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Die Buddenbrooks
von Thomas Mann
Untertitel: „Verfall einer Familie“
Analyse eines Romans der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts
zusammengestellt von Maria-Luise Doppelreiter
Erstausgabe erschienen 1901, S. Fischer Verlag, Berlin; 1001 Seiten
Thomas Mann
* 1875, † 1955, deutscher Schriftsteller; ging 1939 in die USA, wo er
1944 US-amerikanischer Staatsbürger wurde; seit 1952 wohnte er in
der Schweiz. Sein Werk lebt aus den Spannungen zwischen Geist und Leben,
Kunst und Bürgertum, Todessehnsucht und Lebenspflicht und verbindet
sprachliche Artistik mit Ironie.
Werke: Romane: »Buddenbrooks« (1929 erhielt
er dafür den Nobelpreis), »Königliche Hoheit«, »Der
Zauberberg«, »Joseph und seine Brüder«, »Lotte
in Weimar«, »Doktor Faustus«, »Der Erwählte«,
»Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull«; Novellen: »Tristan«,
»Der Tod in Venedig«, »Tonio Kröger«, »Wälsungenblut«.
„Die Buddenbrooks“
Dieses Werk hat als Milieuschilderung und Darstellung einer konkret
erscheinenden Wirklichkeit kaum ein vergleichbares Pendant in der deutschen
Literatur. Im ersten Jahr des 20. Jahrhunderts erschienen, entstand ein
realistischer, bürgerlicher Roman, der in der Spätblüte
der Bourgeoisie spielt. Die bürgerliche Kultur in all ihren Nuancen,
der Wandel des Zeitgeistes, der Generationenwechsel, die fortschreitende
Entwicklung der einzelnen handelnden Personen, all das ist mit einer Klarheit
beschrieben, die nicht oberflächlich ist, sondern in die Tiefen der
Psyche der einzelnen Charaktere schürft. Die Geschichte beginnt am
geschäftlichen und gesellschaftlichen Höhepunkt einer Familie
und endet mit deren Untergang.
Geschildert wird der Verfall einer Lübecker Kaufmannsfamilie, deren
Wohlstand während der napoleonischen Zeit begründet wurde und
die innerhalb von vier Generationen geistig, körperlich und moralisch
verfällt; sie löscht mit dem fünfzehnjährigen letzten
Nachkommen Hanno aus; dieser ist „ein zum Künstler entarteter“, lebensuntauglicher
Träumer, der die Musik hingebungsvoll liebt.
Künstlertum als Krankheits- oder Degenerationserscheinung bleibt
eines der beliebten Inhalte im Werk von Thomas Mann, ebenso wie der Gegensatz
zwischen bürgerlicher und künstlerischer Lebensform sein weiteres
Schaffen bestimmt.
Der Inhalt:
Die Geschäfte der Getreidefirma Johann Buddenbrook florieren. Im
kleinen Kreis feiert Johann Buddenbrook die Einweihung des neuerworbenen
stattlichen Hauses. Nach dessen Tod übernimmt sein Sohn, Konsul Johann
Buddenbrook, das Geschäft, während sein Halbbruder aus erster
Ehe nach einer nicht standesgemäßen Heirat in Hamburg lebt.
Dessen drei nicht besonders hübsche Töchter betrachten die Entwicklung
des Hauses Buddenbrook mit neidischen Blicken.
Der Konsul hat seinen ältesten Sohn, den klugen, jedoch physisch
labilen Thomas, sehr bald in das Geschäft aufgenommen, während
der zweitgeborene Sohn, Christian, ebenso wie die Tochter Tony mit ihrer
Verschwendungssucht dem Vater große Sorgen bereiten. Die jüngste
Tochter Klara ist ernst, still und brav.
Die Werbung des Geschäftsmannes Grünlich um Tony kommt dem
Konsul sehr gelegen, da seine Firma Verluste erlitten hat, doch Tony liebt
den Sohn des biederen Lotsenkommandeurs Morten. Schließlich aber
willigt sie, teils aus Verzweiflung, Morten als unstandesgemäß
nicht heiraten zu können, teils aus Familienbewusstsein, in eine Ehe
mit Grünlich ein. Doch bald erweist sich Grünlich als großer
Betrüger. Nach seinem völligen Bankrott wird die Ehe geschieden
und Tony kommt mit ihrer Tochter Erika zurück ins Elternhaus.
Als der Vater einem Schlaganfall erliegt, übernimmt der fleißige,
korrekte Thomas die Firma. Christian hingegen wird immer unbeherrschter
und unbeständiger. Die fromme Klara wird Gattin des Pastors Tiburtius.
Thomas heiratet Gerda Arnoldsen, eine vornehme, nervöse Künstlernatur.
Tony geht eine neue Ehe mit dem urwüchsigen Münchner Geschäftsmann
Permaneder ein. Sein Bedürfnis nach Ruhe und Gemütlichkeit zerstört
alle hochtrabenden Pläne Tonys. Wieder kehrt sie ins Vaterhaus zurück.
