens ähnlich konstruiert wie der Druckwasserreaktor. Reaktoren für den Antrieb von U-Booten (Unterseeboot: Atomare Unterseeboote) sind in der Regel kleiner und verwenden höher angereichertes Uran, um einen kompakteren Reaktorkern zu ermöglichen.

 

Forschungsreaktoren

In vielen Ländern sind kleinere Kernreaktoren gebaut worden, die für Ausbildungs- und Forschungszwecke verwendet werden oder radioaktive Isotope produzieren. Diese Reaktoren arbeiten in der Regel im Leistungsbereich von 1 Megawatt und können leichter angefahren und abgeschaltet werden als größere Reaktoren.

Ein weit verbreiteter Typ ist der so genannte "Swimmingpoolreaktor". Der Kern besteht aus teilweise oder vollständig angereichertem Uran 235, das in Platten aus Aluminiumlegierung enthalten ist, die sich in einem großen Wasserbecken befinden, das gleichzeitig als Kühlmittel und als Moderator dient. Materialien können zum Beschuss mit Neutronen direkt im Reaktorkern oder in dessen Nähe angebracht werden. So können verschiedene radioaktive Isotope für die Verwendung in der Medizin, der Forschung und der Industrie produziert werden. Mit Hilfe von Strahlenröhren können auch Neutronen aus dem Kern entnommen und für Experimente verwendet werden.

 

Brutreaktoren

Die weltweiten Vorräte an Uran, dem natürlichen Rohstoff, auf dem die Kernenergie beruht, sind begrenzt. Ein gewöhnliches Kernkraftsystem hat zudem eine relativ kurze Lebensdauer und einen sehr schlechten Wirkungsgrad: Nur etwa ein Prozent des Energiegehalts des Urans wird in einem solchen System genutzt.

Daraus resultiert das Interesse an Brutreaktoren, die mehr Kernbrennstoff produzieren, als sie verbrauchen. Erreicht wird dies durch die Abgabe von Neutronen an ein Ausgangsmaterial. Das Brüterverfahren, dem weltweit die größte Aufmerksamkeit geschenkt wird, benutzt Uran 238 als Ausgangsmaterial. Wenn Uran 238 im Reaktor Neutronen aufnimmt, wird es in das spaltbare Plutonium umgewandelt. Dieser nukleare Vorgang wird als b-(Beta-)Zerfall bezeichnet. Die Abfolge der Kernreaktionen ist

Beim Betazerfall zerfällt ein Neutron in ein Proton und ein Betateilchen.

Wenn Plutonium 239 seinerseits ein Neutron aufnimmt, kann es zerfallen, wobei durchschnittlich ungefähr 2,8 Neutronen freigesetzt werden. Beim Reaktorbetrieb wird eines dieser Neutronen benötigt, um die nächste Spaltung auszulösen und die Kettenreaktion zu erhalten. Durchschnittlich gehen etwa 0,5 Neutronen durch Absorption in der Reaktorkonstruktion oder im Kühlmittel verloren. Die verbleibenden 1,3 Neutronen können vom Uran 238 aufgenommen werden und gemäß den Reaktionen in Gleichung 3 Plutonium produzieren.

Das Brüterverfahren, für das der größte Entwicklungsaufwand betrieben wurde, ist der mit flüssigem Natrium als Kühlmittel arbeitende so genannte "schnelle Brüter". Um die Produktion von Plutonium 239 zu maximieren, muss die Geschwindigkeit der Neutronen, die die Spaltung verursachen, hoch gehalten werden – auf oder nahe der ursprünglichen Freisetzungsenergie. Moderatoren, die wie Wasser die Neutronen abbremsen, können im Reaktor nicht verwendet werden. Flüssiges Natrium hat sehr gute Eigenschaften bezüglich der Wärmeübertragung. Es schmilzt bei 98 °C und siedet erst bei 883 °C. Im schnellen Brüter wird es auf einer Temperatur von 500 °C gehalten. Seine Hauptnachteile sind seine Reaktionsfreudigkeit mit Luft und Wasser und seine radioaktive Belastung im Kreislauf.

