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Martin Walser - Ein fliehendes Pferd
Lebenslauf des Autors:
"24. März 1927 in Wasserburg am Bodensee. Eltern betrieben dort eine
Gaststätte1938 Tod des Vaters1938 - 1943 Besuch der Oberschule in Lindau1944
- 1945 Arbeitsdienst & Flakhelfer; amerik. Gefangenschaft1946 Abitur in
Lindau1947 - 1948 Beginn des Studiums1948 - 1951 Studium von Literaturwissenschaft,
Geschichte, Philosophie und Psychologie1949 - 1957 Arbeit bei Radio Stuttgart/SDR
als Reporter; Reisen ins Ausland1950 Heirat mit Käthe Neuner-Jehle1957
Umzug nach Fiedrichshafen am Bodensee1962 Gerhart-Haupmann-Preis1965 Schillerförderpreis;
Kreislaufkollaps1967 Tod der Mutter1972 Ehrendoktorwürde der Medizinischen
Fakultät der Universität Ulm1978 "Ein fliehendes Pferd"1981
Georg-Büchner-Preis1987 Großes Bundesverdienstkreuz1990 Carl-Zuckermeyer-Medaille;
Großer Literaturpreis der Bayrischen Akademie der schönen Künste1994
Diverse Preise sowie weitere Eherendoktorwürde1996 Friedrich-Hölderlin-Preis
Einige Gastprofessuren im Ausland
Auswahl einiger Werke:Halbzeit (1960)Das Einhorn (1966)Ein fliehendes Pferd
(1978)Dorle und Wolf (1987)Kaschmir in Parching/Theaterstück (1995)Finks
Krieg (1996)
Inhalt der Novelle:
Helmut Halm, Oberstudienrat an einem Stuttgarter Gymnasium, und seine Frau Sabine
verbringen in einem Ort am Bodensee ihren Sommerurlaub. Auf der Strandpromenade
von Überlingen begegnet ihnen Klaus Buch, ein ehemaliger Schul- und Studienkollege
von Helmut, mit seiner 18 Jahre jüngere Frau Helene. Die nächsten
Tage verbringen die beiden Ehepaare mit gemeinsamen Unternehmungen, die immer
von dem Gesundheitsfanatiker Klaus initiiert werden. Helmut, der lieber in der
Ferienwohnung bleiben würde, scheitert mit seinen Versuchen, die ihm unangenehmen
Treffen abzuwehren. Als Klaus auf dem Rückweg von einer gemeinsamen Wanderung
ein fliehendes Pferd einfangen kann, zeigt er erneut seine sportliche Überlegenheit.
Helmut ist angesichts der Lebenstüchtigkeit seines Schulfreundes am Boden
zerstört, und kann die Einladung zur Segelpartie am nächsten Tag nicht
abwehren. Während sich die Männer auf dem Bodensee befinden, wird
der See von einem schweren Unwetter heimgesucht. Klaus freut sich über
diese Herausforderung, Helmut allerdings gerät, um sein Leben fürchtend,
in Panik, und schlägt Klaus die Pinne aus der Hand, wobei dieser ins Wasser
fällt und vermutlich ertrinkt. Helmut erreicht nur durch Glück das
Ufer. Als Helene später bei Halms ist und ihnen die Wahrheit über
Klaus erzählt, taucht dieser unvermutet wieder auf und verlässt, ohne
ein Wort zu sprechen, mit seiner Frau die Halms. Diese reisen noch am selben
Abend fluchtartig nach Montpellier ab.
Aufzeigen des Novellencharakters:à Dingsymbol: fliehendes Pferdà
Polarisationà strenge Handlungsführungà Wendepunkt (Panikreaktion
Helmuts auf dem Segelschiff)à unerhörte Begebenheità Erzählung
mittleren Umfangs
Interpretation:Es können 2 Interpretationsansätze gemacht werden:Zum
einen greift Martin Walser das Thema der Diskrepanz von Lebensplan und Alltagsrealität.
Helmut Halm leidet an den Mängeln seiner unproduktiven Scheinexistenz,
kann sich allerdings im Alltag sehr gut dadurch durchschlagen indem er erkannte
Mängel kultiviert und ironisiert. Diese Überlebensmethode wird allerdings
durch Klaus Buch gestört. Klaus fordert Helmut mit seiner dynamischen Vitalität,
sowie mit seiner jüngeren Frau Helene, vorallem aber mit Erinnerungen an
den ehemals recht fantasievollen und aufmüpfigen Helmut, den er, Klaus,
einst verehrt hatte, heraus. Diese Art von Schutzmechanismus findet sich bei
Männern in der Midlife-Crisis. Auch Klaus befindet sich in dieser Krise.
Allerdings erschafft er eine "synthetische" Identität, durch
Heirat von Helene und gesundem Leben. Schließlich holt auch ihn die Vergangenheit
ein, und er hofft auf gegenseitige Hilfe.
Die individuelle Krise, in der beide Männer stecken, hat ihre Ursachen
auch im Gesellschaftssystem der 70er Jahre. Das System, in dem die Personen
der Novelle leben, ist von Entfremdung bestimmt. Die Unvereinbarkeit von Leistungsvermögen
und den Anforderungen der Gesellschaft erzeugt bei beiden Männern einen
psychischen Druck, dem sie zu entfliehen versuchen. Helmut ist introvertiert,
Klaus hingegen extrovertiert.
Primärliteratur:Martin Walser, Ein fliehendes Pferd, suhrkamp 1980
Sekundärliteratur:Johannes Diekhans, Unterrichtsmodel "Ein fliehendes
Pferd", Schöningh 1998Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, Harenberg
Lexikon-Verlag 1989
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