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Die archaische Polis und deren Neugliederung in Attika durch Solon
Seite Vorwort 2
1. Die archaische Polis 31.1 Die Polis 31.2. Die Polisbildung 31.3. Die gesellschaftlichen
Strukturen 51.3.1. Der Adel 51.3.2. Der Demos 61.3.3. Die Unfreien 61.4. Die
genossenschaftlichen Elemente 71.4.1. Die Phratrien 71.4.2. Die Phylen 71.5.
Die gesellschaftlichen Institutionen 81.5.1. Das Ämterwesen 81.5.2. Der
Adelsrat 91.5.3. Die Volksversammlung 91.6. Die Stellung der Frau 102. Die solonischen
Neuerungen 112.1. Solon 112.2. Die vorsolonische Krise 112.3. Die solonischen
Gesetze 122.3.1. Die Seisachteia 122.3.2. Die Maß-, Gewichts- und Münzreform
132.3.3. Die Förderung des Handwerks 142.3.4. Die juristischen Neuerungen
142.3.5. Die solonische Ordnung 152.3.6. Der Boulè 153. Schlusswort 16
Literaturverzeichnis 18
Vorwort
„Solon ist nicht nur die erste Persönlichkeit von Fleisch und
Blut der attischen Geschichte, sondern der erste Staatsmann auf dem Boden Europas,
der diesen Namen verdient.... Er hat den ersten modernen Staat des griechischen
Mutterlandes geschaffen, mit seiner Schöpfung beginnt die Geschichte der
Staatsidee in Europa.“ (H. Bengtson, Griech. Geschichte, s. 110-115)
Auf der Suche nach einem Motiv für meine Hausarbeit, fiel mir der oben
zitierte Satz auf und weckte mein Interesse für einen Menschen, über
den solche Worte geschrieben wurden. Je mehr ich mich mit diesem Solon, ein
Mann der vor mehr als 2500 Jahren lebte und dessen Gesetze den Weg zum ersten
demokratischen Staat in Europa ebneten, beschäftigte, um so beeindruckter
war ich von ihm. Aus diesem Grund möchte ich das Werk Solons und die Ursachen
dafür zu meinem Facharbeitsthema machen.
Während meiner Ausarbeitung musste ich feststellen, dass mir das Wissen
über die politischen und gesellschaftlichen Strukturen des Stadtstaatensystems
zu Solons Zeit fehlte, ohne dieses, sollte mir aber der Grund für seine
Gesetzgebung verschlossen bleiben. Infolgedessen habe ich einige Erläuterungen
zum Thema „archaische Polis“ vorangestellt, welche auf den
ersten Blick sehr umfangreich anmuten, jedoch nur einen sehr wagen Überblick
verschaffen, da eine detaillierte Beschreibung den Rahmen der Arbeit sprengen
würde. Die von mir in dieser Arbeit beschriebenen Ereignisse fanden alle
vor Beginn unserer Zeitrechnung statt. In Folge dessen habe ich die hierfür
allgemein übliche Abkürzung v.u.Z. nach den Jahreszahlen nicht verwendet.
1. Die archaische Polis
1. 1. Die Polis
Mit dem Begriff „Polis“ (Plural: Poleis) wurden im Griechischen
ursprünglich kleine befestigte Höhensiedlungen oder auch Siedlungskomplexe
bezeichnet. Solche Wehrgemeinschaften wurden ab dem 9. Jahrhundert im Schutz
eines Burgberges im gesamten hellenistischen (griechischen) Raum, welcher zu
dieser Zeit Teile Ost- und Südspaniens, Südfrankreichs, Süditaliens,
Siziliens, Klein-Asiens, den gesamten Schwarzmeerraum, die Ägäis und
Griechenlands umfasste, errichtet.Die vorgenannten Poleis entwickelten sich
zu politisch autonomen, religiös-kulturell fundierten, oligarchischen oder
demokratischen Stadt- oder Gemeindestaaten. Dieser Prozess vollzog sich über
fünf bis sechs Jahrhunderte und fand im 4. und 3. Jahrhundert seinen Höhepunkt
in Athen.