Die schnellen Brüter, die mit flüssigem Natrium arbeiten, produzieren etwa 20 Prozent mehr Brennstoff, als sie verbrauchen. In einem großen Kernreaktor wird innerhalb von 20 Jahren genügend überschüssiger Brennstoff für das Beschicken eines anderen Reaktors gleicher Leistung produziert. In diesem Reaktortyp werden etwa 75 Prozent des Energiegehalts von natürlichem Uran genutzt. Im Leichtwasserreaktor hingegen ist es nur ein Prozent.

Die Entwicklung des mit flüssigem Metall arbeitenden schnellen Brüters begann in den Vereinigten Staaten vor 1950 mit dem Bau des ersten experimentellen Brüterreaktors EBR-1. Ein größeres amerikanisches Programm am Clinch River wurde 1983 gestoppt. Nur die Forschungsarbeiten werden weiter betrieben. In Großbritannien, Frankreich, Russland und anderen Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR wurden Brutreaktoren in Betrieb genommen. Forschungen auf dem Gebiet werden in Deutschland und Japan betrieben.

Bei einem Typ des großen schnellen Brüters, der mit flüssigem Metall arbeitet, besteht der Reaktorkern aus Tausenden von dünnen Edelstahlröhren, die als Brennstoff ein Gemisch aus Uran und Plutoniumoxid enthalten: ungefähr 15 bis 20 Prozent Plutonium 239, der Rest ist Uran. Um den Kern herum gibt es einen als Brüterdecke bezeichneten Bereich, der ähnliche Röhren enthält, die nur mit Uranoxid gefüllt sind. Kern und Decke sind zusammen etwa drei Meter hoch und haben einen Durchmesser von ungefähr fünf Metern. Sie befinden sich in einem großen Behälter, der flüssiges Natrium enthält, das den Reaktor auf einer Temperatur von ungefähr 500 °C hält. Dieser Behälter enthält auch die Pumpen und Wärmetauscher, die für den Abtransport der Wärme aus dem Kern sorgen. Die Dampferzeugung erfolgt in einem zweiten Natriumkreislauf, der vom radioaktiven Reaktorkühlkreislauf durch die zwischengeschalteten Wärmetauscher im Reaktorbehälter getrennt ist. Das gesamte Reaktorsystem ist in einem großen Gebäude aus Stahlbeton untergebracht.

Die erste große Anlage dieses Typs für die Erzeugung von elektrischem Strom ging 1984 in Frankreich unter der Bezeichnung "Superphénix" in Betrieb. Eine mittelgroße Anlage, die BN-600, wurde zum Zweck der Energiegewinnung und Wasserentsalzung am Ufer des Kaspischen Meeres gebaut. Ein Prototyp mit 250 Megawatt Leistung steht in Schottland. Das deutsche Projekt eines schnellen Brüters in Kalkar wurde 1991 gestoppt.

 

Kernbrennstoffe und Abfallprodukte

 

Herstellung und Verbrauch des Kernbrennstoffs

Uran wird bergmännisch gewonnen, das Erz gemahlen und angereichert und dann zu einer Verarbeitungsanlage transportiert, wo aus Uran das Gas Uranhexafluorid UF6 hergestellt wird. In einer Anlage zur Isotopenanreicherung wird das Gas durch eine poröse Trennschicht gepresst, wobei das leichtere Uran 235 die Trennschicht leichter durchdringt als Uran 238. Bei diesem Vorgang erfolgt eine Anreicherung von 0,7 auf rund drei Prozent Uran 235. Das zurückbleibende Uran enthält etwa 0,3 Prozent Uran 235. Das angereicherte Produkt kommt in eine Brennstofffabrik, wo aus dem UF6-Gas Uranoxidpulver hergestellt wird, das zu keramischen Tabletten gepresst wird, die dann in korrosionsbeständige Röhren gefüllt werden. Diese werden zu Brennelementen zusammengefasst und in die Kraftwerke gebracht (Uran: Gewinnung).

