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Bertolt Brecht
Bertold Brecht, von Martin Esselin noch 1959 neben Joyce und Kafka gestellt
und dann in den sechziger Jahrenvon einer wachsenden Zahl von Kritikern totgesagt,
ist dennoch ein Klassiker und wird es bleiben, was freilich nur soviel bedeutet,
als dass er einen Platz im Museum der deutschen Literatur einnimmt. Ob seine
Stücke sich auf dem Theater halten werden, scheint weniger sicher, dennoch
war Brecht der große dichterische Theaterrevolutionär in Deutschland
nach dem ersten Weltkrieg.Bertolt Brecht, eigentlich Eugen Berthold Brecht,
wurde am 10. 02. 1898 als erster Sohn von Berthold Friedrich und Sofie Brecht,
geborene Brezing, geboren. Der Vater war kaufmännischer Leiter einer Papierfabrik
in Augsburg. Seit 1908 besuchte er das dortige Realgymnasium. Seit 1913 startete
Brecht erste lyrische und dramatische Schreibversuche. Es begann seine Jugendfreundschaft
mit dem späteren Bühnenbildner Caspar Neher. Nachdem Notabitur 1917
immatrikulierte er an der Philosophischen Fakultät der Münchner Universität
(die ihn 1921 exmatrikulierte), wo er zunächst Naturwissenschaften und
Medizin studierte, wurde dann aber Ende 1918 Sanitätssoldat. Brechts Freundin
Paula Banholzer brachte 1919 den gemeinsamen Sohn Frank zur Welt (gefallen 1943,
als deutscher Soldat in Rußland). Ab 1920 mehrfacher, seit 1924 dauender
Aufenthalt in Berlin, wo Brecht wie schon in München enge Beziehungen zur
literarischen Szene und zum Theater aufnahm. Es folgten eine dramaturische Mitarbeit
an den Münchner Kammerspielen und dem Deutschen Theater in Berlin. 1922
war Brechts erste Aufführung (Trommeln in der Nacht") in München
und seine erste Buchpublikation (Baal") erschien. Brecht heiratete
die Schauspielerin Marianne Zoff und 1923 wurde die Tochter Hanne geboren. Doch
bereits im selben Jahr lernte Brecht seine spätere Frau, die Schauspielerin
Helene Weigel, kennen. 1924 wurde der gemeinsame Sohn Stefan geboren. 3 Jahre
später erfolgte dann endlich die Scheidung von Marianne Zoff und so konnte
Brecht Helene Weigel zur Ehefrau nehmen. 1930 kam auch schon ihre Tochter Barbara
auf die Welt. Seit 1924 arbeitete Brecht ständig mit Elisabeth Hauptmann
zusammen, ab 1926 kam er in verstärkten Kontakt zu marxistischen Theoretikern
und sozialistisch engagierten Künstlern. Es fanden Diskussionen und gemeinsame
Projekte, mit unter anderem Fritz Sternberg, Karl Korsch und Walter Benjamin,
statt. Er arbeitete zunächst an Max Reinhardts Deutschem Theater"
(1924-1926) als Regisseur, dann als freier Schriftsteller und Regisseur.Aber
besonders prägend war das Studium des Marxismus (1926-1930) für sein
späteres Schaffen.1927 erschien seine erste Gedichtsammlung (Hauspostille"),
1928 wurde die Dreigroschenoper" zum größten Theatererfolg
der Weimarer Republik, an dessen Erfolg die Musik von Kurt Weill großen
Anteil hatte. Brecht modernisierte damit Beggar`s Opera" (1728),
eine soziale Satire des englischen John Gay. Ein mit Schlagern gewürztes
Unterwelt-Milieu gewinnt dramatische Gestalt als soziale Anklage, deren künstlerischer
Reiz darin besteht, die nacktesten Lebensvorgänge in einen menschlich ehrlichen,
dichterischen Bereich hineinzustellen. Aus dieser wirksamen Spannung von Unten
und Oben leben alle Werke Brechts, wenn auch ihre Allgemeingültigkeit später
dadurch fraglich wurde, dass Brecht sich immer mehr dem Kommunismus verschrieb.