1. 2. Die Polisbildung
Um das 13. Jahrhundert war Griechenland noch von der mykenischen Zivilisation
geprägt, welche aus verschiedenen Gründen, die hier nicht weiter Gegenstand
der Betrachtung sein sollen, im 12. Jahrhundert zerfiel.Der Zusammenbruch des
mykenischen Reiches hatte Unruhen und Kriege in Südeuropa und Vorderasien
zur Folge und löste eine, den gesamten Raum betreffende, Völkerwanderung
aus. Ganze Stammesverbände (Ethnos), bestehend aus einigen Familien und
in der Regel nur wenige hundert Personen stark, waren auf ständiger Flucht
vor Kriegen, bewaffneten Auseinandersetzungen und Vertreibung. Auf der Suche
nach einer neuen Heimat führten sie ein nomadenhaftes Leben und ernährten
sich hauptsächlich von der Viehzucht. Etwa ab dem 11. Jahrhundert fanden
die Ethnos weite Teile Griechenlands und Klein-Asiens so dünn besiedelt,
dass sie mit wenig Gegenwehr zu rechnen hatten, als sie sich hier niederließen,
feste Häuser bauten und wieder Ackerbau betrieben konnten. Im Verlauf der
nächsten drei Jahrhunderte wurden an der gesamten europäischen Mittelmeerküste,
in Klein-Asien sowie im Schwarzmeerraum Siedlungs- und Wehrgemeinschaften errichtet,
welche Vorraussetzungen für die Bildung von Polisgemeinschaften waren.
Die meisten der Poleis bestanden aus wenigen tausend Bewohnern und hatten Flächen
von kaum mehr als 100 km² zu bewirtschaften. Ausnahmen bildeten hier Sparta,
Kreta, Korinth und Athen. Die attische Polis, in deren Zentrum Athen lag, war
mit einer zu bewirtschaftenden Fläche von 2650 km² und einer Gesamtbewohnerzahl
von 250 000 Personen, davon nur 40 000 bis 50 000 Vollbürger, wahrscheinlich
die größte. Die ansteigenden Bevölkerungszahlen in den einzelnen
Gemeinschaften machten eine soziale Strukturierung notwendig, welche ein Wachstum
über mehrere Jahrhunderte erfuhr und in den einzelnen Poleis durchaus Unterschiede
aufwies.Die dörfliche Gemeinschaft bestand aus mehreren Familien, die je
in einem eigenen Haus (Oikos) lebten und über ein eigenes Stück Land
verfügten. Das Familienoberhaupt (Oikosherr) beherbergte nicht nur seine
Familie, sondern auch Sklaven und unfreie Landarbeiter. Die Oikosherren versammelten
sich in kultischen Gemeinschaften (Genen) und gehörten Phratrien (siehe
1.4.1.) an, von denen es je nach Größe einer Polis bis zu vier gegeben
hat. Den Vorsitz solcher Gene und Phratrien führten immer die reichsten
Oikosherren (Adlige), meist diejenigen, welche über die größten
Ländereien verfügten. Aus deren Mitte wurde auch der Basileus (Erster,
König) gewählt. Dieser stand gemeinsam mit dem Adelsrat der Siedlungsgemeinschaft
vor, war jedoch nicht Machthaber einer absoluten Monarchie. Er war vom Wohlwollen
des Adels und des Demos (freie Bevölkerung) abhängig. Um Entscheidungen
zu treffen, musste er den Adelsrat einberufen und den Demos sowie das Heer informieren.
Der Demos und das Heer hatten in den frühen Stadien der Polisgeschichte
zwar keine Entscheidungsgewalt, sie konnten jedoch ihrem Unwillen oder ihrer
Zustimmung Ausdruck verleihen. Erst im Verlauf der Zeit wurde das Amt des Basileus
abgeschafft und durch einen mehrköpfigen Staats- oder Gemeindevorsitz,
den Archonten, ersetzt und eine Volksversammlung (Ekklesia) einberufen. Durch
die Ekklesia erwarb der Demos ein Stimmrecht, welches er mittels Handzeichen
oder Stimmsteinen zum Ausdruck bringen konnte. Im 6. Jahrhundert führte
das Erbrecht - jeder Oikosherr vererbte sein Land zu gleichen Teilen seinen
männlichen Nachkommen - zur weitgehenden Verarmung und Verschuldung der
bis dahin freien bäuerlichen Bevölkerung und zum wachsenden Reichtum
sowie Einfluss der Adligen.Die Fehden der Adelshäuser untereinander und
die Empörung der kleinen und mittleren Bauern über die immer krasser
werdenden Besitzunterschiede führten in vielen Poleis zu Krisensituationen.