Ein durchschnittlicher 1 000-Megawatt-Druckwasserreaktor besitzt etwa 200 Brennelemente, von denen jedes Jahr etwa ein Drittel wegen Erschöpfung des Uran 235 und der Bildung von neutronenabsorbierenden Spaltprodukten ersetzt wird. Nach seiner Nutzung im Reaktor ist der Brennstoff aufgrund der in ihm enthaltenen Spaltprodukte hoch radioaktiv und erzeugt daher noch eine große Menge Energie. Die entnommenen Brennelemente werden mindestens ein Jahr lang in Wasserbecken auf dem Reaktorgelände gelagert.

 

Wiederaufbereitung von Brennstoffen

Die Brennstoffe, die in Kernreaktoren verwendet werden, sind wegen ihrer Strahlung hoch gefährlich. Dies gilt insbesondere für verbrauchte Brennstoffe, die zwischen- und endgelagert werden müssen. Nach einer Abkühlzeit werden die abgebrannten Brennelemente entweder gleich in Endlager oder erst in Wiederaufarbeitungsanlagen gebracht. Der verbrauchte Brennstoff enthält noch fast das gesamte ursprüngliche Uran 238, ungefähr ein Drittel des Uran 235 und einen Teil des im Reaktor produzierten Plutoniums 239. Bei der Wiederaufbereitung wird das Uran in der Diffusionsanlage wieder gewonnen, und das ebenfalls wieder gewonnene Plutonium 239 kann anstelle von Uran 235 in neuen Brennelementen verwendet werden. Plutonium 239 kann aber auch für die Produktion von Atombomben verwendet werden, weswegen die Wiederaufbereitung politisch umstritten ist. Die Risiken der heimlichen Produktion und unerlaubten Verbreitung von Plutonium 239 für den Bau von Kernwaffen sind groß, wie Fälle von Schmuggel mit waffenfähigem Material immer wieder zeigen. Europäische Wiederaufbereitungsanlagen stehen in La Hague (Frankreich) und in Windscale/Sellafield (Großbritannien), wo auch Deutschland, das keine Anlage besitzt, seine Abfälle behandeln lässt.

Die Wiederaufbereitung von Brennstoffen stellt eine Kombination von Strahlungsrisiken dar. Ein Risiko ist das Entweichen von Spaltprodukten im Fall eines Leckes in der Anlage. Ein weiteres Problem ist die routinemäßige Freisetzung geringer Mengen radioaktiver Isotope der Edelgase Xenon und Krypton.

 

Endlagerung von radioaktivem Abfall

Der letzte Schritt der Brennstoffentsorgung ist die Endlagerung der hoch radioaktiven Abfälle, die wegen ihrer langen Halbwertszeiten über Tausende von Jahren für Lebewesen gefährlich bleiben. Bisherige Planungen technischer Anlagen bewegten sich stets, was die Garantie ihrer Funktionsfähigkeit betrifft, in sehr viel kürzeren Zeiträumen. Allein deshalb können alle vorgeschlagenen Lösungen keine völlige Sicherheit garantieren. Der wichtigste Gesichtspunkt ist dabei nicht so sehr die derzeitige Gefahr, sondern die Gefahr für zukünftige Generationen. Die Technologie der Abfallverpackung zur Vermeidung gegenwärtiger Gefahren ist relativ sicher.

Die derzeit favorisierte Lösung sieht eine Umwandlung in stabile Verbindungen vor, die in Keramik oder Glas eingeschlossen und anschließend in Behälter aus rostfreiem Stahl verpackt werden. Für die endgültige unterirdische Lagerung sind nur geologisch langfristig stabile Formationen mit sicherem Abschluss geeignet. Das Problem besteht darin, dass für keinen Ort in der Erdkruste absolute Stabilität sicher vorhersagbar ist. In Deutschland wird die Endlagerung in stillgelegten Salzbergwerken (Gorleben) diskutiert.