Auch die Ehe ihrer Tochter Erika scheitert, da deren Mann als Betrüger
im Gefängnis endet.
Das Kind von Thomas und Gerda, Hanno, ist zart und kränklich. Der
Vater ist inzwischen Senator geworden und hat sich ein prachtvolles neues
Haus gebaut. Die Hundertjahrfeier der Firma wird mit viel Pomp begangen.
Aber die großen Belastungen verbrauchen Thomas frühzeitig. Er
beginnt, an sich und seinem Erfolg zu zweifeln. Verluste stellen sich ein,
auch der körperlich und seelisch wenig belastbare Hanno enttäuscht
ihn. Bruder Christian stürtzt durch sein ausschweifendes Leben das
Geschäft in Schulden. Ein Schlaganfall auf offener Straße macht
dem Leben des Senators frühzeitig ein Ende. Die Firma wird liquidiert;
die Witwe zieht in ein kleines Haus. Hanno stirbt im Alter von 15 Jahren
an Typhus. Damit erlischt die männliche Linie des Hauses Buddenbrook.
Meine Meinung:
Ein Meisterwerk der deutschen Literatur, das man gelesen haben muss!
Der Autor schrieb diesen Roman bereits im Alter von knapp 26 Jahren. Mit
seinem präzisen Stil zeigt er die geistig-künstlerischen Neigungen
als Verfallserscheinung des Bürgertums auf.
Wenn auch der Umfang des Werks anfänglich ein wenig schockiert,
wird man nach wenigen Seiten von der lebendigen Erzählform derart
gefesselt, dass es schwer fällt, das Buch zur Seite zu legen. Der
Leser wird in die Zeit zurückversetzt, erlebt das Geschehen mit und
fühlt sich in die einzelnen Charaktere ein. Schon dieses Jugendwerk
des berühmten Autors zeigt sein literarisches Feingefühl, seinen
Intellekt und den philosophischen Scharfsinn.
Obwohl es sich nicht um ein autobiographisches Werk handelt, bemerkt
man, dass der Verfasser in dem gesellschaftlichen Umfeld, das er beschreibt,
aufgewachsen ist. Die zahlreichen Dialoge (jene der Dienstboten teilweise
in plattdeutschter Mundart) bilden mit ihrer wohlüberlegten Wortwahl
einen Schwerpunkt des Buches. Die Schilderungen der handelnden Personen
und der Umgebung vermitteln dem Leser einen genauen Einblick - man sieht
alles förmlich vor dem geistigen Auge wie in einem Film.
Der Autor: Thomas Mann (1875 - 1955)
Thomas Mann war einer der größten deutschen Romanschriftsteller
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und einer der bedeutendsten
kulturkritischen Essayisten.
Er wurde am 6. 6. 1875 als zweiter Sohn eines Senators und Inhabers
einer Getreidefirma und einer portugiesisch-kreolischen Brasilianerin in
Lübeck geboren, verabscheute die Schule, siedelte nach dem frühen
Tod seines Vaters nach München und war ein Jahr Volontär in einer
Feuerversicherungsgesellschaft. Nachdem er in München historische
und volkswirtschaftliche Vorlesungen gehört hatte, lebte er mit seinem
Bruder Heinrich ein Jahr in Rom. 1899 war er vorübergehend Lektor
beim „Simplizissimus“ in München. Vom Militärdienst befreite
er sich selbst aus gesundheitlichen Gründen.
1905 heiratete er die Tochter eines Universitätsprofessors und
lebte nun, inzwischen berühmt geworden, als freier Schriftsteller
im Oberammergau, seit 1908 auf seinem Besitz in Tölz an der Isar.
1912 war er in Davos als Begleiter seiner damals lungenkranken Frau. Die
Klinik und ihre Patienten dienten Mann als Vorlage zum „Zauberberg“.
Seine Vortragsreisen führten den Repräsentanten des deutschen
Schrifttums in viele Länder Europas; er war Vertreter des deutschen
PEN-Klubs, seit 1926 führendes Mitglied der Deutschen Dichterakademie
und erhielt 1929 den Nobelpreis.