In vielen Gemeinschaften kam es zur absoluten Herrschaft einzelner Adliger,
die durch Brutalität und Untergrabung der Polisordnung ihre Machtstellung
behaupteten.In Athen wurde Solon, selbst ein Adliger, zum Archon (hohen Beamten)
und zum Diallaktes (Versöhner) bestellt. Er erkannte, dass das Volk in
den Prozess des Regierens mit einbezogen werden musste, da der Adel trotz seiner
hervorgehobenen Stellung nicht in der Lage war, die sich entwickelnden Probleme
zu lösen. Solon kann als Wegbereiter der demokratischen Polisordnung bezeichnet
werden.Die Geschichte der Poleis war ab dem 6. Jahrhundert durch ein ständiges
Auf und Ab in den Machtverhältnissen und den Rechten des Demos gekennzeichnet
und nahm in den einzelnen Gemeinschaften einen unterschiedlichen Verlauf.
1. 3. Die gesellschaftlichen Strukturen
1.3.1. Der Adel
Die griechische Sprache kannte für die von uns als Adel bezeichnete Schicht
keinen Namen, im allgemeinen wurde sie als Oberschicht bezeichnet.Als ursprünglich
selbst einfache Oikosherren, sind sie im Laufe der Zeit zu mehr Land und Reichtum
gekommen als andere Bauern der Gemeinschaft und gewannen dadurch in den Poleis
an Macht und Einfluss. Sie selbst nannten sich die Elite der „Besten“
(Aristoi) und fanden sich in Adelsgruppen (Hetairien), in deren Mittelpunkt
immer eine dominierende Persönlichkeit stand, zusammen. Diese Bürger
führten ein exklusives, vornehmes Leben. Sie legten sich Stammbäume
an, welche ihre göttliche Abkunft bewiesen und Rechtfertigungen für
die gehobene gesellschaftliche Stellung waren.Ihr Reichtum ermöglichte
ihnen die unbezahlten gesellschaftlichen Funktionen wahrzunehmen. Sie hatten
unter den anderen adligen und nichtadligen Oikosherren Gefolgsleute (Therapontes)
und Gefährten (Hetairoi), welche ihnen in Kriegs- und Friedenszeiten zur
Seite standen und oft dem selben Genos abstammten.
1.3.2. Der Demos
Auch dieser Begriff lässt sich nicht in allen Einzelheiten erklären,
da die Situation der kleinen und mittleren Bauern sowie der freien Handwerker
in den einzelnen Regionen Griechenlands sehr unterschiedlich war.In den frühen
Phasen der Polisgeschichte stand „Demos“ für alle einer
Siedlungsgemeinschaft zugehörigen freien Bürger. Das heißt,
dass hiermit nicht nur Bauern und Handwerker sondern ebenso die Hochgeborenen
gemeint waren. Es lässt sich jedoch anhand der ursprünglichen Begriffsdefinition
feststellen, dass bereits zu dieser Zeit eine Siedlungs- oder Wehrgemeinschaft
als eine personelle Einheit empfunden wurde.Mit Zunahme der Unterschiede zwischen
den Adligen und dem gemeinen Volk, wurde später mit Demos die „breite
unabhängige Masse“ betitelt und konnte so von den „Hochgeborenen“
unterschieden werden.Das freie unabhängige Volk war durch genossenschaftliche
Vereinigungen (Phratrien und Phylen [siehe 1.4.1. und 1.4.2.]), an deren Spitze
wiederum Adlige standen, mit dem Gemeinwesen verbunden.
1.3.3. Die Unfreien
Im Allgemeinen wurden mit Unfreien die uns als Sklaven bekannten Menschen bezeichnet.
Aber auch hier gab es wieder Unterscheidungen, die ich nur kurz erläutern
möchte.Bürger, die in ihrer eigenen Polis durch Überschuldung
in ein Abhängigkeits-verhältnis gerieten, waren bis zum Abzahlen dieser
Schuld in der Douleia (Sklaverei). Sie konnten wieder freie Bürger ihrer
Gemeinschaft werden und lebten zum Teil in ihren alten Häusern, wo sie
das von ihnen verpfändete Land bestellten.Zum Doulos (Sklave) wurde auch
derjenige, der durch Krieg oder Kolonialisierung in Gefangenschaft geriet. Für
diese Sklaven wäre es ein zweifelhaftes Privileg gewesen, frei gelassen
zu werden, da sie keinerlei Möglichkeiten hatten, in eine Gemeinschaft
aufgenommen zu werden.Was beide Formen der Sklaverei gemeinsam hatten, war ihre
absolute Abhängigkeit. Es gab keinerlei Reglementierungen für den
Umgang mit Unfreien. Sie konnten jeder Zeit, ohne rechtliche Konsequenzen für
die Peiniger, verkauft, misshandelt oder getötet werden. Daran lässt
sich feststellen, dass die gesellschaftliche und rechtliche Trennlinie nicht
zwischen Adel und Demos sondern zwischen Frei und Unfrei verlief.