Im Brennstoffkreislauf der schnellen Brüter wird das im Reaktor erzeugte Plutonium zu neuem Brennstoff aufbereitet. Der Rücklauf an die Brennelementefabrik besteht aus wieder gewonnenem Uran 238, Uranrückständen aus dem Lager der Isotopentrennanlage und einem Teil des wieder gewonnenen Plutoniums 239. Es muss kein zusätzliches Uran gefördert werden, da der Lagerbestand viele Brüter über Jahrhunderte versorgen könnte. Da Brüter mehr Plutonium 239 produzieren, als sie für ihre eigene Brennstoffversorgung benötigen, werden etwa 20 Prozent des wieder gewonnenen Plutoniums für die spätere Verwendung bei der Inbetriebnahme neuer Brüter auf Lager gelegt.

 

Kernkraftsicherheit

In den fünfziger Jahren wurde die Kernenergie als Lieferant einer billigen und unerschöpflichen Energie für die Zukunft angesehen. Die Energiewirtschaft hoffte, dass die Kernenergie die knapper werdenden fossilen Brennstoffe ersetzen und die Kosten für elektrischen Strom senken würde. Nach dieser anfänglichen Euphorie wurden Vorbehalte gegen die Kernenergie geäußert, als der Sicherheit der Anlagen und der möglichen Verbreitung von Material für Atomwaffen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde. In den westlichen Industrieländern regte sich bald Widerstand gegen die Kernenergie. Österreich z. B. hat daraufhin sein Kernenergieprogramm (Zwentendorf) abgebrochen, in Deutschland wurde 1989 nach intensiven Protesten das Projekt der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf aufgegeben. Die Kritik an der Nutzung der Kernenergie geht in zwei Richtungen: 1. Auch beim ungestörten Normalbetrieb können radioaktive Stoffe in die Umwelt gelangen, 2. Das beim Betrieb von Kernkraftwerken anfallende Uran 235 und Plutonium 239 kann zur Herstellung von Kernwaffen verwendet werden. Im Prinzip besteht in jedem Stadium vom Uranerzbergbau über die Urananreicherung, die Brennelementeherstellung, im Kernkraftwerk, bei der Wiederaufbereitung bis hin zur Endlagerung die Möglichkeit, dass radioaktives Material in die Umwelt gelangt. Die Belastung durch den Normalbetrieb eines Kernkraftwerkes scheint eher gering zu sein. Weitaus riskanter sind jedoch Katastrophenfälle durch technische Defekte und Bedienungsfehler im Kernkraftwerk, das Risiko von Sabotage, terroristischen Anschlägen oder kriegerischen Angriffen, ferner die nicht mit letzter Sicherheit zu kalkulierenden Risiken der Endlagerung. Der schlimmste denkbare Störfall beim Betrieb eines Kernkraftwerkes ist der so genannte "Größte anzunehmende Unfall" (GAU), für den die Sicherheitssysteme der Anlage ausgelegt sein müssen. Das betrifft vor allem die Notkühlung beim Ausfall der Kühlkreisläufe und die äußere Schutzhülle des Reaktorgebäudes. Das Reaktorunglück von Harrisburg 1979 (s. u.) war ein solcher GAU. Eine nicht mehr beherrschbare Reaktorkatastrophe wie die von Tschernobyl (1986) wird Super-GAU genannt.

Sicherheitsstudien haben wiederholt versucht, das trotz aller Sicherheitsvorkehrungen nicht auszuschließende Risiko abzuschätzen. Die erste dieser Risikoanalysen war der 1975 in den Vereinigten Staaten aufgestellte Rasmussen-Report, der mit einem Reaktorunglück in der Größenordnung einer Kernschmelze (die einem GAU gleichkommt) in 20 000 Reaktorbetriebsjahren rechnete. Deutsche Risikostudien ergaben Zahlen von 10 000 und 33 000 Jahren. Das letztlich nicht vermeidbare, so genannte Restrisiko ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1978 dem Bürger zuzumuten.