1932 reiste Brecht nach Moskau zur Premiere des Films Kuhle Wampe".
Er freundete sich mit Margarete Steffin und die beiden arbeiteten auch ständig
zusammen. Am 28. 02. 1933, einen Tag nach dem Reichtagsbrand, verließ
Brecht mit Frau und Sohn Berlin. Er ging über Prag, Wien, Zürich,
Paris nach Dänemark. Im Exil schrieb Brecht, der früh die nationalsozialistische
Gefahr erkannt hatte, engagiert gegen den Faschismus an. Von August 1933 bis
März 1939 wohnte er in Skovbostrand bei Svendborg, wo er an seinen Gedichtsammlungen,
Stücken und Prosawerken mit Margarete Steffin und Ruth Berlau arbeitete.
Diskussionen mit Korsch, Benjamin, Eisler fanden statt. Brecht reiste nach Paris,
London, Moskau und sogar nach New York. Mit Willi Bredel und Feuchtwanger war
Brecht der gemeinsame Herausgeber der Zeitschrift Das Wort" (Moskau).
1939 ging er nach Lidingö bei Stockholm, im April 1940 nach Helsinki, im
Sommer 1941 durch die UdSSR nach Los Angeles. Margarete Steffin starb in Moskau.
In Santa Monica, wo Brecht in unmittelbarer Nähe Hollywoods bis 1947 lebte,
arbeitete er vor allem an den großen" Stücken weiter.
Die erhoffte Filmarbeit realisierte sich aber nur in bescheidenem Maße
und er folgten einige Theateraufführungen in USA. Am 30. 10. 1947 musste
Brecht zu einem Verhör vor dem Committee of Unamerican Activities",
tags darauf flog nach Paris, ging dann nach in Zürich, wo er sich 1 Jahr
lang aufhielt. Sondierungen fanden in Österreich und Ostberlin statt.Seit
1946 wurde Brecht von einem westdeutschen Verleger (Peter Surkamp) vertreten,
1950 erhielt er die österreichische Staatsbürgerschaft. Am 11. 01.
1949 war die Premiere von Mutter Courage" im deutschen Theater in
Ostberlin, wohin Brecht dann auch übersiedelte. Weitere Werke Brechts waren
Leben des Galilei", 1938; Der gute Mensch von Sezuan",
1942; Der kaukasische Kreidekreis", 1945; Trommeln in der Nacht",
1919; Mann ist Mann", 1926 sowie Die Mutter", 1932.Brecht,
der sich für den sozialistischen Teil Deutschlands entschieden hatte, gründete
zusammen mit seiner Frau Helene 1949 das Berliner Ensemle, mit dem ihm bald
große Proben- und Experimentiermöglichkeiten offenstanden. Brecht
versuchte hier seine theoretischen Vorstellungen von einem epischen Theater"
szenisch zu realisieren. Seine Inszenierungen erlangten Weltruhm.Brecht arbeitete
intensiv an seiner Theaterarbeit weiter, es fanden auch Bearbeitungen Inzenierungen
und Gastspiele in München, Frankfurt, Paris, Wien und Mailand statt. Brecht
arbeitete mit alten und neuen Mitarbeitern zusammen. Es traten verschiedentliche
Spannungen mit der Führung der SED bzw. Vertretern der Kultusbürokratie
und des Theaterlebens auf. Längere Aufenthalte im Landhaus in Buckow folgten.