1.4. Die genossenschaftlichen Elemente
1.4.1. Die Phratrien
Phratrien (Bruderschaften) waren die Grundeinheit der personellen Ordnung einer
Polis, die durch Beziehungen und Abhängigkeiten von Adligen und freien
Bürgern zueinander bestimmt war und als reiner Personenverband angesehen
werden konnte. Wahrscheinlich dienten solche nachbarschaftlichen Vereinigungen
dem Schutz der Gemeinschaft nach innen. Die Anfänge lassen sich bis in
das 8. Jahrhundert zurückverfolgen. Unterbau der Phratrien waren die kultischen
Vereinigungen (Genien), die wiederum aus einzelnen Familien bestanden.Jährlich
wurde aus den der Bruderschaft zugehörigen Adligen der Phratriearchos (Oberhaupt)
bestimmt, der die Agora (Phratrieversammlung) leitete und die Verwaltung sowie
rechtliche und religiöse Aufgaben übernahm. Die Mitgliedschaft in
einer Phratrie war Voraussetzung für die Zuerkennung der Bürgerrechte
innerhalb der Polis und so war die wichtigste Aufgabe des Phratriearchos die
Anerkennung der männlichen Kinder eines Bürgers als rechtmäßige
Nachkommen.
1.4.2. Die Phylen
Phylen waren bis etwa in das 6. Jahrhundert keine regionalen, sondern vielmehr
politisch agierende Polisbehörden. Der Vorsteher (Phylobasileus) wurde
jährlich vom Basileus (später vom Stadtoberhaupt) bestimmt und handelte
im Auftrag der Polis. Er vertrat also überregionale rechtliche, wirtschaftliche
und andere Interessen.Aus Aufzeichnungen Aristoteles geht hervor, dass es ab
dem 6. Jahrhundert nach und nach in allen Poleis zu einer Phylenreform gekommen
war. Nach Aristoteles gab es in der attischen Polis vier Phylen, die jeweils
in drei Trittyen (drittel) unterteilt waren und zu denen 360 Genien aus je 30
Männern gehörten. So kann man davon ausgehen, dass in der nachsolonischen
Zeit Phylen regionale Behörden waren.
1.5. Die gesellschaftlichen Institutionen
1.5.1. Das Ämterwesen
Der Formungsprozess der Polis war in wesentlichen Punkten eine schrittweise
Ausgestaltung der Organe des Gemeinwesens. Die personengebundene Ausübung
von Macht und Herrschaft wurde mehr und mehr überwunden, indem Einrichtungen
geschaffen wurden, die eine kontinuierliche, durch bestimmte Normen und Verfahrensweisen
geregelten Besetzungen der Ämter ermöglichten.In den einzelnen Polisstaaten
wurden hierfür wiederum sehr unterschiedliche Verfahrensweisen gefunden.
Insgesamt gesehen ließen sich aber gewisse gemeinsame Grundzüge feststellen.Wesentlich
war hierbei die Tendenz zu Kompetenzverteilung und Einführung weiterer
Oberämter. Die Zahl der höheren Beamten blieb in den kleinen Poleis
begrenzt, da der Verwaltungsaufwand niedrig gehalten werden sollte, was in den
großen auf Grund der wachsenden öffentlichen Aufgaben schwer möglich
war. Aus diesem Grund wurden Magistrate geschaffen, die für bestimmte Aufgabenbereiche
zuständig waren.
1.5.2. Der Adelsrat
Das ursprünglich absolute Kontrollorgan einer Polis war in den ersten Jahrhunderten
seiner geschichtlichen Entwicklung der aus dem Beirat des Basileus entstandene
Adelsrat.In den Königsjahren wird die Ernennung der Ratsmitglieder im Ermessen
des Obersten gelegen haben. Jedoch dürfte sich nach dessen Entmachtung
an der Zusammensetzung des Adelsrates kaum etwas geändert haben, da die
Ratsfähigkeit weiterhin auf Ansehen und Geltung der Adligen beruhte.Im
Zuge der Institutionalisierung der Organe des öffentlichen Lebens ab dem
6. Jahrhundert ergab sich eine Umstrukturierung der Institutionen, bei der der
Adel immer mehr an Macht und Bedeutung verlor.Obwohl der Adelsrat weiter existierte
und seine Mitglieder Entscheidungen trafen, konnten diese ohne Zustimmung der
Volksversammlung (siehe 1.5.3.) nicht wirksam werden.