Strahlungsrisiken

Radioaktive Strahlung schädigt lebendes Gewebe (Strahlenschäden). Die Einheit des Strahlungsdosisäquivalents im Menschen ist das Sievert (abgekürzt Sv) oder Millisievert und das (heute nicht mehr gebräuchliche) REM (rem), wobei 1 Sv = 100 rem ist. Es ist ein Maß für die Strahlungsmenge, die vom Körper aufgenommen wird, wobei ein Korrekturfaktor für die Art der Strahlung vorgesehen ist, da verschiedene Arten verschieden gefährlich sind. Die Strahlenbelastungen des Menschen schwanken stark, sowohl die natürliche – z. B. abhängig vom geologischen Untergrund – wie die zivilisatorische – berufsbedingt (z. B. Flugpersonal) oder durch medizinische Diagnose und Therapie. Die mittlere natürliche Strahlenbelastung pro Jahr beträgt 1,1 Millisievert, die mittlere zivilisationsbedingte Strahlenbelastung etwa 0,6 Millisievert. Durch die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl kommen noch einmal etwa 0,2 Millisievert hinzu. Arbeiter in der Atomindustrie sind ungefähr 4,5 Millisievert ausgesetzt – etwa der gleichen Dosis wie die Besatzung eines Flugzeuges, die verstärkt kosmischen Strahlen ausgesetzt ist. Im Allgemeinen ist eine Ganzkörperbestrahlung von mehr als 6 Sievert für einen Menschen tödlich – bereits 1 bis 2 Sievert lösen die akute Strahlenkrankheit aus. Nach einer international weitgehend anerkannten Annahme kann eine effektive Äquivalentdosis von 10 Millisievert Krebs bei 10 bis 13 Fällen pro 100 000 Personen auslösen.

Strahlenrisiken können bei den meisten Schritten der nuklearen Brennstoffverwertung auftreten. Radioaktives Radongas verschmutzt gewöhnlich die Luft in Uranbergwerken. Die Bergwerke und Erzmühlen hinterlassen riesige Mengen Abfall mit geringen Urankonzentrationen. Diese Abfälle müssen in wasserdichten Becken gelagert und mit Erde abgedeckt werden, um ihren unkontrollierten Austritt in die Biosphäre zu verhindern.

In Urananreicherungs- und Brennstofffabriken fallen große Mengen des korrosiven Gases Uranhexafluorid UF6 an. Das Strahlungsrisiko ist jedoch gering, und die übliche Sorgfalt, mit der gefährliche Stoffe behandelt werden, reicht aus, um die Sicherheit zu gewährleisten.

Reaktorsicherheitssysteme

In einem in Betrieb befindlichen Reaktor enthalten die Brennelemente den bei weitem größten Teil des gesamten radioaktiven Inventars. Mehrere Sperren verhindern, dass während des normalen Betriebs Spaltprodukte in die Biosphäre entweichen. Der Brennstoff befindet sich in korrosionsbeständigen Röhren. Der schwere Stahlmantel des Primärkühlsystems eines Druckwasserreaktors bildet eine zweite Sperre. Das Kühlwasser selbst absorbiert einige der biologisch wichtigen Isotope, wie z. B. Iod. Das Gebäude aus Stahlbeton stellt eine dritte Barriere dar.

Während des Betriebs eines Kernreaktors ist es trotzdem unvermeidlich, dass radioaktive Stoffe austreten. Die Gesamtbelastung für Menschen, die in der Nähe leben, beträgt gewöhnlich nur wenige Prozent der natürlichen Umgebungsstrahlung. Größere Bedenken kommen jedoch auf, wenn aufgrund von Unfällen, bei denen Brennstäbe beschädigt werden und Sicherheitseinrichtungen ausfallen, Radioaktivität austritt. Die größte Gefahr für die Brennelemente besteht, wenn ein Verlust von Kühlfüssigkeit eintritt, durch den der Brennstoff beschädigt wird oder sogar schmilzt. Dabei treten Spaltprodukte in die Kühlflüssigkeit über, und wenn das Kühlsystem ein Leck hat, gelangen diese ins Reaktorgebäude.

