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Lernen, Aha-Erlebnis und Motivation
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Wenn man mehr über den Erfolg des Lernens wissen will, lohnt es sich, die Autobiographien erfolgreicher Menschen zu lesen. Was brachte diese Persönlichkeiten dazu, sich intensiv mit ihrem künftigen Wissensgebiet zu beschäftigen? Interessanterweise gleichen sich hier die Antworten: Fast immer steht ein Aha-Erlebnis am Anfang eines Lernprozesses, der aus einem durchschnittlich interessierten Menschen einen erfolgreichen Künstler oder Wissenschaftler hat werden lassen.

Was ist ein "Aha-Erlebnis?

Der Sprachpsychologe Karl Bühler definiert dieses "Aha-Erlebnis" als "Ein eigenartiges im Denkverlauf auftretendes-lustbetontes Erlebnis, das sich bei plötzlicher Einsicht in einen zuerst undurchsichten Zusammenhang einstellt."

Derartige Aha-Erlebnisse kommen und kamen keineswegs nur in der Schule vor. Im Gegenteil: Fast scheint es so, als ob große Zeitgenossen von der Schule und ihren Lehrern in ihrem unerschöpflichen Genie völlig verkannt wurden (werden?):

Diese Liste ließe sich sicher fortsetzen...

Auffallend ist, daß erfolgreiche Menschen, im Extremfall Genies, zu einem überraschend hohen Prozentsatz keine guten Schulnoten hatten. Vielmehr waren es ganz bestimmte Erlebnisse, die den Startschuß zum Lesen, Lernen, Denken und schließlich schöpferischen Arbeiten abgegeben haben. Und immer wieder stößt man dabei auf den Begriff der "Faszination", der "Bezauberung", einer Umschreibung des oben schon erwähnten Aha-Erlebnisses. Dieses Schlüsselerlebnis hat einen starken Aufforderungscharakter, der in manchen Fällen durch nichts in der Welt, weder durch Enttäuschungen noch durch Rückschläge, zu zerstören ist. Und danach "geht der Schüler seinen Weg"; er hat Erfolg.

Lernen gelingt und wird zum Erfolg, wenn das Gefühl "JA" dazu sagt. Stellt sich der Erfolg des Lernens ein, wird das Gefühl in seinem JA weiter bestärkt; der Lernende lernt mit Lust. Der Lernprozeß trägt sich von allein! Auch sollte auf jegliche Medikamente verzichtet werden.

Es wird wohl deutlich, daß Lernen kein wertneutraler und sachlicher Vorgang ist. Um ein aktuelles Bild zu gebrauchen: Es ist kaum möglich, Schüler mit "Daten zu füttern", so wie man es mit Computern tut. Das menschliche Lernen spielt sich in Rahmenbedingungen ab, die anziehen oder abstoßen können. Faktoren also, die im positiven Fall das Lernen erleichtern und als Lust empfinden lassen, im negativen Fall aber das Lernen erschweren und zur Last machen können.

Wodurch können Aha-Erlebnisse ausgelöst werden?

Ausgespart habe ich hier die "mythischen" oder symbolischen Aha- Erlebnisse, die aber wohl auch eine große Rolle spielen können: Träume, intuitive Analogiebildungen usw. Denn diese lassen sich kaum organisatorisch vorbereiten; sie stellen sich einfach ein.

Motivation und Demotivation

Wenn es gelingt, die Rahmenbedingungen des Lernens so zu gestalten, daß möglichst oft Aha-Erlebnisse ausgelöst werden, überstrahlt das Gefühl des Erfolgs meist auch die negativen Seiten des Lerngegenstands. Aus dem Lernen-Müssen wird dann gefühlsbedingt ein Lernen-Wollen. Der einmal erreichte Erfolg vermittelt ein Lustempfinden mit einem Verlangen nach Wiederholung dieser angenehmen Empfindung. Wir kennen diesen Zustand unter dem Begriff "Erfolgserlebnis". Ein so verstärktes Selbstbewußtsein erzeugt Motivation (= Anregung und Erhalt der Lust am Lernen):

Wie können Lehrerinnen und Lehrern ihren Schülerinnen und Schülern dabei helfen? (ich gehe bewußt auf die motivierende bzw. demotivierende Rolle des Elternhauses nicht ein!) Vereinfacht gesagt: durch Lob oder kritische Anerkennung ihrer Leistungen sowie durch Interesse an ihrer persönlichen Entwicklung. Es ist erstaunlich, welche Kräfte in einem Menschen freiwerden, der sich von seinem Gegenüber angenommen fühlt. Lob ist ja nichts anderes als eine Art von Belohnung, die das Selbstwertgefühl hebt und als positiver Impuls in die kreisförmige Selbstverstärkung des Erfolgs einwirken kann.

Einige, die dies hier lesen, werden sich an Fälle erinnern, in denen sie oder gar die ganze Klasse nicht so sehr aus eigenem Antrieb, sondern "dem Lehrer zuliebe" gelernt haben. Bei einem späteren Lehrerwechsel hörte das dann plötzlich auf, weil dieser einen nicht mehr so ansprach.

"Schatzsuche statt Fehlerfahndung" hieß aus gutem Grund das Motto der 12. Pädagogischen Woche 1995 in Oldenburg. Nicht wenige Lehrer (mich eingeschlossen) tun sich nämlich schwer damit, ihren Schülerinnen und Schülern im Unterricht wie ungehobenen Schätzen zu begegnen. Statt dessen achten sie vor allem auf die Fehler, die sie machen; und indem sie sie über Gebühr betonen, weil sie sie "ausrotten" wollen, wirken sie in negativer Weise in den Regelkreis des Erfolgs ein. Denn leider wirkt dieser Regelkreislauf auch anders herum: Mißerfolg bewirkt Pessimismus; der erzeugt mangelndes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, woraus Demotivation entsteht - so verstetigt sich der Mißerfolg noch.

Ich sprach oben von Lob oder kritischer Anerkennung von Schülerleistungen. Auch Kritik, wenn sie angemessen vorgetragen wird, kann überaus motivierend wirken. Voraussetzung ist freilich, daß die Kritik auch das bisher schon Erreichte anerkennend würdigt. Kritik soll Brücken bauen, nicht abreißen; sie soll nicht verletzen, sondern anspornen ("Ich weiß, Du kannst es besser.").


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Datum der letzten Überarbeitung: 14.11.1997
© Wolfgang Pohl