1.5.3. Die Volksversammlung
Die Entstehung der ersten, noch ohne Stimmrecht tagenden Volksversammlungen
(Ekklesia) geht auf das 7. Jahrhundert zurück. Sie dienten der Zusammenkunft
und Beratung des Demos über Beschlussfassungen des Adelsrates, blieben
jedoch vorerst nur sporadisch und formlos.Etwa ab dem 6. Jahrhundert hatte die
Ekklesia in Athen den Charakter einer Institution gewonnen, deren Zustimmung
etwa zum Einsetzen der Archonten notwendig war. Der Adelsrat war ab dieser Zeit
gezwungen sich das Einverständnis der Vertreter des Demos einzuholen, bevor
er die Öffentlichkeit betreffende Entscheidungen durchsetzen konnte.Die
Staatswerdung der Polis vollzog sich unter der Voraussetzung der Institutionalisierung
der wichtigsten Organe des öffentlichen Lebens. Zum Einen war die herrschende
Schicht selbst bestrebt, die Kompetenzen der Amtsträger zu präzisieren,
um damit die Macht der Beamten zu begrenzen. Andererseits erhielt die Volksversammlung
bestimmte Befugnisse, wodurch sie eine politische Institution wurde, der Entscheidungen
zukamen, die für die Gesamtheit bindend waren. Beide Linien der Machtentwicklung
waren für die Entstehung einer politischen Gleichheit von großer
Bedeutung. So bildete sich in der Oberschicht eine Gleichheit der Führungskräfte,
während die Gleichstellung der Vollbürger einer Gemeinschaft in Wahlen
und Abstimmungen der Ekklesia zum Ausdruck kamen.
1.6. Die Stellung der Frau
Die griechische Frau stand in einem rechtlichen Abhängigkeitsverhältnis
zu einem Vormund, meist dem Vater und nach dessen Tod dem ältesten Bruder
oder Ehemann. Die Unterordnung zeigte sich darin, dass Frauen grundsätzlich
an keinen politischen Entscheidungen teilnehmen konnten. Eine Frau vermochte
auf der einen Seite den Ehemann nicht frei zu wählen und war nur durch
einen Vormund geschäftsfähig. Auf der anderen Seite war sie persönlich
frei, musste versorgt und für die Ehe mit einer Mitgift ausgestattet werden,
die der Ehemann im Falle einer Scheidung wieder zurückzugeben hatte und
genoss einen Klageschutz bei schlechter Behandlung.Die Frau war keineswegs an
das Haus gebunden und spielte bei Kulten eine wichtige Rolle. Insgesamt genossen
Frauen ein hohes öffentliches Ansehen, welches aus Theaterstücken,
Malereien oder Mosaiken hervor geht.
2. Die solonischen Neuerungen
2.1. Solon
Solon war ein vermutlich um 640 hochgeborener athenischer Dichter und Staatsmann.
Er wurde 594 in seiner Heimatstadt zum Archon (hoher Beamter) und zum Diallaktes
(Versöhner) bestellt, um die soziale Krise, die Athen umfasste zu schlichten.
Sein Lebenswerk wurde zur Grundlage des vordemokratischen athenischen Staates.
Er starb 540 im Alter von 80 Jahren.
2.2. Die vorsolonische Krise
Ab dem 7. Jahrhundert war das soziale Gefälle zwischen Adel und Demos in
Folge des Bevölkerungswachstums und der hierdurch bedingten Wertsteigerung
von Grund und Boden zunehmend größer geworden.Jedoch waren die Ursachen
der Krise Athens in vorsolonischer Zeit natürlich nicht allein in der Not
der ländlichen Bevölkerung zu sehen. Die explosive Lage vorder Gesetzgebung
war auch Folge der Machtkämpfe zwischen den athenischen Adelshäusern.
So spielte der Putschversuch Kylons und seiner Gefolgsleute - fast ausschließlich
junge Adlige – im Jahr 632 eine überaus wichtige Rolle. Die Polisbehörde
musste das attische Heer mobilisieren, um Kylon zu schlagen. Nach der Niederschlagung
des Putschversuches nahmen die Auseinandersetzungen neue Dimensionen an. Die
Gefolgsleute Kylons, welche den Kampf überlebten, wurden in Blutrachefehden
(kylonischer Frevel) getötet. Vermutlich resultieren die Feindschaften
der Adelshäuser untereinander aus dieser Zeit. Es war sicher auch kein
Zufall, dass wenige Jahre später 642 die Gesetzgebung Drakons (drakonische
Gesetze) zur Unterbindung der blutigen Fehden eingeführt wurden.Eine weitere
Ursache ist auch im Erb- und Schuldrecht der damaligen Zeit zu suchen. Die Bauern
vererbten ihr Land zu gleichen Teilen an ihre männlichen Nachkommen. Dies
hatte eine zunehmende Parzellierung des Bodens zur Folge. Weiterhin dürften
mangelhaftes Düngen, Monokulturen und die Störung des Wasserhaushaltes
durch Rodungen Ursachen für immer geringer werdende Ernten gewesen sein.