Reaktorsysteme verfügen über hoch entwickelte Instrumente, die ihren Zustand überwachen, die Sicherheitseinrichtungen steuern und den Reaktor bei Störfällen abschalten. Druckwasserreaktoren verfügen über ein zusätzliches Sicherheitssystem, das Bor in die Kühlflüssigkeit einspritzt, welches Neutronen absorbiert und die Kettenreaktion unterbricht, wodurch die Abschaltung sichergestellt wird. Bei Leichtwasserreaktoren steht die Kühlflüssigkeit unter hohem Druck. Im Fall eines großen Rohrbruches würde sich ein großer Teil der Kühlflüssigkeit schlagartig in Dampf verwandeln, und die Kühlung des Reaktorkernes wäre nicht mehr möglich. Um einem Totalausfall der Kühlung des Reaktorkernes vorzubeugen, besitzen die Reaktoren Notkühlsysteme, die ihren Betrieb automatisch aufnehmen, wenn im Primärkühlkreislauf der Druck abfällt. Im Fall eines Dampfaustritts aus dem Primärkühlkreislauf in das Reaktorgebäude werden Sprühkühler in Betrieb gesetzt, die den Dampf kondensieren.

Three Mile Island und Tschernobyl

Trotz der oben beschriebenen Sicherheitseinrichtungen ereignete sich 1979 im Druckwasserreaktor von Three Mile Island in der Nähe von Harrisburg in Pennsylvania (USA) ein Unfall. Ein Wartungsfehler und ein defektes Ventil führten zu einem Unfall durch Kühlwasserverlust. Der Reaktor wurde durch ein Sicherheitssystem abgeschaltet, und das Notkühlsystem nahm kurze Zeit nach Beginn des Unfalls seinen Betrieb auf. Dann wurde jedoch aufgrund menschlichen Versagens das Notkühlsystem abgeschaltet, wodurch es zu einem schweren Schaden im Reaktorkern und zum Austritt von flüchtigen Spaltprodukten aus dem Reaktorbehälter kam.

Am 26. April 1986 beunruhigte ein weiterer ernster Zwischenfall die Welt. Einer der vier Kernreaktoren in Tschernobyl, 130 Kilometer nördlich von Kiew, explodierte und geriet in Brand. Einem offiziellen Bericht zufolge wurde der Unfall durch einen nicht genehmigten Test des Reaktors durch seine Betreiber verursacht. Der Reaktor geriet außer Kontrolle; es gab zwei Explosionen, der obere Teil des Reaktors wurde weggesprengt, der Reaktorkern entzündete sich und brannte bei einer Temperatur von 1 500 °C. Radioaktive Strahlung, die ungefähr 50-mal so stark war wie die in Three Mile Island, schädigte Menschen in der Nähe des Reaktors, und eine Wolke radioaktiven Niederschlags zog nach Westen. Radioaktives Material breitete sich über Skandinavien und Mitteleuropa aus. Im Gegensatz zu Reaktoren in westlichen Ländern hatte der Reaktor von Tschernobyl keine Sicherheitshülle. Ein solches Gebäude hätte möglicherweise das Austreten von radioaktivem Material verhindert. Ungefähr 135 000 Menschen wurden aus einem Gebiet von 1 600 Quadratkilometer Größe evakuiert. Mehr als 30 Menschen starben in kurzer Zeit. Das Kraftwerk wurde einbetoniert (so genannter Sarkophag). 1988 wurden jedoch die drei anderen Reaktoren von Tschernobyl wieder in Betrieb genommen. Auch der Unglücksreaktor ging einige Zeit später – im Teilbetrieb – trotz der Bedenken von westlichen Experten wieder ans Netz. Erst auf dem Atom-Gipfeltreffen im April 1996, an dem die sieben führenden Industriestaaten (G7) sowie Russland und die Ukraine teilnahmen, wurde u. a. beschlossen, den Reaktor von Tschernobyl spätestens im Jahre 2 000 komplett abzuschalten.

