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Die Inflation in den Zwanzigern und ihre Auswirkungen
auf die politische Stabilität in der Weimarer Republik
Um die Problematik der Inflation zu erfassen, ist es zunächst
nötig, zu erklären, was diesem Phänomen zugrunde liegt.
Ausschlaggebend ist das Verhältnis der sich im Umlauf befindlichen
Geldzeichen zur Menge der zum Verkauf bereitstehenden produzierten Güter.
Der Schwund der Kaufkraft des Geldes nimmt enorm große Ausmaße
an, wenn sich das Gütervolumen verringert und gleichzeitig die Geldmenge
aufgebläht wird. Vor dieser Situation stand man in der Weimarer Republik.
Durch die künstliche Stützung der Kriegskredite und späteren
Devisenkäufe durch Erhöhung der Papiergeldmenge ohne ausgleichendes
Warenangebot kam es nach Kriegsende zu einer zunächst schleichenden,
später sich krass offenbarenden Entwertung der Mark. So wurde zum
Ende des Krieges der Papiergeldumlauf von zwei auf zweiundzwanzig Mrd.
Mark und in Friedenszeiten nochmals auf zweiundvierzig Mrd. Mark erhöht.
Dem entgegen stand eine dringend notwendige Reduzierung der Kriegsproduktion
auf Friedensstandard.
Die Reichsregierung, gelähmt durch die Verluste der Handelsflotte
und der Auslandsguthaben und angesichts der Stagnation des Außenhandels
verhielt sich dem Phänomen der Inflation zunächst passiv gegenüber.
Die Entwertung hatte auch durchaus positive Seiten. Sie sorgte für
hohe Beschäftigungszahlen, was einen sozialen Sicherheitsfaktor garantierte,
außerdem ließen sich anfangs die Reichsausgaben bequem finanzieren.
Nicht zu übersehen war auch, daß die Exportindustrie plötzlich
boomte. Aufgrund der Unterbewertung der Mark ließen sich deutsche
Produkte enorm billig im Ausland absetzen und die, durch die Demobilisierung
der Reichswehrtruppen freigewordene, massenhaft vorhandene billige Arbeitskraft
auf dem deutschen Markt ließ eine besonders billige Produktion im
Inland zu.
Daraus entwickelte sich unter Unternehmern und Industriellen ein lebhaftes,
später sogar in statuskonservierende Aktivitäten um-schlagendes,
Interesse an der Inflation. Auch die Schuldentilgung war sehr inflationsbegünstigt.
Diese, auf den ersten Schein positiven, Aspekte ließen die Reichsregierung
also zunächst in Untätigkeit verharren. Aber auch sie profitierte
direkt von dieser Art der Schuldentilgung, stand sie doch seit Kriegsende
mit über 150 Mrd. Mark in Form von staat-lichen Schuldtiteln in der
Kreide. Diese Schulden wurden durch die Inflation, in ihrer stärksten
Ausprägung 1923, als eine Tages-zeitung schon eine Billion Mark kostete,
beseitigt. Diese
Währungskrise blieb jedoch nicht ohne Auswirkung auf die Bevölkerung.
So verlor die deutsche Gesellschaft zu jener Zeit fast ihren gesamten Mittelstand,
samt finanzieller Sicherheit und Reserven, der kräftig bei der Kriegsfinanzierung
mitgeholfen hatte und nun seine Kredite in Form von Staatsanleihen nicht
mehr garantiert bekam. Gespartes Geld verfiel ebenso.
Aber auch die Arbeiter wurden hart gestraft, so war der Tageslohn,
der heute verdient war, morgen nur noch einen Bruchteil seines vorigen
Tageswertes wert. Das Geld reichte oft nicht einmal mehr, um die Familie
zu versorgen.
Als bittere Konsequenz für das Scheitern der Republik stellte
sich heraus, daß das Bürgertum nun weitaus anfälliger für
Demago-gisierung von rechter Seite wurde.
Dem deutschen Binnenmarkt erging es jedoch nicht so gut wie der Exportindustrie,
denn die Kaufkraft hatte rapide nachgelassen. So konnte die potentielle
Wachtumsindustrie, wie z.B. die Auto-hersteller, nicht als Konjunkturstütze
dienen, da die Nachfrage einfach zu gering war. Außerdem war durch
die Inflation der Kapitalmarkt dermaßen geschrumpft, daß nicht
genügend Investitionen bereitstanden, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Doch auch hier konnte von der Reichsregierung noch kein Einlenk-en
in Richtung einer deflationären Politik verlangt werden. 1921 mußte
schließlich die erste Reparationszahlung geleistet werden, und wie
sollte die finanziert werden, wenn nicht durch Druck einer Mrd. Mark mit
der Notenpresse. Auch wollte man die Wirtschaftsexpansion der mit der Exportindustrie
verknüpften Wirtschaftszweige nicht gefährden. Die Industriellen
beschäftigten sich sogar aktiv damit, die Inflationund somit die Konjunktur
ständig anzuheizen.