Hierdurch nahm die wachsende Zahl von Kleinbauern ein bedenkliches Ausmaß
an.Die Schuldner verpfändeten zwar nicht ihre Person, konnten aber bei
Zahlungsunfähigkeit zur Arbeit für den Gläubiger gezwungen oder
als Schuldsklaven verkauft werden.Eine andere Form der Schuldeneintreibung war
die Verpflichtung der Bauern, regelmäßige Abgaben an den Gläubiger
zu leisten. Dies war in der Regel ein Sechstel der eigenen Ernte, weshalb sie
auch Hektemoroi (Sechsteiler) genannt wurden. Da die Hektemoroi durchweg sehr
kleine Parzellen zu bearbeiten hatten, war ihre Abgabenpflicht eine bedrückende
Last, garantierte jedoch dem Gläubiger selbst in schlechten Erntejahren
einen guten Ertrag.In dieser Zeit lebten viele ehemals freie Athener in ihrer
Heimat in Knechtschaft, während weitere als Schuldsklaven in andere Poleis
verkauft wurden oder sich als Flüchtlinge außerhalb Athens aufhielten.
Diese explosive Lage führte dazu, dass der Adel sowie der Demos nach einer
Neuordnung der Polisgesellschaft verlangten.In dieser Situation wurde Solon,
ein athenischer Adliger, zum Archon und Diallaktes im Jahre 594 bestellt. Da
er die Gefahr der Tyrannis auf das Schärfste kritisierte, bot er die Gewähr,
die ihm zu übertragende Macht nicht zu missbrauchen und hatte durch seine
Kritik an der ungerechten Landverteilung den Demos hinter sich. Solon hatte
vor den Folgen der sozialen Krise gewarnt und den Gedanken der Polisgemeinschaft
betont sowie einen Sinneswandel hin zur Gerechtigkeit gefordert.
2.3. Die solonischen Gesetze
2.3.1. Die Seisachteia
Solon erkannte, dass seine vordringlichste Aufgabe darin bestand, die Not der
Kleinbauern zu lindern. Nur hierdurch konnte die allgemeine soziale Unzufriedenheit
gemindert und die Gefahr der Tyrannis gebannt werden.Seine erste Maßnahme
war die Aufhebung der Hypothekenschuld für Bodenbesitz und die Befreiung
aus der Schuldknechtschaft, was allgemein als die Seisachteia (Lastabschüttlung)
bezeichnet wurde.Mit der Seisachteia war also eine „Amnestie“
für alle Schuldner verbunden. Schuldsklaven wurden zurückgekauft und
flüchtige Schuldner kehrten nach Athen und Attika zurück.Er verbot
weiterhin den Zugriff auf die Person des zahlungsunfähigen Schuldners,
in dem er das bis dahin bestehende Zugriffsrecht aufhob und schaffte somit die
Schuldknechtschaft ab. Ebenfalls erhielten die Hektemoroi ihr Land wieder zur
freien Verfügung und wurden so von ihren Verpflichtungen gegenüber
den Gläubigern befreit.Jedoch hatte Solon viele Bauern enttäuscht,
in dem er die Forderung nach einer gänzlichen Neuverteilung des Landbesitzes
nicht erfüllte. Eine allgemeine Landverteilung barg aber die Gefahr eines
Bürgerkrieges, da er nicht davon ausgehen konnte, dass der Adel freiwillig
auf einen erheblichen Teil seiner Ländereien verzichten würde. Hinzu
kam, dass der Grundbesitz die Basis der politisch führenden Schicht war.
Es herrschte nach der Seisachteia aber auch Enttäuschung unter den Gläubigern,
da sie dadurch erhebliche Einbußen erlitten.