 

Kernfusion

 

Kernenergie kann durch die Verschmelzung von zwei leichten Kernen zu einem schwereren freigesetzt werden. In der begleitenden Graphik mit der Bindungsenergiekurve entspricht dem der Bereich links vom Kurvenmaximum. Die Energie, die Sterne abstrahlen, stammt von solchen Fusionsreaktionen in ihrem Inneren.

Eine künstliche Kernfusion wurde erstmals in den dreißiger Jahren durchgeführt, indem ein Ziel, das Deuterium – das Wasserstoffisotop mit der Masse 2 – in einem Zyklotron mit hochenergetischen Deuteronen (Deuteriumkernen) beschossen wurde. Für die Beschleunigung des Deuteronenstrahles war sehr viel Energie erforderlich, es wurde jedoch keine nutzbare Energie gewonnen. Bei den Tests von Atomwaffen in den Vereinigten Staaten, in der ehemaligen Sowjetunion, in Großbritannien und Frankreich wurden in den fünfziger Jahren erstmals große Mengen an Fusionsenergie unkontrolliert freigesetzt. Eine so kurze und unkontrollierte Freisetzung kann allerdings nicht für die Erzeugung von elektrischem Strom genutzt werden.

Bei Kernspaltreaktionen kann sich das Neutron, das keine elektrische Ladung besitzt, leicht einem spaltbaren Kern nähern und mit diesem reagieren, z. B. mit Uran 235. Bei Fusionsreaktionen haben jedoch beide Kerne eine positive elektrische Ladung, und die elektrische Abstoßung (gleiche Ladungen stoßen sich ab) zwischen ihnen, die so genannte Coulombabstoßung, muss überwunden werden, bevor sie verschmelzen können. Dies ist möglich, wenn die Temperatur des reagierenden Gases ausreichend hoch ist: 50 bis 100 Millionen °C. In einem Gas aus den schweren Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium läuft bei dieser Temperatur die Fusionsreaktion

ab, wobei ungefähr 17,6 Megaelektronenvolt pro Fusionsvorgang freigesetzt werden. Die Energie liegt zunächst als kinetische Energie des Helium-4-Kernes und des Neutrons vor, wird aber unmittelbar darauf als Wärme an das Gas und in die umgebenden Materialien abgegeben.

Wenn der Druck des Gases ausreicht – bei diesen Temperaturen reicht ein Druck von 10–5 Atmosphären, also nahezu Vakuum –, kann der energiereiche Helium-4-Kern seine Energie auf das umgebende Wasserstoffgas übertragen, wodurch die hohe Temperatur erhalten bleibt und somit eine Kettenreaktion möglich wird: Man spricht dann von einer Kernzündung.

Die grundlegenden Probleme bei der Schaffung von Fusionsbedingungen sind: (1) das Gas auf die erforderlichen hohen Temperaturen aufzuheizen und (2) eine ausreichende Anzahl von reagierenden Kernen lang genug einzuschließen, um die Abgabe von mehr Energie zu ermöglichen, als für die Aufheizung und den Einschluss des Gases verbraucht wird. Weitere Probleme sind die Entnahme dieser Energie und ihre Umwandlung in Elektrizität.

Bei Temperaturen über 100 000 °C sind alle Wasserstoffatome vollständig ionisiert. Das Gas besteht aus einer nach außen elektrisch neutralen Masse von positiv geladenen Kernen und negativ geladenen freien Elektronen. Dieser Zustand der Materie wird als Plasma bezeichnet.

Ein Plasma, das ausreichend heiß für eine Fusion ist, kann nicht mit gewöhnlichen Materialien zusammengehalten werden. Es würde sehr schnell abkühlen, und die Gefäßwände würden bei diesen Temperaturen verdampfen. Da jedoch das Plasma aus geladenen Teilchen besteht, kann es durch ein Magnetfeld zusammengehalten werden.