So wurde zu diesem Zeitpunkt also die Währungsstabilisierung von
der Regierung und der Industrie verhindert. Teils aus Eigennutz, aber mit
Sicherheit auch aus Angst vor erneuten inneren Krisen, sollte z.B. die
Arbeitslosigkeit wieder ansteigen.
Maßnahmen wie die Erzbergerche Steuerreform, die vor allem darauf
abzielte, auch die höheren Einkommensklassen an den Kriegsschulden
mittels einer progressiven Einkommenssteuer zu beteiligen, wurden vereitelt
, um die Industriellen und Spekulanten, also das Großkapital nicht
zu verärgern.
Wäre der Geldwert etwa auf ein Zehntel verringert worden und hätte
die Regierung eine rücksichtslose, die wirtschaftlichen Nach-
teile nicht scheuende Kreditbeschränkung durchgesetzt, hätte
wohl einiges verhindert werden können.
Die deutsche Regierung hoffte da mehr auf ausländische Hilfe und
vor allem ein Moratorium der Reparationszahlungen. Doch die Alliierten
erklärten, sie wären erst zu Verhandlungen bereit, wenn den Deutschen
eine Währungsstabilisierung aus eigener Kraft gelänge.
Stützungskäufe der Reichsbank zu Lasten ihrer Gold- und Devisenbestände,
die schnell knapp zu werden drohten, erwiesen sich als absolut uneffektiv
für die Stabilisierung angesichts der immens hohen Kosten des passiven
Widerstands im Ruhrkampf.
In eine weitaus größere Bredouille geriet die Reichsbank,
als eine größere Anzahl Spekulanten ihre Devisenwechsel bei
ihr zur Ein-
lösung vorlegte und ihr somit noch mehr der zur Stützung
not-wendigen Devisen entzog.
Nach der Ruhrkapitulation und den somit weggefallenen Kosten rückte
die Markstabilisierung jedoch wieder in den Bereich des Möglichen.
Nachdem Bayern schon mit eigenen Währungsplänen gedroht hatte
und auch die Landwirte zu überlegen begannen, ob sie, angesichts der
Wertlosigkeit der Mark, ihre Ernte im Herbst 1923 auf den Markt werfen
sollten, sah sich die Regierung zum Handeln aufgefordert.
Als provisorisches, gesetzlich zugelassenes Zahlungsmittel diente zunächst
die Rentenmark, die bei den Banken auf Verlangen gegen Goldrentenbriefe
eingetauscht werden sollte und im öffentlichen Zahlungsverkehr benutzt
werden konnte.
Gedeckt werden sollte das Geld mit einer Grundschuld, die allen deutschen
Grundstücken aufgebürdet wurde. Nur mit dem Wertmaßstab
gab es Schwierigkeiten, denn der sollte an den Roggenpreis gekoppelt werden.
Da dies sich allerdings aufgrund von starken Schwankungen des Roggenpreises
als Problem herausstellte, wurde die Rentenmark endgültig am Goldpreis
fixiert. Die Papiermark wurde dann mit einem Wechselkurs von
1 Billion Papiermark : 1 Rentenmark befestigt, rutschte aber dennoch
aufgrund heftiger Spekulationen weiter ab.
Begleitet wurde diese noch von weiteren staatlichen Stabili-sierungsmaßnahmen,
wie sie schon viel früher nötig gewesen wären, nämlich
Halbierung der Kreditspanne und Einsparungen und Ausgleich im Staatshaushalt,
dem nach dem Sozialdemo-kraten und von ihm selbst initiierten Helfferich-Plan.
Obwohl die Währungsstabilisierung scheinbar geschafft war, stand
sie auf wackeligen Beinen. Denn der Vertrauenseffekt war wesentlich für
den Bestand der neuen Notwährung. Hätten zu viele Leute Rentenmark
in Rentenbriefe tauschen wollen, wäre sie geplatzt.
Doch dem neuen Reichsbankchef Schacht gelang es, durch radikale Unterbindung
der Notgeldausgabe und rigoroser Kon-
trolle des Geldumlaufs die Währung stabil zu halten. Ebenso setzte
er strenge Höchstgrenzen für Kredite an Staat und Wirtschaft
fest,
je 1,2 Mrd. Reichsmark.
Etwas später folgte auf Verhandlungen mit den Alliierten eine
endgültige Stabilisierung der Mark im Rahmen des Dawes-Plan mittels
einer 800-Millionen-Goldmark-Anleihe aus dem Ausland und
einigen Eingriffen in das deutsche Wirtschaftssystem, wie z.B. die
Unabhängigmachung der Reichsbank mit einem teils ausländisch-en
Aufsichtsgremium und einer erneuten Prüfung der Zahlungs-fähigkeit
Deutschlands.
Quellen: "Die Republik von Weimar" von Helmut Heiber
( dtv wissenschaft 1966 )
"Der Schwarze Freitag" von Fritz Blaich
( dtv 1985 )
J. Schütz
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