2.3.2. Maß-, Gewichts- und Münzreform
Die Neugliederung und Vereinheitlichung der Maße und Gewichte war auf
Grund der Vielzahl von verschiedenen, in Attika verwendeten Systemen notwendig
geworden. Solon passte die attischen Maß- und Gewichtseinheiten dem dorischen,
einem im archaischen Griechenland weitverbreiteten System, an. Diese Reform
diente der Erleichterung des Binnen- und Außenhandels Athens, war aber
für Solon von weit größerer Bedeutung. Auf diese Weise wurde
es ihm möglich, die solonische Ordnung (siehe 2.3.5.) herzustellen.Die
Münzreform bleibt ungeklärt, da zu solonischer Zeit in Attika weder
Münzen geprägt wurden, noch als Zahlungsmittel im Umlauf waren. Der
Handel basierte auf der Naturalwirtschaft, so dass die eingeführten Silber-
und Goldmünzen ausschließlich einen materiellen Wert besaßen.
2.3.3. Die Förderung des Handwerks
Da nicht jeder der ehemaligen, nach Attika zurückkehrenden Schuldnern mit
einem Grundstück versorgt werden konnte, mussten neue Erwerbsmöglichkeiten
gefunden werden. Solon bemühte sich, auswärtige Handwerker nach Athen
zu holen. Sie konnten die athenischen Bürgerrechte erhalten, wenn sie mit
ihren Familien nach Attika übersiedelten.Ein Gesetz bezugnehmend auf diese
neu anzusiedelnden Handwerker förderte die Ausbildung und Umschulung grundbesitzloser
athenischer Bürger.
2.3.4. Die juristische Neuerungen
Erstmalig wurden durch Solon Gesetze verfasst, welche die schon erwähnten
wirtschaftlichen Probleme, wie auch Delikte gegen Personen, Straftaten gegen
das Gemeinwesen, familienrechtliche Angelegenheiten, Fragen des Kultes sowie
das Nachbarschaftsrecht behandelten. Er führte ebenfalls die Möglichkeit
der „Popularklage“ ein. Sie ermöglichte „jedem“
Bürger, Straftaten und Rechtsbrüche anzuzeigen, wenn der Geschädigte
selbst nicht dazu in der Lage war und die Verfolgung des Unrechts im öffentlichen
Interesse lag.Weiterhin verpflichtete Solon jeden Bürger Athens, unter
Androhung der Verluste seiner Bürgerrechte, bei inneren Unruhen zu den
Waffen zu greifen. Wahrscheinlich sollte mit diesem Mittel ein Abschreckungseffekt
erzielt werden, so dass potenzielle Verschwörer von vornherein mit dem
Widerstand der breiten öffentlichen Masse rechnen mussten.Die Blutgesetze
des Drakon aus dem Jahre 642, welche das Verfahren bei Tötungsdelikten
regelten, wurden von Solon nicht angetastet. So blieben die wegen eines Mordes
oder Umsturzversuches verbannten ehemaligen Athener von der solonischen Amnestie
ausgeschlossen.
2.3.5. Die solonische Ordnung
Die von Solon geschaffene Einteilung der Bürger in vier Schichten, auch
Timokratie genannt, basierte auf der Naturalwirtschaft, obwohl die Bezeichnungen
der drei unteren Klassen aus einer früheren Zeit stammten, in der die Bürger
nach ihrer militärischen Zuordnung innerhalb einer Phalanx (Schlachtreihe)
eingeteilt wurden.Die Bezeichnung Pentakosiomedimnoi (Fünfscheffler) zeigt,
dass die Zuordnung nach jährlichen Ernteerträgen vollzogen wurde.
Um zu der ersten oder Oberschicht zu gehören, musste man also 500 Medimnoi
(Scheffel) fester oder flüssiger Produkte (ca. 22500 l Getreide oder 18000
l Öl oder Wein) Ertrag nachweisen. 300 Medimnoi Einkunft waren notwendig,
um der zweiten Schicht, den Hippeis (Reiter), anzugehören. Die dritte Klassen
waren die Zeugiten (von Zeugon, einem Glied in der Phalanx). Diese hatten ein
Mindestmaß von 200 Medimnoi zu erwirtschaften. Die als Theten (leicht
Bewaffnete, Proviantträger) benannte vierte Schicht waren die ärmeren
Athener. Sie waren aber trotzdem Landbesitzer und somit freie Bürger, deren
Vertreter in der Ekklesia saßen.Es ist leider nicht geklärt, wie
die im athenischen Polis beschäftigten Handwerker zur Zeit der Naturalwirtschaft
klassifiziert wurden, da ein messbarer Ernteertrag nicht vorhanden war.Als Problem
dieses Zensussystems stellte sich das Abmessen der Erträge dar, da es an
ausreichend Messinstrumenten fehlte. Die Ernte der einzelnen Landbesitzer wurde
einfach einer Timema (Schätzung) unterzogen. Dies führte dazu, dass
die solonische Ordnung auch Timokratie genannt wurde.Diese Neuordnung hatte
zur Folge, dass reichen Bauern, die nicht adliger Abkunft waren, die Möglichkeit
gegeben wurde, in die höchsten politischen und gesellschaftlichen Positionen
vorzudringen.