Soll eine Fusionsanlage als Kraftwerk arbeiten, muss die gewonnene Energie größer sein als die Energie, die für den Einschluss und die Aufheizung des Plasmas eingesetzt wird. Diese Bedingung gilt als erreicht, wenn das Produkt aus der Einschlusszeit t und der Plasmadichte n einen Wert von etwa 1014 überschreitet. Die Beziehung t n ³ 1014 wird als Lawson’sches Kriterium bezeichnet.

Zahlreiche Formen des magnetischen Einschlusses sind seit 1950 erprobt worden. Thermonukleare Reaktionen sind schon beobachtet worden, eine kontrollierte Energiegewinnung gelang jedoch nicht, da die Lawson’sche Zahl selten den Wert 1012 überschritt. Ein Anlagentyp – der so genannte Tokamak, dessen Prototyp in der Sowjetunion von Igor Tamm und Andrej Sacharow entworfen wurde – liefert seit den frühen sechziger Jahren ermutigende Ergebnisse.

Die Einschlusskammer des Tokamak hat die Form eines Torus (Kreisringes). Ein starkes, ringförmiges Magnetfeld wird durch große, hochleistungsfähige Elektromagnete in der Kammer aufgebaut. Es ist etwa 100 000mal so stark wie das Erdmagnetfeld. Durch Transformatorspulen wird im Plasma ein Längsstrom von mehreren Millionen Ampere induziert. Das dadurch aufgebaute Magnetfeld schließt das Plama ein.

Nach dem erfolgreichen Betrieb von kleinen Tokamaks in mehreren Laboratorien wurden in den frühen achtziger Jahren zwei große Anlagen gebaut, eine an der Universität Princeton in den Vereinigten Staaten und eine in der UdSSR. Im Tokamak entstehen die hohen Plasmatemperaturen durch die Aufheizung infolge des Widerstands des sehr starken Ringstromes. In den neuen großen Anlagen erfolgt eine zusätzliche Aufheizung durch den Beschuss mit neutralen Strahlen, wodurch die Zündbedingungen hergestellt werden sollen.

Ein weiterer möglicher Weg zur Gewinnung von Fusionsenergie ist der Trägheitseinschluss. Bei dieser Technik ist der Brennstoff – Tritium oder Deuterium – in einer winzigen Tablette enthalten, die aus allen Richtungen mit intensiven Laserstrahlen beschossen wird. Dadurch wird eine Implosion der Tablette verursacht, die eine thermonukleare Reaktion auslöst und so den Brennstoff zündet.

1991 wurde im JET-Laboratorium (JET = Joint European Torus) in England erstmals eine bedeutende Energiemenge, etwa 1,7 Millionen Watt, aus kontrollierter Kernfusion gewonnen. Im Dezember 1993 benutzten Forscher an der Universität von Princeton einen Tokamak-Fusionsversuchsreaktor für eine kontrollierte Kernfusion mit einer Energieerzeugung von 5,6 Millionen Watt. Allerdings benötigten sowohl JET als auch der Tokamak-Fusionsversuchsreaktor während ihres Betriebs mehr Energie, als sie erzeugten.

Wenn Fusionsenergie wirtschaftlich einsetzbar wird, bietet sie folgende Vorteile: (1) einen unbegrenzten Brennstoffvorrat in Form von Deuterium aus dem Meer, (2) Reaktorunfälle sind unwahrscheinlich, da die Brennstoffmenge im System sehr gering ist, (3) und ferner sind Abfallprodukte sehr viel weniger radioaktiv und einfacher zu handhaben als jene von Kernspaltanlagen. Die Fortschritte in der Fusionsforschung sind vielversprechend, aber die Entwicklung von nutzbaren Systemen wird – zumal die Forschung sehr kostenintensiv ist – wahrscheinlich noch Jahrzehnte dauern.

 

Christoph Barth