Als Mann 1924 - noch vor Erreichen seines 50. Lebensjahres - zum ersten
Mal für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde, war sein Lebenswerk bereits
sehr umfangreich. Sein Ruhm gründete sich vor allem auf den 1901 erschienen
Jugendroman „Buddenbrooks, Verfall einer Familie“. Dieser einhellig als
Meisterwerk der deutschen naturalistischen Literatur anerkannte Roman schloss
sich an die große Tradition eines Tolstoi und der skandinavischen
Romanschriftsteller wie Kielland, Lie, Jacobsen und Bang an, die Mann selbst
als seine Vorbilder bezeichnete. Als Mann der Nobelpreis 1929 (28 Jahre
nach der Erstausgabe) verliehen wurde, begründete dies die Schwedische
Akademie der Wissenschaften folgendermaßen: „......im Wesentlichen
für seinen großen Roman >Die Buddenbrooks<, der sich in den
verflossenen Jahren immer mehr als ein klassisches Meisterstück der
zeitgenössischen Literatur erwiesen hatte.“
Es ist verständlich, dass Thomas Mann von dieser Betrachtungsweise
etwas betroffen und vielleicht auch ein wenig verärgert war - überging
sie doch ein so bedeutendes und überall mit dem lebhaftesten Interesse
und der größten Begeisterung aufgenommenes Werk wie den „Zauberberg“
mit völligem Stillschweigen. Der Autor in einem Brief an Gide: „...........das
Amüsanteste ist, dass der Stockholmer Literaturprofessor und Kritiker
Böök, der bei der Verleihung des Literaturpreises ausschlaggebenden
Einfluss hat, es (Anm.: das Buch >Der Zauberberg<) seinerzeit öffentlich
für ein künstlerisches Unding erklärt hat, und dass ich
den Preis ausschließlich für meinen Jugendroman >Buddenbrooks<
erhalten habe.“ In der deutschen Presse mischten sich in die Lobeshymnen
über den Nobelpreisträger auch kritische Töne. Nicht nur,
dass der hohe literarische Wert seines Werks angezweifelt wurde, es fand
auch das politische Denken keine Gnade bei den großen Zeitungen seiner
Heimat. Schon war das Nahen des Dritten Reichs bemerkbar, das in Thomas
Mann einem Gegner von Format begegnen sollte.
Von einer Vortragsreise nach Holland, Belgien und Frankreich im Jahr
1933 kehrte er nicht mehr nach Deutschland zurück, da eine Rundfunk-
und Presseaktion von „erschreckender Gehässigkeit“ gegen ihn begann
und sein Besitz beschlagnahmt worden war. Als ihm 1936 anlässlich
seiner Ausbürgerung die im Jahre 1919 verliehene Ehrendoktorwürde
der Universität Bonn aberkannt wurde, promovierten ihn die Harvard-Universität
in den USA, sowie die Universitäten Oxford, Lund und Cambridge zu
ihrem Ehrendoktor als den „Wahrer der großen Tradition deutscher
Kultur“.
1933 bis 1939 lebte Thomas Mann in Küsnacht am Zürichersee,
dann emigrierte er in die Vereinigten Staaten, war zwei Jahre lang Gastprofessor
in New Jersey und lebte 13 Jahre in Kalifornien. 1944 wurde er amerikanischer
Staatsbürger, 1949 erhielt er den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt
und den Goethe-Nationalpreis der DDR, 1953 das Kreuz eines Offiziers der
Ehrenlegion von Frankreich und 1955 wurde er deutscher Ritter „Pour le
mérite“. Er starb am 12. August 1955, kurz nach seinem 80. Geburtstag,
in Zürich und fand auf dem Kilchberg seine letzte Ruhestätte.
Aufgewachsen in der westlichen Tradition des 19. Jahrhunderts, beeinflusst
von Nietzsche, Schopenhauer, Wagner und Goethe, gestaltete er vorwiegend
Selbsterlebtes und verlieh ihm symbolische, allgemein gültige Form,
zeichnete den Wandel des versinkenden bürgerlichen Zeitalters und
das Heraufkommen eines neuen humanistisch-sozialistischen Weltbürgertums.
Wegen seiner politischen Haltung und seiner zahlreichen politischen Aufsätze
und Reden wurde er oft angefeindet. Sein Weg führte vom metaphysischen
Individualisten der Frühzeit über den Nationalisten zum Sozialisten;
in seiner Feindschaft zum Nationalsozialismus sympathisierte er zeitweise
auch mit dem Kommunismus.
Manche nannten ihn einen „überspitzten Sprachartisten“. Mann verteidigte
sich gegen solche Vorwürfe: er „habe sich nie als Ästhet im Wortsinne
gefühlt, sondern immer als Moralisten“. Seine ironische Welt- und
Selbstbetrachtung „erhebe den Menschen durch den Geist über das Irdisch-Unvollkommene
und überwinde so den Nihilismus“.
Sein literarisches Schaffen:
1889 erste literarische Versuche
1897 Der kleine Herr Friedmann (Erzählung); Der Bajazzo (Erzählung)
1898 Tobias Mindernickel (Erzählung); Enttäuschung (Erzählung)
1899 Weihnacht (Gedicht)
1900 Luischen (Erzählung); Der Weg zum Friedhof (Erzählung)
1901 Buddenbrooks (Roman in 2 Bänden)
1903 Tonio Kröger (Novelle); Tristan (Novelle);
1909 Königliche Hoheit (Roman)
1912 Der Tod in Venedig (Roman)
1914 Das Wunderkind (Novellen)
1919 Herr und Hund (ein Idyll)
1922 Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (Roman)
1924 Der Zauberberg (Roman)
1933 - 1936 Joseph und seine Brüder (Roman in drei Bänden),
4. Teil 1943
1939 Lotte in Weimar (Roman)
1943 Das Gesetz (Kurzgeschichten zum Krieg Hitlers gegen die Moral)
1945 Adel des Geistes (16 Versuche zum Problem der Humanität)
1947 Doktor Faustus (Roman)
1951 Der Erwählte (Roman)
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