Im Mai 1956 musste Brecht auf Grund einer Virusgrippe in die Berliner Charité-Klinik,
und ist bereits am 10. August zum letzten Mal bei einer Probe des Galilei"
im Berliner Ensemble, nach einem Herzinfarkt gestorben, politisch zwischen West
und Ost umstritten, künstlerisch und theatergeschichtlich aber unbestreitbar
von Bedeutung. Am 14. 08. 1956 wurde Brecht in Berlin auf dem Friedhof in Hegels
Nähe begraben.
Das Gesamtwerk des Dichters umfaßt mehr als 30 Theaterstücke, eine
Anzahl Dramenfragmente, etwa 1300 Gedichte und Lieder, 3 Romane und mehrere
Romanfragmente sowie über 150 Prosaarbeiten, dazu Tagebücher und Briefe.
Die knappe Hälfte davon (33 Bände) ist bisher veröffentlicht.
Dieses Werk erweist Brecht als einen der vielseitigsten und einflußreichsten
Dichter des 20. Jahrhunderts.Brecht setzt verfremdende Effekte ein (kommentierender
Erzähler, Songs, andere Medien), um eine kritiklose Identifikation des
Zuschauers mit den Bühnenfiguren zu erschweren und so Kritik und Bewußtseinsänderung
zu aktivieren, wie zum Beispiel in seinen Meisterdramen (Der gute Mensch
von Sezuan").Brechts Offenheit für Veränderungen bestimmte auch
seine Arbeitsweise, die in der modernen Massengesellschaft nur ein gemeinschaftlicher
Prozeß sein konnte.Sehr früh wurde er erbitterter Kriegsgegner und
schrieb Theaterkritiken für den Augsburger Volkswillen".Die
Entwicklung Brechts führt von der Lust am Chaos des Lebens, einer grellfarbigen
Sinnlichkeit und einem anarchischen Zynismus in den Frühwerken unter dem
Einfluss des Marxismus zum Glauben an das Kollektiv und zur strengen Disziplin
der Lehrstücke bis hin zu den großen Dramen der Exilzeit. In Übereinstimmung
mit der gleichzeitig entstandenen Dramentheorie will Brecht in ihnen wie in
seiner gesamten Dichtung Genuß und Lehre, individuelles Glücksverlangen
und soziale Gerechtigkeit miteinander vereinigen.Auch einlyrisches Gedicht ist
für Brecht weder Gefühlssache" noch Formsache",
sondern ursprüngliche Geste der Mitteilung eines Gedankens".
Die Gedichtformen, die Brecht übernimmt und durch den Gedanken gleichsam
von innen heraus verwandelt, sind einer weltliterarischen Tradition von den
Chinesen, von Villon und Luther bis zu Rimbaud und Wedekind gleichermaßen
verpflichtet.Unter den erzählerischen Prosaarbeiten haben die verschiedenen,
häufig Kurzformen gegenüber den Romanen das größere Gewicht.
Das für Brecht so bezeichnende satirisch-parodistische Sprechen provoziert
auch hier das Bewußtsein dazu, kritisch mit dem Urteil dazwischenzukommen".Brecht
griff auf die alte Form des Bänkelgesangs und dessen ungeglättete
Sprache zurück. Zugleich erhielt die Ballade einen gesellschaftskritischen
Inhalt. Brecht schuf den negativen Helden" in der Ballade: Mörder,
Gauner, Schieber, Dirnen schlagen sich durch eine böse Welt.
Preise und Auszeichnungen:
Kleistpreis 1922
Nationalpreis der DDR, 1.Klasse 1951
Mitglied im Künstlerischen Beirat des Ministeriums für Kultur der
DDR 1954
Mitglied und Vizepräsident der deutschen Akademie der Künste 1954
Internationaler Stalin-Friedenspreis 1954/55
Literatur:Das Wissen des 20. Jhs. Band 1LiteraturkundeKritisches Lexikon zur
deutschsprachigen GegenwartsliteraturHarenbergs PersonenlexikonMeyers Grosses
Taschen LexikonBrockhaus Lex.Bertelsmann Lexikon
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