2.3.6. Die Boulè
Die Schaffung eines dritten gesellschaftlichen Organs, das die Lücke zwischen
Volksversammlung und Adelsrat schließen sollte, war eine der letzten Neuerungen
Solons. Die Boulè, auch Volksrat oder Rat der Vierhundert genannt, setzte
sich aus je einhundert delegierten Mitgliedern der vier Phylen zusammen und
durfte nur Bürger der Zeugiten, der Hippeis sowie Pentakosiomedimnoi aufnehmen.
Es war sehr wahrscheinlich, dass Solon nicht nur die bereits erwähnte Lücke
schließen, sondern auch den genossenschaftlichen Elementen zu einer Aufwertung
verhelfen wollte, damit sie eine starke Institution gegen das Machtstreben einzelner
Schichten oder Personen bildeten.
3. Schlusswort
Von größter Bedeutung für die Polisbildung war die Bindung kleinerer
personeller Gemeinschaften an mehr oder weniger begrenzte landschaftliche Räume
oder Regionen. Hier war gemeinschaftsbezogenes Denken und Handeln der einzelnen
Personenverbände, die sich im Verlauf der Jahrhunderte zu staatlichen Einheiten
entwickelten, notwendig, um den Frieden nach innen zu bewahren und dadurch stark
nach außen zu sein. Die Einführung bestimmter Zulassungskriterien
für die Ausübung von Gemeinfunktionen, die Aufteilung der Kompetenzen
von Beamten und Gremien sowie die Verfahrensregelung bei der Besetzung von Funktionen
und dem Ablauf von Entscheidungsprozessen ermöglichte auch bei wachsenden
Bevölkerungszahlen ein gesellschaftliches, öffentliches Leben.Mit
Solon begann eine dieser neuen Etappen der politischen Entwicklung. Seine Neuordnung
ließ fast keinen Lebensbereich aus, so dass mir nur ein Vorstellen der
Maßnahmen übrig blieb, die mir nach heutiger Sichtweise am Eindrucksvollsten
erschienen. Nicht ohne Grund sahen die Athener, auch lange Jahre nach seinem
Tod, in Solon den Begründer des demokratischen Gedankens und somit der
Demokratie selbst. Jedoch scheint mir dies eine Fehleinschätzung einiger
Historiker aus alter Zeit und der Athener selbst zu sein. Solon war ein Traditionalist
und verstand sich zunächst als Schlichter, der die in Streit geratenen
politischen und sozialen Lager wieder in die alte Ordnung zurückführen
wollte. Er löste diese Aufgabe im Sinne eines Mittlers zwischen den Parteien.
Da er wusste, dass der von ihm gewählte mittlere Weg beide Lager wenig
befriedigen würde, führte er die attische Bevölkerung durch seine
Gesetzgebung zu einem Bewusstsein der Einheit und Zusammengehörigkeit.
Das war das eigentlich Neue und weit in die Zukunft Weisende an der solonischen
Neuordnung. Jedoch verknüpfte Solon politisches Recht mit dem wirtschaftlichen
Vermögen der Bürger und in deren Abstufung mit Vermögensklassen.
Er gab jedem freien Bürger das Recht, Mitglied eines Gremiums oder gar
Beamter zu werden, gleichzeitig verwehrte er den kleineren Bauern und Händlern
durch die Einführung der Timokratie diese Möglichkeit. Er glaubte
fest daran, dass nur der Adel in der Lage wäre, einen Staat zu führen
und so versuchte Solon auch nicht an dessen Vormachtstellung zu rütteln.So
möchte ich abschließend feststellen, dass Solon aus heutiger Sicht
ein wahrhaft großer Staatsmann gewesen ist, welcher zwar keinen demokratischen
Staat geschaffen hat, wohl aber den Grundstein dafür legte. Seine Gesetzgebung
gleicht nicht unserem Grundgesetz, das allen Bürgern gleiche Rechte und
Pflichten einräumt, sonder war das Fundament für die erste im Jahre
510 durch Kleistenes eingeführte Verfassung.
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